Galater 6,11-18

Briefschluss

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Galater
Seht, ich schreibe euch jetzt mit eigener Hand; das ist meine Schrift. Jene Leute, die in der Welt nach Anerkennung streben, nötigen euch nur deshalb zur Beschneidung, damit sie wegen des Kreuzes Christi nicht verfolgt werden. Denn obwohl sie beschnitten sind, halten sie nicht einmal selber das Gesetz; dennoch dringen sie auf eure Beschneidung, um sich dessen zu rühmen, was an eurem Fleisch geschehen soll. (Gal 6,11-13)

Paulus wirft seinen Gegnern vor, dass es ihnen nur um den eigenen Ruhm geht. Sie wollen gut dastehen aus weltlicher Sichtweise, indem sie die Beschneidung durchsetzen. Aber es bleibt bei ihnen rein bei Äußerlichkeiten. Im Inneren fehlt ihnen jede Spur von wirklicher Gesetzestreue.

Von Gottesfurcht ist bei diesem Gehaben keine Spur, alles geschieht aus rein menschlichem Ehrgeiz. Um den Ungläubigen zu gefallen, werden die Gläubigen verstümmelt, man will lieber Gott beleidigen, als Menschen zu missfallen. (Johannes Chrysostomus)
Ich aber will mich allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen, durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt. (Gal 6,14)

Wir hören heute das Schlusswort des Galaterbriefes. Paulus schreibt es eigenhändig, wie er wenige Zeilen vorher betont. Das ist eine besondere Auszeichnung, die seine Verbundenheit mit den Galatern deutlich machen soll. Die Aussöhnung mit ihnen liegt ihm wirklich am Herzen. Es geht ihm nicht um seinen eigenen Ruhm. Er will nicht, wie er es seinen Gegnern vorwirft, Menschen gefallen, sondern Gott. Ihm geht es um das Heil der Menschen.
Seine Gegner scheinen sich damit gebrüstet zu haben, dass sie die Galater zur Beschneidung "bekehrt" haben. Paulus hat deutlich gemacht, dass die Beschneidung nichts ist, womit man sich rühmen kann. Allein das Kreuz Jesu Christi ist entscheidend. Unser Ruhm ist, dass Christus für uns gekreuzigt wurde. Worin andere eine Schande sehen, darin sehen wir Christen das Zeichen der Liebe Gottes und unseres Heiles.

Das Kreuz scheint eine Schmach zu sein, aber nur in den Augen der Welt und bei den Ungläubigen, in den Augen des Himmels und bei den Gläubigen ist es die größte Ehre. Denn auch die Armut gilt für eine Schande, uns aber ist sie Ruhm, und das Verachtetsein bringt den Spott der Menge, wir aber sind stolz darauf. Gleicherweise rühmen wir uns auch des Kreuzes. ... Worin aber besteht der Ruhm des Kreuzes? Darin, dass Christus meinetwegen Knechtsgestalt angenommen hat, dass er sein ganzes Leiden gelitten hat um meinetwillen, das heißt um des Knechtes, des Feindes, des undankbaren Sünders willen. Ja, in dem Maße hat er mich geliebt, dass er sich selber dem Fluche hingab. Kann etwas dieser Liebe gleichkommen? (Johannes Chrysostomus)

Durch das Kreuz Jesu Christi eröffnet sich eine neue Dimension. Nicht mehr die Dinge dieser Welt sind entscheidend. Wir leben nun nach anderen Maßstäben.

Unter Welt versteht er hier nicht den Himmel oder die Erde, sondern die irdischen Dinge, das sind Menschenlob, äußere Macht, Ruhm, Reichtum und alles dergleichen, das glänzend zu sein scheint. Dieses nämlich ist für mich tot. So muss der Christ beschaffen sein, dieses Wort muss immerdar in seinen Ohren ertönen. (Johannes Chrysostomus)

Der Christ lebt in der Welt, ist aber nicht mehr von dieser Welt. Seine Heimat ist im Himmel. Die irdischen Dinge besitzen für ihn keinen Wert mehr in sich, sondern nur, insofern sie dem Himmlischen dienen. Er hat sich freigemacht von den Verlockungen dieser Welt und lässt sich allein Locken von den Seligkeiten des Himmels. Das ist das Zeichen der neuen Schöpfung.

Denn es kommt nicht darauf an, ob einer beschnitten oder unbeschnitten ist, sondern darauf, dass er neue Schöpfung ist. Friede und Erbarmen komme über alle, die sich von diesem Grundsatz leiten lassen, und über das Israel Gottes. (Gal 6,15-16)

Dieser Satz ist eine knappe Zusammenfassung dessen, was Paulus im Brief ausführlich dargelegt hat. Mit Jesus Christus ist etwas Neues entstanden. Gott hat seinen Bund mit den Menschen erneuert. Der Bund, den Gott mit Abraham geschlossen hat, bezog sich nicht nur auf Israel, sondern auf alle Menschen. Nun ist die Zeit da, in der sich diese Ausweitung des Bundes vom Volk Israel auf die ganze Welt vollzieht. Die Beschneidung aber hat in diesem neuen Volk Gottes, das sich auf den Glauben an Jesus Christus gründet, keine Bedeutung mehr.

