Deuteronomium 4,1-26,19

Verkündigung d. Gesetzes

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Dtn
Und nun, Israel, hör auf die Gesetze und Rechtsentscheide, die ich euch zu halten lehre! Hört und ihr werdet leben, ihr werdet in das Land, das der Herr, der Gott eurer Väter, euch gibt, hineinziehen und es in Besitz nehmen. Ihr sollt dem Wortlaut dessen, worauf ich euch verpflichte, nichts hinzufügen und nichts davon wegnehmen; ihr sollt die Gebote des Herrn, eures Gottes, bewahren, auf die ich euch verpflichte. (Dtn 4,1-2)

Nach dem Rückblick auf den Zug des Volkes Israel in das Gelobte Land folgt die Verkündigung des Gesetzes, der Weisung Gottes, die ein Leben des Volkes in Gemeinschaft mit Gott und untereinander in dem Land, in das sie nun einziehen werden, um es in Besitz zu nehmen, erst möglich machen. Wenn das Volk sich nicht an diese Gebote hält, wird es das Land verlieren, es wird Unfrieden im Volk geben und der Bund mit Gott wird gebrochen. Wenn aber das Volk der Weisung Gottes treu bleibt, wird es in Frieden und Wohlstand leben.
Die Gebote sind nicht schwer zu befolgen, sie sind nicht etwas Unnatürliches, das dem Menschen fremd wäre oder über seine Kraft hinausginge. Sie sind dem Menschen angemessen, sind etwas Selbstverständliches, die Grundlage dafür, dass ein friedliches Zusammenleben als Gemeinschaft möglich ist.
Bevor in Dtn 5 die Zehn Gebote als Herzstück des Gesetzes angeführt werden, heißt es erneut:

Mose rief ganz Israel zusammen. Er sagte zu ihnen: Höre, Israel, die Gesetze und Rechtsentscheide, die ich euch heute vortrage! Ihr sollt sie lernen, sie bewahren und sie halten. (Dtn 5,1)

Unübertroffen ist diese Aufforderung aber im "Schma Israel", das zu einer zentralen Weisung für jeden Juden geworden ist, die bis heute in wörtlicher Befolgung dieses Gebotes in Form der Tefillin an Handgelenk und Stirn gebunden und an den Türpfosten angebracht wird:

Höre, Israel! Der Herr, unser Gott, der Herr ist einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.
Und diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen. Du sollst sie deinen Kindern wiederholen. Du sollst sie sprechen, wenn du zu Hause sitzt und wenn du auf der Straße gehst, wenn du dich schlafen legst und wenn du aufstehst. Du sollst sie als Zeichen um das Handgelenk binden. Sie sollen zum Schmuck auf deiner Stirn werden. Du sollst sie auf die Türpfosten deines Hauses und in deine Stadttore schreiben. (Dtn 6,4-9)

Zentraler Aspekt ist hier die Einzigkeit Gottes. Inmitten einer Welt voller Götter soll sich Israel immer wieder daran erinnern, dass es nur einen Gott gibt und dass dieser Gott der Gott Israels ist, der sein Volk erwählt und mit ihm einen Bund geschlossen hat. Auch Jesus nennt dieses Gebot das erste im Gesetz.

Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. (Mt 22,37-38)

Es gibt nur einen Gott. Revolutionär und unvorstellbar war dieses Wort in der Zeit, als es zum ersten Mal gesprochen wurde. Damals war das Aufrüttelnde dieses Wortes die Botschaft, dass es nur einen Gott gibt und nicht wie in den Völkern ringsum unzählige Götter. Heute müssen wir den Satz anders betonen:

Höre! Es gibt einen Gott!

Gott, dessen Existenz heute von vielen geleugnet wird, ist da in dieser Welt und seine Existenz ist erfahrbar für jeden, der aufmerksam durch diese Welt geht. Höre! Lausche! Achte auf das, was andere von diesem Gott erzählen. Horch in dein Herz, ob du nicht selbst seine Stimme hörst. Gott ist dir überall nahe. Sei offen für seine Gegenwart!
Entdecke diesen Gott und lasse dich ein auf eine Liebesbeziehung mit ihm. Der Bund mit Gott und die Befolgung seiner Gebote errichten kein Verhältnis der Knechtschaft, sondern ermöglichen die gegenseitige Liebe zwischen Gott und Mensch. Wenn der Mensch sich an seinen Gott hält, so wird ihm Leben und Segen zuteil.

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Dtn
Liebe den Herrn, deinen Gott, mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.

