Kolosserbrief 1,24-2,11

Apostel und Gemeinde

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Kolosserbrief
Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage. Ich ergänze in meinem irdischen Leben, was an den Bedrängnissen Christi noch fehlt an seinem Leib, der die Kirche ist. Ihr Diener bin ich geworden gemäß dem Heilsplan Gottes, um an euch das Wort Gottes zu erfüllen.
Er ist jenes Geheimnis, das seit ewigen Zeiten und Generationen verborgen war - jetzt aber seinen Heiligen offenbart wurde. Ihnen wollte Gott kundtun, was der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses unter den Völkern ist: Christus ist unter euch, die Hoffnung auf Herrlichkeit.
Ihn verkünden wir; wir ermahnen jeden Menschen und belehren jeden Menschen in aller Weisheit, damit wir jeden Menschen vollkommen darstellen in Christus. Dafür mühe ich mich und kämpfe ich mit Hilfe seiner Kraft, die machtvoll in mir wirkt. (Kol 1,24-29)

Was ist das zentrale Geheimnis des Christentums? Es ist Jesus Christus selbst. Das Christentum ist keine Lehre und keine Kultreligion. Der Wesenskern des Christentums ist die lebendige Begegnung mit Jesus Christus. Alles andere erwächst aus dieser Begegnung heraus. Wir wollen wissen wer Christus ist, das lehren uns die Glaubenssätze, wir wollen leben, wie er gelebt hat, das zeigen uns die Gebote, wir wollen ihn in der Gemeinschaft der Gläubigen loben und preisen, darum feiern wir Gottesdienst.
Wie geschieht aber diese Begegnung mit Jesus Christus? Sie geschieht auf so vielfältige Weise, wie es Menschen gibt. Die ersten Jünger wurden von Jesus selbst angesprochen und in seine Nachfolge gerufen, Paulus hatte wie viele andere ein intensives Bekehrungserlebnis, bei dem er plötzlich, leibhaftig und bleibend Gottes Gegenwart erfahren hat. Viele kommen zum Glauben durch das Wort und Vorbild anderer. In unserer Gesellschaft, in der viele bereits wenige Tage nach der Geburt getauft wurden und christlich erzogen wurden, ist es wichtig, dass neben der christlichen Erziehung auch die ganz persönliche Begegnung mit Christus erfolgt. Das kann ganz unspektakulär geschehen, indem der Christ das, was ihm andere über Christus erzählt haben, nicht nur als fromme Überlieferung annimmt, sondern diese Botschaft für ihn eine persönliche Bedeutung bekommt und er anfängt, persönlich weiter zu gehen, beispielsweise durch regelmäßiges Beten und das Lesen der Heiligen Schrift.
Frommes Brauchtum, wie es leider immer mehr verloren geht, vielerorts aber gepflegt wird, ist ein Ausdruck des gemeinsamen Glaubens. Es lebt aber von dem persönlichen Glauben einzelner, damit es nicht nur ein leeres Zeremoniell ist, sondern wirklich mit Innigkeit und Leben erfüllt ist. So sind auch unsere Gottesdienste keine lästige "Sonntagspflicht", sondern Orte der persönlichen Begegnung mit Jesus Christus. In der Gemeinschaft der Gläubigen lobe und preise ich Gott, aber dann kommt Jesus ganz persönlich zu mir. In der Eucharistie werden Brot und Wein zu Christi Leib und Blut und ich darf ihn empfangen, ich darf Jesus Christus leibhaftig in mich aufnehmen. Es gibt keine tiefere Begegnung mit Jesus Christus als in der Eucharistie. Dass ich dies aber wirklich erfahren kann, ist ein Leben aus dem Glauben im Alltag wichtig.

Herr Jesus,
zeige uns, dass du in unserer Mitte bist,
lass uns deine Gegenwart lebendig erfahren.
Zeige uns, dass du lebst,
dass dein Reich mitten unter uns ist,
zeige uns deine Nähe.
Herr Jesus,
du bist nicht fern von uns,
dein Reich ist nicht nur im Himmel,
sondern auch auf Erden.
Wecke uns auf,
wo wir müde und träge sind,
zeige uns den Weg,
lass uns dir folgen
und dir immer ähnlicher werden.
Amen.
Der auferstandene Jesus ist immer lebendig und in seiner Kirche gegenwärtig, vor allem in der Eucharistie, dem Sakrament seines Leibes und Blutes. Die Gegenwart Christi unter uns ist nicht nur ein Trost, sondern auch eine Verheißung und ein Aufruf. Es ist ein Aufruf, als Missionare hinauszugehen, um die Botschaft der Zärtlichkeit, Vergebung und Barmherzigkeit des Vaters zu jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind bringen. (Papst Franziskus)
Ich will euch nämlich wissen lassen, was für einen schweren Kampf ich für euch und die Gläubigen in Laodizea zu bestehen habe, auch für alle anderen, die mich von Angesicht nie gesehen haben. Dadurch sollen sie getröstet werden, verbunden in der Liebe, um die tiefe und reiche Einsicht zu erlangen und das Geheimnis Gottes zu erkennen, das Christus ist. In ihm sind alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen. Das sage ich, damit euch niemand durch Überredungskünste täuscht. Denn wenn ich auch leiblich fern von euch bin, im Geist bin ich doch bei euch. Mit Freude sehe ich, wie fest und geordnet euer Glaube an Christus ist. (Kol 2,1-5)

