1Könige 19,1-14

Elija am Horeb

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Heilige Schrift
Ahab erzählte Isebel alles, was Elija getan, auch dass er alle Propheten mit dem Schwert getötet habe. Sie schickte einen Boten zu Elija und ließ ihm sagen: Die Götter sollen mir dies und das antun, wenn ich morgen um diese Zeit dein Leben nicht dem Leben eines jeden von ihnen gleich mache.
Elija geriet in Angst, machte sich auf und ging weg, um sein Leben zu retten. Er kam nach Beerscheba in Juda und ließ dort seinen Diener zurück. Er selbst ging eine Tagereise weit in die Wüste hinein. Dort setzte er sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte sich den Tod. Er sagte: Nun ist es genug, Herr. Nimm mein Leben; denn ich bin nicht besser als meine Väter. (1Kön 19,1-4)

An einem Ort völliger Einsamkeit setzte sich Elija unter einen Ginsterstrauch, ein armseliges Gestrüpp, das ihn nur notdürftig vor der prallen Sonne schützt. Er weiß nicht weiter. Wir kennen solche Momente der Erschöpfung und der Resignation. Ein falsches Wort, eine unüberlegte Handlung und plötzlich ist alles anders, eine Freundschaft zerstört, eine Beziehung kaputt, der Arbeitsplatz verloren, der Aufstieg verpasst. Und wir fragen uns: Warum? Warum musste es so kommen und nicht anders? Wie kann es jetzt noch weiter gehen? In solchen Situationen sind wir machtlos, können uns selbst nicht helfen. Auch Elija kann sich nicht selbst aus dieser Not befreien. Doch Gott lässt ihn nicht im Stich. Ein Engel kommt und weckt ihn, hat Brot und Wasser gebracht, Stärkung für den Erschöpften in der Wüste.

Dann legte er sich unter den Ginsterstrauch und schlief ein. Doch ein Engel rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Als er um sich blickte, sah er neben seinem Kopf Brot, das in glühender Asche gebacken war, und einen Krug mit Wasser. Er aß und trank und legte sich wieder hin. (1Kön 19,5-6)

Der Prophet Elija ist am Ende, er kann nicht mehr, er ist verzweifelt,
an sich, an den Menschen und an diesem Gott, dessen Prophet er ist.
Niedergeschlagen, verzweifelt, am Ende,
auch wir kennen solche Situationen.
Gott schickt Elija einen Engel, der ihm aufhilft und Stärkung gibt.
Auch uns will Gott nicht liegen lassen, auch uns schickt er einen Engel,
der uns sanft berührt und der leise zu uns spricht.
Lassen wir dann nicht die negativen Gedanken Macht über uns gewinnen,
sondern hören wir auf die leise Stimme des Engels,
der uns neuen Mut geben will.
Das Leben geht weiter, vielleicht anders, als wir es uns gedacht haben,
aber vielleicht auch viel schöner, als wir es uns je erträumt hätten.
Doch das können wir nur erfahren, wenn wir bereit sind, aufzustehen
und weiter zu gehen.

Doch es reicht noch nicht, dass der Engel ihn einmal ruft. Elija kann noch nicht weiter, legt sich wieder hin. Ein zweites Mal weckt ihn der Engel: "Steh auf und iss!" Vielleicht ist es wirklich so, dass es niemals einen Augenblick gibt, an dem uns Gott ganz allein lassen würde, egal wie viel wir gesündigt haben und an allem "selber schuld" sind. Wir müssen aber offen sein für das, was uns der Engel Gottes zur Stärkung bringt, es sehen und annehmen. Es kann dauern, bis wir wieder aufstehen können, doch irgendwann dürfen auch wir dann wieder die Erfahrung machen, die auch Elija gemacht hat:

Doch der Engel des Herrn kam zum zweiten Mal, rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Sonst ist der Weg zu weit für dich.
Da stand er auf, aß und trank und wanderte, durch diese Speise gestärkt, vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Gottesberg Horeb. (1Kön 19,7-8)

Und die Wüste fängt an zu blühen. Gott verzeiht seinem Propheten. Das heißt nicht, dass Gott seine Tat gutheißt. Gott schätzt den Mut seines Propheten, auch wenn dieser im Namen Gottes über das Ziel hinaus geschossen ist. Gott gibt die Gelegenheit zur Einsicht. Er schenkt seinem Propheten die wohl tiefste Schau seines Wesens, die je ein Mensch erfahren durfte. Und Elija erfährt Gott neu in seiner ganzen Größe.

Ich finde, dass diese Erfahrung, die Elija hier wie viele Gottesstreiter macht, sehr schön in dem Gedicht „Der Schauende“ von Rainer Maria Rilke beschrieben ist:

Ich sehe den Bäumen die Stürme an,
die aus laugewordenen Tagen
an meine ängstlichen Fenster schlagen.
...
Wie ist das klein, womit wir ringen,
was mit uns ringt, wie ist das groß;
ließen wir, ähnlicher den Dingen,
uns so vom großen Sturm bezwingen, -
wir würden weit und namenlos.