Gott will keine Randexistenz im Leben des Menschen führen. Gott will die Mitte unseres Lebens sein, um die sich unser ganzes Leben dreht. Doch wie kann ich in dieser Welt die Radikalität der Liebe zu Gott leben? Es kommt darauf an, in allem, was ich tue, auf Gott zu hören, seine Weisung zu kennen und ihn zu fragen, wie ich sie konkret in meinem Leben umsetzen soll.
Bewusst leben, entschieden leben. Das sind Ziele, die sich Menschen setzen. Mit Gott kann mein Leben eine solche Entschiedenheit bekommen. Nicht nur im Beruf, sondern ganzheitlich.
Ich muss nicht aus dieser Welt auswandern, um Gottes Willen zu tun. Viel anspruchsvoller ist es, den Alltag mit Gott zu leben. Nicht das Außergewöhnliche, sondern das Alltägliche ist der Ort der Bewährung eines jeden Menschen. Leicht ist es davon zu träumen, was man einmal alles an Großem vollbringen möchte, viel schwerer hingegen ist es, bis in die kleinsten Dinge des Alltags hinein stets das Rechte zu tun.
Der Alltag, das ist die Begegnung mit meinem Selbst, der tägliche Kampf gegen meine Bequemlichkeit und die Begierden in mir.
Der Alltag, das ist die Begegnung mit meinen Mitmenschen, die an mir vorübergehen oder die an mich herantreten, ob gelegen oder ungelegen.
Hier geschieht auch die Begegnung mit Gott. Sie lässt sich nicht trennen davon, wie es in meinem Inneren aussieht und wie ich meinen Mitmenschen begegne.
Wir müssen unser Inneres zu einer Wohnung Gottes bereiten und weit unsere Türe nach außen öffnen, dass der Glanz, den Gottes Gegenwart uns schenkt, durch uns nach außen dringt.

Liebe den Herrn, deinen Gott, mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Geist! "Liebe!" sagte er, nicht: "Fürchte!" Denn Lieben ist mehr als Fürchten; Fürchten ist typisch für Sklaven, Lieben aber für Söhne. Furcht unterliegt dem Zwang, Liebe aber vollzieht sich in Freiheit. Wer in Furcht dem Herrn dient, der entgeht zwar der Strafe, erhält aber keinen Lohn für seine Gerechtigkeit, weil er unwillig das Gute aus Furcht tat. Gott will also nicht, dass er in sklavischer Weise von den Menschen gefürchtet wird wie ein Herr, sondern dass er geliebt wird wie ein Vater, der den Menschen den Geist der Gotteskindschaft geschenkt hat.
Gott lieben aus ganzem Herzen heißt, dass dein Herz an nichts mehr hängt als an der Liebe zu Gott. Gott lieben aus ganzer Seele heißt, die Seele ganz sicher in der Wahrheit zu haben und fest im Glauben zu sein. Die Liebe des Herzens ist nämlich das eine, die Liebe der Seele das andere. Die Liebe des Herzens ist gewissermaßen menschlicher Natur, dass wir Gott auch menschlich lieben; das können wir aber nur, wenn wir uns loslösen von der Liebe zu irdischen Dingen. Die Liebe des Herzens aber fühlt man im Herzen; die Liebe der Seele aber fühlt man nicht, sondern man erkennt sie, weil sie im Urteil der Seele besteht. Wer aber glaubt, dass bei Gott alles Gute ist und nicht Gutes außerhalb von ihm, der liebt Gott in seiner ganzen Seele.
Mit dem ganzen Geist Gott zu lieben bedeutet, dass alle Geisteskräfte für Gott frei sind; wessen Verstand nämlich Gott dient, wessen Weisheit sich um Gott dreht, wessen Denken sich mit göttlichen Dingen beschäftigt, wessen Gedächtnis sich an das erinnert, was gut ist, der liebt Gott mit seinem ganzen Geist. (Johannes Chrysostomus)
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Gott wird seinem Volk immer wieder Boten senden, die seine Weisung konkret werden lassen und das Volk mahnen, wo es nicht der Weisung Gottes treu geblieben ist. Doch es gibt auch falsche Propheten, die das Volk verführen, die den Herrschern nach dem Mund reden und so nicht mehr für Gottes Gerechtigkeit sorgen, sondern das Unrecht in seinem Namen legitimieren wollen. Den wahren Propheten erkennt man daran, dass seine Worte in Erfüllung gehen. Er ist dann der wahre Diener Gottes und steht in der Nachfolge des Mose.

Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott, aus deiner Mitte, unter deinen Brüdern, erstehen lassen. Auf ihn sollt ihr hören. (Dtn 18,15)

Ein wahrer Prophet befragt weder Orakel noch Totengeister noch deutet er irgendwelche anderen Medien (etwa die Wolken), sondern er hört ausschließlich auf das Wort Gottes. Er hält sich an die Worte, die Mose von Gott empfangen hat. Er kann sich nicht selbst ernennen, sondern wird von Gott berufen.
Menschen brauchen Vorbilder, an denen sie sich orientieren können, und es muss Menschen geben, die anderen die Richtung weisen. Doch oft leiten selbsternannte Führer die Menschen in die Irre. Menschen lassen sich leicht verführen. Um anderen die Richtung weisen zu können, braucht ein Führer selbst jemanden, an dem er sich orientieren kann, er muss von einem anderen berufen sein und nicht in seinem eigenen Namen kommen. Selbstlose Führer sind gefragt, die nicht ihren Vorteil suchen, sondern das Wohl der ihnen Anvertrauten.
Mose war Prophet und Führer, er hat Israel aus Ägypten durch die Wüste geführt. Das Buch Deuteronomium steht an der Schwelle zwischen der Wüstenwanderung und dem Einzug in das Gelobte Land. Mose weiß, dass er selbst nicht hineinziehen darf. Gott wird andere berufen, die das Volk weiter führen werden. Mose kennt die Gefahren, die dem Volk drohen. Er erinnert sie noch einmal an die Gebote Gottes und warnt vor den Kulten der anderen Völker. Nur wenn Israel seinem Gott treu bleibt, kann es als Volk unter den Völkern bestehen.