Der Apostel sieht seinen Dienst für alle Gemeinden, für jene, die er selbst gegründet hat, aber auch für alle, die ihn nicht persönlich kennen. In seinen Gebeten und Leiden ringt er um das Wohl der Gemeinden. Er sagt dies, nicht um sich groß zu machen, sondern um alle zu trösten und sie in der Einsicht in das Geheimnis Christi wachsen zu lassen. Es gibt viele Lehrer, die Gemeinden sollen erkennen, welche die wahre Lehre vermitteln, an diese sollen sie sich halten, Irrlehrer sollen sie meiden. Von den wahren Lehrern aber können sie das eine Geheimnis Gottes unter verschiedenen Gesichtspunkten lernen und so in der Erkenntnis immer weiter wachsen.
Wenn Paulus sagt, dass er für die Gemeinden kämpft, ja sogar, wie es in Kol 1,24 heißt, Leiden für sie erträgt, macht er seinen grenzenlosen Einsatz für die Gläubigen und zugleich seine innige Verbindung mit Christus deutlich. Durch seine enge Verbindung mit Christus kann er zum Wohl der Gläubigen wirken. Er will sich nicht selbst erhöhen, sondern vielmehr zeigen, dass Christus immer noch leidet für das Heil der Menschen. Er leidet in den Gläubigen und das Leiden der Gläubigen ist Christi Leid. So eng ist der Zusammenhang zwischen den Glaubenden und Christus. Paulus will sagen:

Ich glaube so fest an ihn, dass ich auch für ihn leide; und ich leide nicht nur, sondern ich freue mich sogar der Leiden, im Hinblick auf die zukünftige Hoffnung; und ich leide nicht zu meinem, sondern zu eurem Besten. ... Das geht aus der zärtlichsten Liebe zu Christus hervor. Paulus möchte nämlich seine Leiden auf Christus bezogen wissen, um seine Zuhörer für Christus zu gewinnen. Was ich leide, meint er, leide ich um seinetwillen; dankt daher nicht mir, sondern ihm, denn er leidet dies. ...
Christus ist nicht nur für uns gestorben, sondern auch nach dem Tod noch bereit, Trübsal für uns zu erdulden. Mit allem Eifer und Nachdruck bemüht sich der Apostel zu zeigen, dass Christus auch jetzt noch für die Kirche einsteht mit Leib und Leben. Seine Worte laufen darauf hinaus: Nicht durch uns werdet ihr zu Gott hingeführt, sondern durch ihn, obgleich wir dieses tun, denn was wir auf uns genommen haben, ist nicht unser eigenes Werk, sondern das seinige. ... Christi Leiden ist noch keineswegs als abgeschlossen. Er leidet auch nach dem Tod noch für euch, versichert Paulus, wenn es je noch an etwas fehlen sollte. (Johannes Chrysostomus)
O Urkraft aus Ewigkeit!
Geordnet hast Du in Deinem Herzen das All.
Alle Dinge der Welt,
so wie sie da sind, wie Du sie gewollt,
Du hast sie geschaffen
aus Deinem Wort.
Und dieses Dein Wort,
es ward Leib,
in jener Gestalt, wie sie erwuchs uns aus Adam.

Und also ward
auch unsere leibliche Hülle
befreit von gewaltigem Leid.

O wie groß ist unseres Heilandes Güte!
Er hat alles erlöst, da er Mensch ward,
als Er - ohne die Fessel der Schuld - ausging aus Gott.

Und also ward
auch unsere leibliche Hülle
befreit von gewaltigem Leid.