In Zukunft soll mir niemand mehr solche Schwierigkeiten bereiten. Denn ich trage die Zeichen Jesu an meinem Leib. (Gal 6,17)

Noch einmal betont Paulus, welche Stellung er hat. Wie er am Anfang des Briefes seine apostelgleiche Berufung durch Jesus Christus deutlich gemacht hat, so macht er nun deutlich, dass er die Zeichen Jesu an seinem Leib trägt. Was meint er damit? Vielleicht will Paulus mit diesen Worten den Leser am Ende des Briefes noch einmal zum Nachdenken bringen. Das Zeichen Jesu an seinem Leib ist sicher nicht das Zeichen der Beschneidung, das Paulus als Jude trägt. Das Zeichen Jesu ist ein neues Zeichen. Warum aber spricht er hier von einem Zeichen am Leib, wenn er doch vorher so sehr die Geistigkeit des Glaubens betont hat?
Zeichen am Leib, Stigmata, wie es im griechischen Text heißt, kennen wir von manchen Heiligen, so zum Beispiel von Franziskus von Assisi oder Pater Pio. Die Wundmale der Kreuzigung Christi kommen bei diesen Heiligen zum Vorschein. Was nach außen hin als eine besondere Auszeichnung der Heiligkeit erscheint, ist für den Träger der Stigmata ein großes Leiden. Es ist nichts, das man sich wünschen sollte. Wer kann es ertragen, die Zeichen des Leidens Jesu am eigenen Leib zu tragen!
War Paulus auch stigmatisiert, oder meint er hier etwas anderes? Eine weitere Deutung dieser Stelle macht darauf aufmerksam, dass in der Antike religiös motivierte Tätowierungen üblich waren. So waren zum Beispiel die Priesterinnen und Priester gewisser Kulte tätowiert. Die Tätowierung bringt die Zugehörigkeit zu einer Person oder Gottheit zum Ausdruck. Sklaven trugen das Brandmal ihres Herrn, Soldaten oft das SPQR des römischen Reiches. Der selige Heinrich Seuse, in einer späteren Zeit, hat sich mit einer spitzen Feder das Christusmonogramm JHS über seinem Herzen eingeritzt. Es wäre also durchaus möglich, dass Christen sich damals ein solches Erkennungsmal in die Haut brennen ließen.
Am wahrscheinlichsten aber erscheint mir die Deutung, dass Paulus hier die Wunden meint, die er um Christi willen zugefügt bekam. Diese schildert er ausführlich in 2Kor 11,23-33. Wegen seiner Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi wurde er mehrmals ausgepeitscht, geschlagen und gesteinigt, er ist gezeichnet von den Strapazen seiner Reisen, den langen Fußmärschen oft durch karge Landschaften, er ist gezeichnet von den im Gebet durchwachten Nächten und häufigem Fasten. Darin zeigt sich sein Einsatz für Jesus Christus auch körperlich. Das sind die wahren Zeichen des Glaubens am Leib. Dem gegenüber ist die Bescheidung eine lächerliche Kleinigkeit. Die Zeichen, die Paulus am Leib trägt, sind mühsamer erworben und, was das entscheidende ist, nicht bloß äußerer Schein, sondern Ausdruck tiefer Ausdauer und wahrer Frömmigkeit.

Die Gnade Jesu Christi, unseres Herrn, sei mit eurem Geist, meine Brüder. Amen. (Gal 6,18)

Es ist ein versöhnlicher Gruß, mit dem Paulus den Brief an die Galater abschließt. Lange hat er um die Gunst der Adressaten gerungen und ihnen gegenüber seine Überzeugung verteidigt. Nun geht er davon aus, dass die Galater seine Argumente annehmen und auf seiner Seite stehen. Die hoch emotional aufgeladene Stimmung soll nicht mehr das einträchtige Verhältnis zwischen Paulus und seinen Gemeinden trüben. Nicht allein durch Argumente, auch durch sein Gebet und seine Bitte um den Segen Gottes, will er die Galater vor den Irrlehrern schützen.

Mit diesem Schlusswort besiegelt er alles Frühere. Er sagt nicht wie sonst einfach: „mit euch“, sondern: „mit eurem Geist“, da er sie vom Fleischlichen abkehren, ihnen überall die Güte Gottes zeigen und die Gnade in Erinnerung rufen will, deren sie teilhaftig geworden sind. Denn dass sie den Geist empfingen, war nicht ein Werk der Bettelhaftigkeit des Gesetzes, sondern der Gerechtigkeit, die aus dem Glauben stammt; und dass sie den Geist behielten, war wiederum nicht eine Frucht der Beschneidung, sondern der Gnade. Darum schließt er seine Ermahnung mit einem Segenswunsch, in dem er an Gnade und Geist erinnert, sie zugleich auch Brüder nennt und Gott bittet, dass sie stets im Genuss dieser Güter bleiben mögen. (Johannes Chrysostomus)