Kolosserbrief 3,12-4,6

Christlich leben

.
Kolosserbrief
Bekleidet euch also, als Erwählte Gottes, Heilige und Geliebte, mit innigem Erbarmen, Güte, Demut, Milde, Geduld! Ertragt einander und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen hat! Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! (Kol 3,13-15)

Bereits in Kol 3,10 war vom Anziehen des neuen Menschen die Rede. Symbolisch kommt dies durch das Taufkleid zum Ausdruck. Mit reinen weißen Gewändern sind die Getauften bekleidet worden, als sie aus dem Wasser kamen. Dieses Ereignis stand den Menschen in Kolossä noch lebendig vor Augen. Daran werden sie immer wieder erinnert. Denke daran, was dir geschenkt wurde durch die Taufe, denke daran, wie du damals voller Glauben in das Wasser gestiegen bist. Vertraue darauf, dass du nun als neuer Mensch leben kannst. In der Taufe ist wirklich etwas mit dir passiert, das dein Leben grundlegend verändert hat. Vergiss das nie!
Das weiße Gewand der Taufe steht als Symbol für die Erneuerung des ganzen Menschen. Nicht nur das Gewand soll rein und weiß sein, vor allem soll es der Mensch in seinem inneren sein. Durch die Taufe ist er eingetreten in den Kreis der Erwählten und Heiligen, die von Gott geliebt sind. Das muss seinen Ausdruck finden im Leben. Erbarmen, Güte, Demut, Milde und Geduld sind das Zeichen dieser Heiligkeit.
Immer wieder wird darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, vergeben zu können. Jesus selbst hat dies seinen Jüngern immer wieder eingeschärft und der Aufruf zur Vergebung ist Kernbestand christlicher Verkündigung. Gott hat dem Menschen so viel vergeben, daher dürfen wir nicht kleinlich sein, wenn es darum geht, anderen zu vergeben. Wer nicht vergeben kann, schadet letztlich sich selbst. Der Hass auf andere frisst sich wie eine Wunde in die Seele und hinterlässt dunkle Schatten.
Zum weißen Gewand der Erwählten gehört in ganz besonderer Weise die Liebe. Sie baut die Gemeinschaft auf, sie schafft Frieden und Heil, sie bringt Licht in die Welt. Gott ist vollkommene Liebe. Unsere Berufung ist es, immer mehr in der Liebe zu wachsen, um so Gott immer ähnlicher zu werden.
Hier wird der Brief konkret und beschreibt, wie das neue Leben, das Christus den Gläubigen geschenkt hat, seinen Ausdruck im Leben jedes einzelnen findet. Besonders die Dankbarkeit ist ein Markenzeichen des Christen. Er lebt in dem ständigen Bewusstsein, dass ihm alles geschenkt ist. Nichts sieht er als eigenen Gewinn an, nichts gehört ihm. Er geht nicht mit den Ellenbogen durch die Welt, sondern mit offenen, schenkenden Händen, um das, was er selbst geschenkt bekommen und dankbar empfangen hat, mit anderen zu teilen.

Vor allem bekleidet euch mit der Liebe, die das Band der Vollkommenheit ist! Und der Friede Christi triumphiere in euren Herzen. Dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes. Seid dankbar! (Kol 3,14-15)

Das ist ein Spruch, den sich viele Eheleute für ihre Hochzeit aussuchen. Die Kirche hat ihn für das Fest der Heiligen Familie als Lesungstext gewählt. Diese Familie kann uns Vorbild sein in einer Zeit, in der es scheint, dass das Modell der christlichen Familie ausgedient hat. Doch so wirklich traditionell war das Leben der Heiligen Familie damals ja auch nicht. Es gab damals sicher keine frommen Gläubigen, die in der Schwangerschaft Mariens das Wirken Gottes sahen. Doch Josef hat seine Frau angenommen und das Kind, das nicht sein leiblicher Sohn war, wie seinen eigenen Sohn aufgezogen. Das Leben in Nazaret stand sicher nicht unter einem goldenen Schleier, wie es fromme Darstellungen zeigen. Es war eine Familie wie jede andere, die für ihren Lebensunterhalt hart arbeiten musste, die versuchen musste, mit ihren Nachbarn gut auszukommen und Freunde zu finden. Vielleicht kann die Heilige Familie auch heute Vorbild bleiben, wenn wir den Glanz frommer Legende von ihr nehmen und wir sie als ganz normale Familie sehen, zwar aus einer fernen Zeit, aber auch heute noch aktuell, weil sie zusammen gehalten hat, den Widrigkeiten des Schicksals getrotzt hat und gemeinsam ein Kind aufgezogen hat.
Wenn auch das Bild von Familie sich im Laufe der Zeiten wandelt, so soll christliche Familie doch ein Ort bleiben, an dem das Band der Liebe hält und so die Gegenwart des Herrn erfahrbar wird, ein Ort, an dem Menschen in Frieden zusammen leben, an dem man gerne ist, einladend und Freundlichkeit ausstrahlend.