(Hildegard von Bingen)
Ihr habt also Christus Jesus als Herrn angenommen. Darum führt auch, wie es ihm entspricht, euren Lebenswandel! Bleibt in ihm verwurzelt und auf ihn gegründet, gefestigt durch den Glauben, in dem ihr unterrichtet wurdet! Seid voller Dankbarkeit! (Kol 2,6-7)

Die empfangene Gnade und Lehre muss sich in einem entsprechenden Lebenswandel widerspiegeln. Das wird im Kapitel 3 dann noch näher ausgeführt. Wichtig ist eine Festigung im Glauben. der Christ soll fähig sein zu erkennen, was dem Glauben entspricht, und anhand solcher Lehren seinen Glauben vertiefen. Er soll aber auch wissen, was dem Glauben widerspricht und Irrlehrer samt ihren Lehren meiden. Es geht also nicht darum, möglichst viel zu lernen und sich daraus einen eigenen Glauben zusammenzubasteln, sondern sich auf die wahre Lehre zu konzentrieren und diese immer mehr zu vertiefen.

Gebt Acht, dass euch niemand mit seiner Philosophie und leerem Trug einfängt, die sich nur auf menschliche Überlieferung stützen und sich auf die Elementarmächte der Welt berufen, nicht auf Christus! Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig. Durch ihn seid auch ihr davon erfüllt; denn er ist das Haupt aller Mächte und Gewalten.
In ihm habt ihr eine Beschneidung empfangen, die man nicht mit Händen vornimmt, nämlich die Beschneidung, die Christus gegeben hat. Wer sie empfängt, sagt sich los von seinem vergänglichen Leib. (Kol 2,8-12)

Manche Lehren hören sich groß an, sind aber innen hohl. In Kolossä sind wahrscheinlich Irrlehrer aufgetreten die großartige Geschichten über irgendwelche Elementarmächte der Welt vorgetragen haben, über Kräfte, die in der Natur und an jedem Ort wirksam sind. Sicher gibt es solche Kräfte und es ist einerseits schade, dass wir verlernt haben, sie zu spüren. Wir haben Strom und andere Energieformen als Kraftquellen, in denen nichts mystisches mehr steckt. Aber es gibt diese verborgenen Kräfte, die unser Leben beeinflussen. Viele Menschen gehen heute zum Psychologen, wenn negative Kräfte ihr Leben stören und zerstören. Es gibt aber auch positive Kräfte und wir kennen auch heute noch Orte, von denen eine besondere Kraft ausgeht. Auch unsere Kirchen und die Reliquien von Heiligen können solche Kraftquellen sein.
Aber diese Kräfte, auch wenn wir sie bis heute nicht vollständig erklären können, sind keine Götter. Solche positiven und negativen Kraftfelder gibt es. Oft gehen sie von anderen Menschen aus. Bis heute können wir nicht hinreichend beschreiben, welche Kraft von unseren Gedanken ausgeht. Aber wir können mit unseren Gedanken und unserer Lebenseinstellung unser Leben und auch das anderer Menschen positiv oder negativ beeinflussen. Wir wissen viel zu wenig, über die verborgenen Kraftfelder, die uns umgeben, weil wir durch die Aufklärung und die auf sichtbare Phänomene verengten Naturwissenschaften verlernt haben, tiefer zu sehen. Aber viele Wissenschaftler erkennen immer deutlicher, dass sie mit den bisherigen Methoden die Wirklichkeit nicht in der Vollständigkeit erklären können, wie man früher geglaubt hat. Die Quantenphysik zeigt uns Beispiele für Phänomene der Wirklichkeit, die unsere Vorstellungskraft bei weitem übersteigen.
Aber die Beschäftigung mit solchen Kräften oder aber auch andere Lehren philosophischer Art widerspricht nicht dem Glauben an Jesus Christus. In Jesus Christus ist die Fülle, die Fülle allen Glaubens, die Fülle aller Wissenschaft, die Fülle aller Erkenntnis. Und das ist immer mehr, als wir mit unserem Verstand begreifen können. Wenn eine Religion oder eine wissenschaftliche Lehre mit einem schönen Modell daherkommt, das wir leicht begreifen können und das uns schnell einsichtig ist, so ist daran meist etwas faul. Christus hat den Menschen nicht nach dem Mund geredet, sondern sie immer wieder vor den Kopf gestoßen. Die Fülle, die in Christus ist, ist mehr und immer mehr und wenn wir eine Sache begriffen haben tut sich die nächste Frage auf. Wir müssen bereit sein, unser Weltbild und auch unser Gottesbild immer weiter zu entwickeln, nicht stehen zu bleiben, nicht eine einfache Lehre annehmen, weil sie so schön und bequem ist und so gut zu unserem Leben zu passen scheint. Wir müssen immer in Bewegung sein hin zu dem Geheimnis, das wir nie ganz erforschen können, das uns aber trotzdem ganz nahe ist.