Hebräerbrief 4,14-10,18

Christus Hoherpriester

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Heilige Schrift
Da wir nun einen erhabenen Hohepriester haben, der die Himmel durchschritten hat, Jesus, den Sohn Gottes, lasst uns an dem Bekenntnis festhalten. Wir haben ja nicht einen Hohepriester, der nicht mitfühlen könnte mit unseren Schwächen, sondern einen, der in allem wie wir versucht worden ist, aber nicht gesündigt hat. Lasst uns also voll Zuversicht hinzutreten zum Thron der Gnade, damit wir Erbarmen und Gnade finden und so Hilfe erlangen zur rechten Zeit! (Hebr 4,14-16)

Jesus Christus ist der Hohepriester des Neuen Bundes. Der Hebräerbrief zeigt, wie Jesus Christus als solcher die Hohenpriester des Alten Bundes bei weitem übertrifft. Die Kulthandlungen der jüdischen Hohenpriester waren nur Stückwerk, menschliche Handlungen, die zeitlich begrenzt waren und daher regelmäßig wiederholt werden mussten. Das, was Jesus Christus getan hat, ist göttlich und einmalig und bleibt für die Ewigkeit.

Der erste Bund hatte zwar gottesdienstliche Vorschriften und ein irdisches Heiligtum. Es wurde nämlich ein erstes Zelt errichtet, in dem sich der Leuchter, der Tisch und die Schaubrote befanden; dieses wird das Heilige genannt. Hinter dem zweiten Vorhang jedoch war ein Zelt, das Allerheiligstes genannt wird, mit dem goldenen Rauchopferaltar und der ganz mit Gold überzogenen Bundeslade; darin waren ein goldener Krug mit dem Manna, der Stab Aarons, der Triebe angesetzt hatte, und die Bundestafeln; über ihr waren die Kerubim der Herrlichkeit, die die Sühneplatte überschatteten. Doch es ist nicht möglich, darüber jetzt im Einzelnen zu reden.
So also ist das alles geordnet. In das erste Zelt gehen die Priester das ganze Jahr hinein, um die heiligen Dienste zu verrichten. In das zweite Zelt aber geht nur einmal im Jahr der Hohepriester allein hinein, und zwar mit dem Blut, das er für sich und für die unwissentlich begangenen Vergehen des Volkes darbringt. Damit macht der Heilige Geist deutlich, dass der Weg in das Heiligtum noch nicht offensteht, solange das erste Zelt noch Bestand hat.
Das ist ein Gleichnis, das auf die gegenwärtige Zeit hinweist, in der Gaben und Opfer dargebracht werden, die das Gewissen des Opfernden nicht zur Vollkommenheit führen können; es handelt sich nur um Speisen und Getränke und allerlei Waschungen, äußerliche Vorschriften, die bis zu der Zeit einer besseren Ordnung auferlegt worden sind. (Hebr 9,1-10)

In knappen Worten und mit dem Hinweis, darauf nicht ins Detail eingehen zu können, erklärt der Hebräerbrief kurz den Opferkult des Alten Bundes, der im Tempel vollzogen wurde. Neben den regelmäßigen Opfern im Tempel gab es ein besonderes Opfer, das nur am Versöhnungstag, dem Fest Jom Kippur, das bis heute das höchste aller jüdischen Feste darstellt, dargebracht wurde. Zu diesem Opfer betrat der Hohepriester allein das sonst unzugängliche Allerheiligste des Tempels, um dort ein besonderes Opfer für die Sünden des Volkes darzubringen.
Der Gedanke, dass Blut reinigt und heilt ist wesentlich zum Verständnis des jüdischen Kultes. Uns ist dieser Gedanke fremd geworden. Doch um den Hebräerbrief zu verstehen, müssen wir uns diesen Gedanken aneignen. Blut ist etwas Heiliges. In ihm steckt die Kraft des Lebens. Um Blut zu gewinnen, muss getötet werden. Tiere aus der Herde, die den wichtigsten Besitz der damaligen Menschen darstellten, wurden geschlachtet. Dem Blut dieser Tiere schrieb man eine besondere Opferwirkung zu, die Gott dazu bewegt, den Menschen gnädig zu sein.
Die Wirkung dieser Opfer ist begrenzt, was in der Notwendigkeit der ständigen Auffrischung deutlich wird. Im Hebräerbrief setzt sich die Überzeugung durch, dass diese Opfer generell nicht den Wert haben, der ihnen beigemessen wird. Gott bedarf dieser Opfer nicht. Er findet einen anderen Weg, um die Menschen von ihren Sünden zu befreien. Er bringt sich in seinem Sohn selbst ein Opfer dar. Gottes Sohn stirbt und sein Blut reinigt die Menschheit ein für alle Mal von ihren Sünden. Gott schenkt so den Menschen selbst die Erlösung und zwar dauerhaft und unvergänglich.
Das Opfer Christi kann und muss nicht wiederholt werden. Es ist und bleibt einmalig. Und doch wird es immer wieder gegenwärtig gesetzt in der Eucharistie. Die Feier der Eucharistie ist die ständige Gegenwärtigsetzung des Opfers Jesu Christi. Das, was damals blutig auf Golgota geschah, wird hier unblutig Wirklichkeit in der Gestalt von Brot und Wein, die in Christi Leib und Blut gewandelt werden.

