Hebr 3,1-4,11 Gottes Wort

Mahnung - Verheißung

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Heilige Schrift
Darum, heilige Brüder und Schwestern, die ihr an himmlischer Berufung teilhabt, richtet euren Sinn auf den Apostel und Hohepriester unseres Bekenntnisses: Jesus, der - wie auch Mose in Gottes Haus - dem treu ist, der ihn eingesetzt hat! Denn er ist größerer Herrlichkeit gewürdigt worden als Mose, so wie der, der ein Haus erbaut, größere Ehre hat als das Haus selbst. Denn jedes Haus wird von jemand erbaut; der aber, der alles erbaut hat, ist Gott. Mose war zwar in Gottes ganzem Haus treu als ein Dienender zum Zeugnis für das, was künftig gesagt werden sollte. Christus aber ist treu als Sohn, der über das Haus Gottes gesetzt ist. Sein Haus sind wir, wenn wir an der Zuversicht und an der Hoffnung festhalten, derer wir uns rühmen. (Hebr 3,1-6)

Nachdem der Hebräerbrief die Erhabenheit des Sohnes herausgestellt hat und bevor er im langen Mittelteil die Bedeutung des Sohnes noch weiter präzisiert, erklärt er den Lesern und Hörern in drei Absätzen, die jeweils mit "Deshalb" beginnen, die Bedeutung des Sohnes Gottes für ihr Leben. Dass Gott durch den Sohn auf ultimative und einzigartige Weise gesprochen hat, hat für die ganze Schöpfung und das Leben jedes einzelnen massive Auswirkungen. Diejenigen, die bereits zur Gemeinschaft des Sohnes dazugehören, mahnt er zur Treue. An die Außenstehenden ergeht der Ruf, sich dem neuen Volk Gottes, das Gott auf einen neuen Weg des Exodus führt, anzuschließen.
Christus, der Sohn Gottes, der erhabener als die Engel ist, überragt auch Mose, der dem Volk Israel seit alters her als Autorität gilt. Denn Mose wurde nur als Diener in Gottes Haus eingesetzt und als solcher hat er sich treu erwiesen. Christus der Sohn aber ist über das Haus Gottes gestellt. Er ist kein Diener wie Mose und die Propheten, sondern ist Gott gleich, dem Herrn und Erbauer des Hauses. Auch wenn es hier nicht explizit formuliert wird, zeigt sich doch deutlich, dass Christus bereits vor aller Schöpfung beim Vater ist und alle Schöpfung durch ihn entstanden ist.
Christus ist Gottes Wort, dessen Macht bereits am Anfang die Schöpfung gewirkt hat und das zu allen Zeiten in die Schöpfung hinein gesprochen wurde. Dieses Wort ist nun selbst Fleisch geworden, um sich der Schöpfung und insbesondere dem Menschen noch verständlicher mitzuteilen. Es war dem Wort nicht genug, nur durch Menschen zu sprechen, sondern wollte selbst Mensch werden. Wir müssen uns immer wieder bewusst machen, was das bedeutet, konkret auch für unser Leben, und wir dürfen den Ruf des Wortes Gottes nicht überhören.

Darum beherzigt, was der Heilige Geist sagt: Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet nicht eure Herzen wie beim Aufruhr am Tag der Versuchung in der Wüste! Dort haben eure Väter mich versucht, sie haben mich auf die Probe gestellt und hatten doch meine Taten gesehen, vierzig Jahre lang. Darum war mir diese Generation zuwider und ich sagte: Immer geht ihr Herz in die Irre. Sie erkannten meine Wege nicht. Darum habe ich in meinem Zorn geschworen: Sie sollen nicht in das Land meiner Ruhe kommen. (Hebr 3,7-11)