.
Kolosserbrief
Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei euch. In aller Weisheit belehrt und ermahnt einander! Singt Gott Psalmen, Hymnen und geistliche Lieder in Dankbarkeit in euren Herzen! Alles, was ihr in Wort oder Werk tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn. Dankt Gott, dem Vater, durch ihn! (Kol 3,16-17)

Der Kolosserbrief im Ganzen ist eine Erinnerung der Christen daran, was es heißt, sich ganz auf Christus hin auszurichten und das im täglichen Leben umzusetzen, was mit der Taufe beginnen hat. Mir kam hier das Bild von einem Radio in den Sinn. Wenn ich einen bestimmten Sender suche, muss ich das Radio auf eine ganz bestimmte Frequenz einstellen. Heute geht das meist sehr einfachweil das Radio per Knopfdruck selbst die Sender sucht. Aber bei manchen Modellen kann man auch heute noch wie früher an einem Knopf drehen und so die einzelnen Frequenzen nach dem bestimmten Sender absuchen. Dabei muss ich ganz genau sein, denn wenn ich nur ein klein wenig zu viel nach links oder rechts drehe ist der Empfang nicht mehr ganz klar und von Rauschen gestört.
Ähnlich will auch der Kolosserbrief, dass die Menschen den Empfang genau auf Jesus Christus einstellen, auf die Botschaft, das Wort, das ihnen verkündet wurde. Nur wenn sie den Sender richtig einstellen, können die Menschen den ganzen Reichtum und die ganze Fülle dieses Wortes empfangen. Haben sie nicht die richtige Frequenz, tritt Rauschen auf, vermischen sich Aberglaube und Irrlehre mit dem Glauben und die christliche Botschaft wird verzerrt. Mit dem Rauschen treten dann neben Jesus Christus andere Dinge. Wird der Empfang zu weit nach rechts gedreht, gewinnt ein immer stärkerer Formalismus an Bedeutung, dann sind Äußerlichkeiten, Riten und Regeln plötzlich wichtiger als der reine Glaube des Herzens. Dreht man zu weit nach links, dann wirft man leicht manche Regeln und Riten, die im Glauben weiterhelfen über Bord und steuert auf einen allzu freizügigen Umgang mit überlieferten Geboten zu.
Die Mitte ist immer schwer zu finden, aber genau in der Mitte findet man Jesus Christus so wie er ist, findet man die wahre Weisheit, die er uns lehren will. Wir sollen einerseits auf dem Boden der Tradition stehen, andererseits aber auch den Mut haben, unseren ganz persönlichen Weg mit Jesus Christus zu gehen, im festen Vertrauen darauf, dass er uns führt und wir uns nicht an irgendwelche überholten Rituale halten müssen. Jesus schenkt uns die Freiheit des Herzens, die aber zugleich auch die Aufgabe in sich enthält, verantwortungsvoll mit dieser Freiheit umzugehen.
Ein schwieriger Weg, aber wer ihn findet, wir die Kraft des Glaubens spüren, wird befreit und von Gott getragen seinen Weg gehen und Gott aus ganzem Herzen Lob und Dank sagen. Gott will nicht, dass unser Loblied müde und gezwungen über unsere Lippen kommt. Er will, dass wir aus ganzem Herzen singen, weil wir befreit sind und unendlich beschenkt.