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Heilige Schrift
Christus aber ist gekommen als Hohepriester der künftigen Güter durch das größere und vollkommenere Zelt, das nicht von Menschenhand gemacht, das heißt nicht von dieser Schöpfung ist. Nicht mit dem Blut von Böcken und jungen Stieren, sondern mit seinem eigenen Blut ist er ein für alle Mal in das Heiligtum hineingegangen und so hat er eine ewige Erlösung bewirkt. Denn wenn schon das Blut von Böcken und Stieren und die Asche einer jungen Kuh die Unreinen, die damit besprengt werden, so heiligt, dass sie leiblich rein werden, um wie viel mehr wird das Blut Christi, der sich selbst als makelloses Opfer kraft des ewigen Geistes Gott dargebracht hat, unser Gewissen von toten Werken reinigen, damit wir dem lebendigen Gott dienen. (Hebr 9,11-14)
Jesus,
ich schaue Dich an
im heiligen Brot der Eucharistie.
Dieses Brot ist Dein Leib.
Dieses Brot erinnert mich daran,
was Du für mich getan hast.
In deiner Liebe
bist Du für mich in den Tod gegangen.
Du bist am Kreuz gestorben,
um mir das Leben zu schenken.
Jesus,
Du bist durch den Tod
ins Leben gegangen.
Jesus, Du lebst
und ich lebe mit Dir.
Lass mich leben
zu Deiner Ehre.
Dir will ich ganz gehören.
Jesus,
/ Du Herr meines Lebens.
Ich schaue Dich an
und erkenne Deine Liebe.
Lass mich leben aus dieser Liebe.
Amen.
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Heilige Schrift
Denn das Gesetz, das nur einen Schatten der künftigen Güter, nicht aber die Gestalt der Dinge selbst enthält, kann durch die immer gleichen, jährlich dargebrachten Opfer niemals diejenigen, die zu Gott hintreten, für immer zur Vollendung führen. Denn hätte man nicht aufgehört Opfer darzubringen, wenn die Opfernden kein Sündenbewusstsein mehr gehabt hätten, da sie ja ein für alle Mal gereinigt worden wären? Aber durch diese Opfer wird alljährlich nur an die Sünden erinnert, denn das Blut von Stieren und Böcken kann unmöglich Sünden wegnehmen. (Hebr 10,1-4)

Der Hebräerbrief vertritt eine kritische Haltung gegenüber dem jüdischen Gesetz und seinen Vorschriften. Es wird hier ein Prozess deutlich, in dem sich das Christentum allmählich von seinen jüdischen Ursprüngen löst. Für Judenchristen war es nicht einfach, sich von den gewohnten Ritualen zu trennen. Wollte Christus nur eine Erneuerung der jüdischen Religion, oder hat er etwas Neues gebracht? Hat das Gesetz auch für Christen Geltung, oder gründet der neue Bund Gottes nicht mehr auf dem Gesetz, sondern allein auf Jesus Christus?
Für gläubige Juden müssen diese Worte des Hebräerbriefs unerhört erscheinen. Das Gesetz nur ein Schatten der Wirklichkeit Gottes? Die gemäß dem Gesetz dargebrachten Opfer eigentlich wertlos? Vielleicht muss der Hebräerbrief hier so drastisch formulieren, um deutlich zu machen, was Jesus Christus Neues gebracht hat: die Vergebung der Sünden durch SEIN Blut und den direkten Zugang der Menschen zu Gott durch IHN. In Jesus Christus wird ein für alle Mal der Wille Gottes deutlich:

Darum spricht er bei seinem Eintritt in die Welt: Schlacht- und Speiseopfer hast du nicht gefordert, doch einen Leib hast du mir bereitet; an Brand- und Sündopfern hast du kein Gefallen. Da sagte ich: Siehe, ich komme - so steht es über mich in der Schriftrolle -, um deinen Willen, Gott, zu tun. (Hebr 10,5-7)