Der Hebräerbrief zitiert hier Psalm 95,7b-11. Der Psalm 95 ist das klassische Invitatorium des Stundengebets und somit der erste Psalm des neuen Tages. Vor der hier zitierten Mahnung fordert er in seinem ersten Teil auf zum Lobpreis und zur Anbetung Gottes. In seiner Mahnung erinnert er an die Wüstenwanderung, die 40 Jahre gedauert hat, weil das Volk so starrsinnig war, nicht auf Gott vertraut hat und ihn immer wieder auf die Probe gestellt hat. Der Tag von Meriba (Num 20) wurde zu einer Art Wendepunkt des Exodus. Mose sollte dem Volk beweisen, dass Gott ihren Durst mit Wasser aus dem Felsen stillen kann. Doch Mose ließ sich beeinflussen vom Murren des Volkes und zweifelte selbst an dem, was er tat. Zwar spendete Gott das Wasser aus dem Felsen, aber der Zweifel dieses Tages war der Grund dafür, dass Mose nicht in das verheißene Land einziehen durfte.

Gebt Acht, Brüder und Schwestern, dass keiner von euch ein böses, ungläubiges Herz hat, dass keiner vom lebendigen Gott abfällt, sondern ermahnt einander jeden Tag, solange es noch heißt: Heute, damit niemand von euch durch den Betrug der Sünde verhärtet wird; denn an Christus haben wir nur Anteil, wenn wir bis zum Ende an der Zuversicht festhalten, die wir am Anfang hatten. Wenn es heißt: Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht wie beim Aufruhr - wer waren denn jene, die hörten und sich auflehnten? Waren es nicht alle, die unter Mose aus Ägypten ausgezogen waren? Wer war Gott vierzig Jahre lang zuwider? Waren es nicht die Sünder, deren Leichen in der Wüste liegen blieben? Wem aber hat er geschworen, dass sie nicht eingehen sollten in seine Ruhe, wenn nicht den Ungehorsamen? Und wir sehen, dass sie nicht hineinkommen konnten wegen ihres Unglaubens. (Hebr 3,12-19)

Der Hebräerbrief präzisiert nochmals die Bedeutung des zuvor gesagten. Gott hat sein Volk voller Hoffnung aus Ägypten geführt. Aber die Beschwerlichkeit der Wüstenwanderung führte zum Zweifel und der Zweifel machte den Weg noch beschwerlicher, denn schließlich sollte es der ganzen Generation der Zweifler verweht sein, in das verheißene Land einzutreten. Erst eine neue Generation durfte in das Land der Ruhe. Sie mussten so lange weiterwandern, bis alle Menschen der ersten Generation verstorben waren. Eine durchaus harte Maßnahme Gottes.
Der Exodus aber ist nicht nur ein vergangenes Ereignis, er geschieht zu jeder Zeit. Immer ruft Gott Menschen dazu, den Weg mit ihm zu gehen, den Weg in das Land der Verheißung, der Ruhe und des Friedens. Dieses Land ist nicht an einen bestimmten Ort gebunden, sondern überall. Wer Gottes Ruf folgt, muss sich nicht auf Wanderschaft begeben. Es ist der Weg des Menschen in das Innere seiner selbst, der Weg, auf dem der Mensch danach strebt, ganz Gott zu gehören und sich ganz von ihm führen zu lassen, der Weg, auf dem der Mensch lernt, sich vom Irdischen zu lösen und ganz auf Gott zu vertrauen.
Dieser Weg ist an keine Zeit gebunden. Er findet statt im immerwährenden Heute der Gegenwart Gottes. Jeder Tag ist ein guter Tag, diesen Weg zu beginnen, jeder Tag ist ein guter Tag, einen Schritt weiter auf diesem Weg zu gehen. Das Heute dauert so lange, bis das Morgen kommt. Das Morgen, das ist der Tag des eigenen Todes oder der Tag, an dem der Herr wiederkommt in Herrlichkeit. Das Morgen ist jener Tag, von dem keiner weiß, wann er kommt. Darum sollten wir das Heute hochschätzen, denn es bietet uns unbegrenzte Möglichkeiten. Je früher wir anfangen, den Weg mit Gott zu gehen, umso mehr Zeit bleibt uns, diesen Weg einzuüben. Das Heute hält unvorstellbare Chancen für uns bereit. Nutzen wir sie. Jetzt.