Ihr Frauen, ordnet euch den Männern unter, wie es sich im Herrn geziemt! Ihr Männer, liebt die Frauen und seid nicht erbittert gegen sie! Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern in allem, denn das ist dem Herrn wohlgefällig! Ihr Väter, schüchtert eure Kinder nicht ein, damit sie nicht mutlos werden! (Kol 3,18-21)

Die nun folgende christliche Hausordnung spiegelt in einigen Punkten auch die gesellschaftlichen Gegebenheiten der damaligen Zeit wider. Daher müssen wir immer wieder neu prüfen, wie wir christliches Leben konkret im Alltag umsetzen. Die Gesellschaft und ihre Gepflogenheiten ändern sich, daher ändern sich auch die konkreten Ausdrucksformen christlichen Lebens. Das aber, was christliches Leben ausmacht, bleibt unverändert. In der antiken Gesellschaft war die Vorrangstellung des Mannes selbstverständlich, ebenso wie die Sklaverei. In unserer Gesellschaft ist die Gleichberechtigung der Frau mittlerweile selbstverständlich und die Sklaverei ist abgeschafft. Aber genau wie damals lebt unsere Gesellschaft von intakten Familien und der zuverlässigen Zusammenarbeit der Menschen. Anstatt alte Formeln zu wiederholen müssen wir uns heute neu darüber Gedanken machen, wie eine christliche Familie als Keimzelle der Gesellschaft aussehen kann und wie wir Arbeit und Bezahlung gerecht verteilen.

Ihr Sklaven, gehorcht in allem euren irdischen Herren, nicht in einem augenfälligen Dienst, um Menschen zu gefallen, sondern in der Aufrichtigkeit des Herzens! Fürchtet den Herrn! Tut eure Arbeit gern, als wäre sie für den Herrn und nicht für Menschen; ihr wisst, dass ihr vom Herrn das Erbe als Lohn empfangen werdet. Dient Christus, dem Herrn!
Denn wer Unrecht tut, wird zurückbekommen, was er an Unrecht getan hat, ohne Ansehen der Person.
Ihr Herren, gebt den Sklaven, was recht und billig ist; ihr wisst, dass auch ihr im Himmel einen Herrn habt. (Kol 3,22-4,1)

In der damaligen Gesellschaft bestand die Familie, das "Haus" (oikos) aus dem Hausherrn, dessen Frau und Kindern und je nach Größe des Hauses aus den im Haus lebenden Sklaven und Freigelassenen. Die Gesellschaft konnte nur bestehen, wenn die einzelnen Häuser am Wohl der Gesellschaft mitarbeiteten. Wer aus dieser Gemeinschaft ausscherte, gehörte nicht mehr zur Gesellschaft. Auch die Christen wollten weiterhin zur Gesellschaft gehören. Die einzelnen christlichen Häuser sahen sich nicht als Aussteiger aus der Gesellschaft, sondern wollten vielmehr vorbildlich das leben, was als Pflicht in der damaligen Gesellschaft angesehen wurde - freilich nun nicht mehr unter heidnischen, sondern unter christlichen Vorzeichen. Da es aber auch Christen gab, die im Hinblick auf ein baldiges Kommen Christi aus der Gesellschaft ausscherten, wird hier und in anderen Briefen darauf hingewiesen, dass christliches Leben durchaus Gesellschaftskonform gestaltet werden kann und soll.
Es folgen weitere Hinweise zu einem gelungenen christlichen Leben im Hinblick auf das persönliche Gebet und den rechten Umgang mit Außenstehenden.

Lasst nicht nach im Beten; seid dabei wachsam und dankbar! Betet auch für uns, damit Gott uns eine Tür öffnet für das Wort und wir vom Geheimnis Christi sprechen können, um dessentwillen ich im Gefängnis bin; betet, damit ich es so kundtue, wie davon zu sprechen meine Pflicht ist!
Seid weise im Umgang mit den Außenstehenden, nutzt die Zeit! Euer Wort sei immer freundlich, doch mit Salz gewürzt, denn ihr müsst jedem in der rechten Weise antworten können. (Kol 4,2-6)