Der Hebräerbrief verwendet hier ein Zitat aus dem Psalm 40, um seine Argumentation zu stützen:

An Schlacht- und Speiseopfern hattest du kein Gefallen, doch Ohren hast du mir gegraben, Brand- und Sündopfer hast du nicht gefordert. Da habe ich gesagt: Siehe, ich komme. In der Buchrolle steht es über mich geschrieben. Deinen Willen zu tun, mein Gott, war mein Gefallen und deine Weisung ist in meinem Innern. (Ps 40,7-9)

Auch der Beter des Psalms erkennt, dass es nicht auf Opfer ankommt, sondern die Erfüllung des Willens Gottes. Für ihn sind die Ohren das Medium, das es ermöglicht, Gottes Willen wahrzunehmen. Der Beter des Psalms denkt aber hierbei auch an das Gesetz Gottes, die Tora, die er sich so sehr Verinnerlicht hat, dass er ihre Vorschriften im Herzen trägt und sie so sicher erfüllt. Das Gesetz Gottes ist für ihn Ausdruck seines Willens, die Erfüllung des Gesetzes die Erfüllung des Gotteswillens. Die Opfer aber sind für ihn kein wesentlicher Bestandteil des Gesetzes.
Anders der Hebräerbrief, er sieht gerade im äußeren Vollzug von Opfern und jüdischen Vorschriften den Wesensbestandteil des jüdischen Glaubens und macht deutlich, dass es einen Gegensatz gibt zwischen diesen Äußerlichkeiten und der konkreten Erfüllung des Willens Gottes. Genau wie Jesus Christus wendet er sich gegen eine Ritualisierung des Gesetzes, bei der es nur um eine herzlose wortgetreue Erfüllung der Vorschriften geht, die deren eigentliche Bedeutung als Zeichen gläubigen Lebens übersieht.
Nicht am Gesetz an sich wird also Kritik geübt, sondern an dessen falscher Umsetzung. Auch Jesus bekräftigt, dass er keinen noch so kleinen Buchstaben vom Gesetz streichen will. Aber er zeigt immer wieder, dass die Auslegung der jüdischen gelehrten seiner Zeit nicht dem Willen Gottes entspricht. Nicht der Buchstabe zählt im Gesetz, sondern Liebe und Barmherzigkeit. Mit dem Gesetz wollte Gott sein Volk Liebe und Barmherzigkeit lehren und nur wenn das Gesetz in den Dienst der Liebe und Barmherzigkeit gestellt wird, erfüllt es seinen Sinn.

Zunächst sagt er: Schlacht- und Speiseopfer, Brand- und Sündopfer forderst du nicht, du hast daran kein Gefallen, obgleich sie doch nach dem Gesetz dargebracht werden; dann aber hat er gesagt: Siehe, ich komme, um deinen Willen zu tun. Er hebt das Erste auf, um das Zweite in Kraft zu setzen. Aufgrund dieses Willens sind wir durch die Hingabe des Leibes Jesu Christi geheiligt - ein für alle Mal. (Hebr 10,8-10)

Noch einen weiteren wesentlichen neuen Gedankengang bringt der Hebräerbrief hier zum Ausdruck. Er ändert im Zitat die "Ohren", die Gott dem Beter gegeben hat, damit er seinen Willen aufnimmt, in "Leib". Gottes Wort und Gottes Wille wird "Leib", wird ein Mensch, und offenbar sich so der Welt. Somit vermittelt Gott nun seinen Willen nicht mehr vorrangig im Hören des Beters, sondern in der Nachahmung dessen, der als Gottes Wort den Willen Gottes gelebt hat.
Jesus Christus zeigt der Welt den Willen Gottes und er macht die Menschen fähig, diesen Willen zu erfüllen, indem er sich selbst zum Opfer gibt, dass die Sünde der Menschen, die den Weg zu Gott versperrt, hinwegnimmt. Jesus Christus führt die Menschen zur Heiligkeit. Heiligkeit bedeutet nun nicht mehr die Erfüllung des Gesetzes, sondern das Gleichwerden mit Jesus Christus.
So funktioniert Christentum: durch die Taufe erhält der Mensch Anteil am neuen heil, der Vergebung der Sünden, die Jesus Christus in seinem Tod gewirkt hat. So tritt der Mensch ein in ein neues Leben, in dem er den Willen Gottes so erfüllt, wie Jesus Christus es in seinem Leben gezeigt hat. Der Christ lebt in seinem Leben das, was Jesus Christus ihm gezeigt hat. Die Menschwerdung Gottes wird so zum Vorbild wahren Menschseins.