Was wir besiegen, ist das Kleine,
und der Erfolg selbst macht uns klein.
Das Ewige und Ungemeine
will nicht von uns gebogen sein.
Das ist der Engel, der den Ringern
des Alten Testaments erschien:
...
Wen dieser Engel überwand,
welcher so oft auf Kampf verzichtet,
der geht gerecht und aufgerichtet
und groß aus jener harten Hand,
die sich, wie formend, an ihn schmiegte.
Die Siege laden ihn nicht ein.
Sein Wachstum ist: der Tiefbesiegte
von immer Größerem zu sein.
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Heilige Schrift
Dort ging er in eine Höhle, um darin zu übernachten. Doch das Wort des Herrn erging an ihn: Was willst du hier, Elija? Er sagte: Mit leidenschaftlichem Eifer bin ich für den Herrn, den Gott der Heere, eingetreten, weil die Israeliten deinen Bund verlassen, deine Altäre zerstört und deine Propheten mit dem Schwert getötet haben. Ich allein bin übrig geblieben und nun trachten sie auch mir nach dem Leben.
Der Herr antwortete: Komm heraus und stell dich auf den Berg vor den Herrn! Da zog der Herr vorüber: Ein starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging dem Herrn voraus. Doch der Herr war nicht im Sturm. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben. Doch der Herr war nicht im Erdbeben. Nach dem Beben kam ein Feuer. Doch der Herr war nicht im Feuer.
Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln. Als Elija es hörte, hüllte er sein Gesicht in den Mantel, trat hinaus und stellte sich an den Eingang der Höhle.
Da vernahm er eine Stimme, die ihm zurief: Was willst du hier, Elija? Er antwortete: Mit Leidenschaft bin ich für den Herrn, den Gott der Heere, eingetreten, weil die Israeliten deinen Bund verlassen, deine Altäre zerstört und deine Propheten mit dem Schwert getötet haben. Ich allein bin übrig geblieben und nun trachten sie auch mir nach dem Leben. (1Kön 19,9-14)

Nach Tagen der Einsamkeit hat Gott den Elija zum Horeb gerufen. Dort will er sich ihm zeigen. Gott zieht an Elija vorüber, während dieser in einem Felsspalt steht und sein Gesicht verbirgt, um nicht das Angesicht Gottes zu sehen. Die Erfahrung, die Elija nun von Gott macht, bringt uns auch heute noch zum Nachdenken.
Wir sehen Elija in der Einsamkeit des Horeb vor einer Höhle stehen. Gott zieht an Elija vorüber. Da kommt plötzlich ein heftiger Sturm auf, der den Berg umtost, die Erde bebt und flammendes Feuer verbreitet seinen beängstigenden Schein. So liebte es Elija, er selbst hatte Feuer heraufbefohlen gegen die Baalspriester und meinte, dass Gott seine Freude hätte an dem Gemetzel. Doch nun muss er erkennen: In all diesen gewaltigen Zeichen ist Gott nicht.
Plötzlich tritt Stille ein. Elija lässt sich von dieser Stille ergreifen. Mitten in dieser Stille hört er die Stimme des Schweigens. Nun weiß Elija: Gott ist da. Er verhüllt sein Gesicht, weil ein Mensch, der Gottes Angesicht sähe, sterben würde. So tritt er hinaus, um mit Gott zu reden.

Eine Stimme verschwebenden Schweigens.

So übersetzt Martin Buber nach dem Urtext das, wofür die Einheitsübersetzung den Begriff des leisen Säuselns verwendet. Eine Stimme des Schweigens, das geht doch nicht, werden wir sagen. Schweigen bedeutet doch gerade das Fehlen jeder stimmlichen Äußerung. Doch Gotteserfahrungen lassen sich nicht adäquat vermitteln. Jeder muss selbst diese Erfahrung machen. Wer hören will, was Gott redet, der muss lernen zu schweigen. Menschen, die Gott suchen, gehen immer wieder ins Schweigen, weil sie da die Gottes Stimme am deutlichsten hören können.
Das ist auch die Erfahrung, die Elija gemacht hat. Nicht sein brutaler Eifer lässt ihn Gott erkennen, sondern erst, als er in der Einsamkeit des Horeb ins Schweigen tritt, kann Gott zu ihm sprechen. Wer Gott begegnen möchte, muss auch bereit sein anzuerkennen, dass Gott immer anderes ist, als wir ihn uns vorstellen. Elija hat seine Lektion gelernt. Und Gott gibt seinem Propheten neue Aufträge.