Darum lasst uns ernsthaft besorgt sein, dass keiner von euch zurückbleibt, solange die Verheißung, in seine Ruhe zu kommen, noch gilt. (Hebr 4,1)

Der Hebräerbrief bleibt im Bild des Exodus. So wie einst die Juden geschlossen aus Ägypten aufgebrochen sind, so sollen auch wir uns gegenseitig dazu ermahnen und ermuntern, die Chance des Heute zu ergreifen. Es genügt nicht, wenn jeder nur auf sich selbst schaut. Unsere Begeisterung für Gott soll auch andere anstecken und mitreißen. Erlösung ist nicht nur individuell. Die Entwicklung unserer westlichen Welt hat zu einer Betonung des Individuums geführt und dies hat sich auch auf den religiösen Bereich ausgewirkt. Die Rettung der eigenen Seele wurde als das Zentrum des Glaubens gesehen. Wir müssen lernen, uns wieder mehr als Gemeinschaft der Glaubenden zu verstehen. Als Gläubige gehören wir zum pilgernden Gottesvolk und sind gemeinsam auf dem Weg. Wenn einer fällt und zurückbleibt und keiner ihm hilft, hat das Auswirkungen auf alle.

Denn auch uns ist das Evangelium verkündet worden wie jenen; doch hat ihnen das Wort, das sie hörten, nichts genützt, weil es sich nicht durch den Glauben mit den Hörern verband. (Hebr 4,2)

Wichtig ist es, Gottes Wort zu hören, das Hören allein aber nützt noch nichts. Eine ansprechende Formulierung: das Wort muss sich mit den Hörern durch den Glauben verbinden. Der Glaube ist das Scharnier zwischen dem Wort und dem einzelnen Menschen. Man kann das Wort Gottes hören, wie jedes beliebige Wort, kann die Bibel lesen, wie ein gewöhnliches Buch, man kann wissen, was in der Bibel steht, ohne etwas davon verstanden zu haben. Erst dann, wenn ich für mich erkenne, dass Gottes Wort die Wahrheit und das Leben ist und dass es den Weg weist, wenn ich mich von ihm ergreifen und durchdringen lasse, habe ich etwas von ihm verstanden. Das gläubige Lesen und Hören des Wortes Gottes ist immer auch eine lebendige Begegnung mit dem, der spricht. Darum lesen viele auch laut, wenn sie in der Bibel lesen. So kommt das Wort nicht nur durch die Augen, sondern auch durch die Ohren in mich hinein.

Denn wir, die wir gläubig geworden sind, kommen in seine Ruhe, wie er gesagt hat: Darum habe ich in meinem Zorn geschworen: Sie sollen nicht in meine Ruhe kommen. Und doch waren die Werke seit Erschaffung der Welt getan, denn vom siebten Tag heißt es an einer Stelle: Und Gott ruhte am siebten Tag von all seinen Werken; hier aber heißt es: Sie sollen nicht in meine Ruhe kommen. Da es nun dabei bleibt, dass einige hineinkommen, die aber, die früher das Evangelium empfangen haben, wegen ihres Ungehorsams nicht hineingekommen sind, setzt er aufs Neue einen Tag fest, Heute, indem er durch David, wie schon gesagt, nach so langer Zeit spricht: Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet nicht eure Herzen! Denn hätte schon Josua sie in das Land der Ruhe geführt, so wäre nicht von einem anderen, späteren Tag die Rede. Also verbleibt dem Volk Gottes noch eine Sabbatruhe. Denn wer in seine Ruhe eingegangen ist, der ruht auch selbst von seinen Werken aus, wie Gott von den seinigen. Bemühen wir uns also, in jene Ruhe einzugehen, damit niemand aufgrund des gleichen Ungehorsams zu Fall kommt! (Hebr 4,3-11)

Es ist ein tröstlicher Gedanke: Gott hat von neuem ein "Heute" angesetzt, an dem der Weg offen ist, in sein Reich. Die Tore stehen offen für jeden, der bereit ist, einzutreten.