Offenbarung 21,1-27

Die Neue Welt

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Jerusalem
1Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht mehr.

In den beiden letzten Kapiteln der Offenbarung wird dem Seher Johannes die Schau der neuen Welt Gottes zuteil. Bisher waren seine Visionen geprägt vom Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Gott und seinen Getreuen und dem Tier und seinen Verbündeten. Die Gläubigen hatten vieles zu leiden. Doch immer wieder ist die Herrlichkeit Gottes zum Durchbruch gekommen, bis schließlich Gericht gehalten wurde über die gottfeindlichen Mächte.
Nun kommt etwas ganz Neues. Die alte Erde mit ihren Schauplätzen von Krieg, Gewalt und Katastrophen ist endgültig Vergangenheit. Es braucht sich keiner mehr an diese Zeit zu erinnern. Es wird kein Trauma bleiben. Alle Wunden werden geheilt, alle Tränen abgewischt. Auch das Meer als bedrohende Macht, aus dem das gotteslästerliche Tier hervorgegangen ist, als Wohnung von Seeungeheuern, wie es uns das Alte Testament vorstellt, ist nicht mehr.

2Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen; sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat. 3Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen: Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein.

Die Stadt Gottes ist geschmückt wie eine Braut, die ihren Bräutigam empfängt. Kein Bild kann die neue innige Beziehung zwischen Gott und den Menschen besser zum Ausdruck bringen, als das Bild der Ehe. Im Alten Testament zeigten die Propheten Gott als Bräutigam, der um seine Braut wirbt, die ihm untreu wurde und anderen Göttern nachlief, die er aber mit unendlicher Liebe liebt. Nun erfüllt sich diese Liebe. Nun wird Gottes Liebe offenbar und kein Mensch wird sich je nach einer anderen Liebe sehnen, weil Gottes Liebe höchste und unendliche Erfüllung schenkt.
Gott wird mitten unter den Menschen wohnen. Schon im Judentum war die Einwohnung Gottes in seiner Schöpfung, die Schekhina, von großer Bedeutung. Zunächst hat Mose beim Auszug aus Ägypten auf Anordnung Gottes das Bundeszelt errichtet, als Ort der Begegnung mit Gott. Als die Israeliten im Heiligen Land sesshaft wurden, entstanden mehrere Heiligtümer. Zentrale Bedeutung hat der Tempel in Jerusalem erlangt. Das Allerheiligste im Tempel war aus Sicht der Juden der Ort der Einwohnung Gottes in dieser Welt.
Mit Christus ist Gott selbst in diese Welt gekommen. Christus ist der Beginn von etwas ganz Neuem. Nun ist das Reich Gottes gekommen, die Endzeit ist angebrochen und wir warten auf die Wiederkunft Christi. Christus hat nach seinem Tod und seiner Auferstehung die Welt nicht einfach wieder verlassen, sondern hat den Heiligen Geist gesandt und der Kirche die Sakramente geschenkt als Zeichen seiner Gegenwart. So bleibt Gott uns nahe in dieser Welt. Ganz besonders wird dies in der Eucharistie deutlich.
In der Offenbarung heißt es: Seht das Zelt Gottes unter den Menschen. Hier steht im lateinischen Text das Wort tabernaculum. Wenn es auch viele Orte der Gegenwart Gottes in dieser Welt gibt, so ist doch seine Gegenwart in den Tabernakeln unserer Kirchen ein ganz besonderes Zeichen dieses Wohnen Gottes mit den Menschen in seiner Schöpfung. Es zeigt uns, dass die Verheißung der Offenbarung sich nicht nur auf die Zukunft bezieht, sondern jetzt schon Wirklichkeit ist.
Liebe und Eucharistie gehören untrennbar zusammen, wie uns Jesus beim letzten Abendmahl deutlich gemacht hat. So wird das Wohnen Gottes in seiner Schöpfung da in ganz besonderer Weise Wirklichkeit, wo Menschen in Liebe vereint sind. Das ist geschieht, wenn die christliche Gemeinde zum Gottesdienst zusammenkommt, aber auch überall dort, wo sich Menschen im Alltag in Liebe begegnen. Durch unser christliches Dasein und Tun können wir überall Zeichen der Gegenwart Gottes setzen.

4Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen. 5aEr, der auf dem Thron saß, sprach: Seht, ich mache alles neu.

Gottes Liebe ist stärker als der Tod, alles wird heil im Blick der Liebe Gottes. Gebrochene Herzen werden gesund. Es wird keine Qual und Mühsal mehr geben, keinen Krieg und kein Elend. Die Sehnsucht aller Herzen wird gestillt. Keiner wird mehr seinen eigenen Vorteil suchen und andere unterdrücken. Die Schau Gottes wird alle einen, denn Gott hat gesprochen: Alles wird neu. Nun zeigt die Schöpfung in ihrer Vollendung, wozu Gott sie geschaffen hat.
Ist das alles nur ein frommes Wunschdenken? Warum hat Gott nicht gleich diese neue Welt erschaffen? Warum brauchte es die alte Welt mit all ihrer Mühsal? Und: Wenn Gott die erste Welt sehr gut geschaffen hat, in ihr dann aber doch all das Böse entstanden ist, was gibt uns die Gewissheit, dass dies nicht auch in der neuen Welt geschieht? Wird es nicht wieder Aufruhr gegen Gott geben und Gott den Menschen aus dem Paradies vertreiben, wie es einst geschehen ist? Wird dem Menschen Gottes Anblick genug sein und ewig genügen?
Die Offenbarung hat uns dafür eine Begründung gegeben: den Satan, der vom Himmel auf die Erde gestürzt wurde und die Menschen verführt hat, bis er schließlich am Ende der Zeiten für ewig gerichtet wurde. Es wird keine solche gottfeindliche Macht mehr unter den Engeln entstehen, weil sie auf ewig gefestigt sind in der Liebe zu Gott. Da keiner sie verführt, werden auch die Menschen ihrer tiefsten inneren Anlage gemäß Gott ewig lieben.
Wie schön wäre es, wenn schon hier auf Erden die Menschen so auf Gott blicken würden, dass ihre Herzen geheilt werden von allem Hass und aller Gier, aber auch vom Schmerz, der dazu treibt, anderen Schmerzen zuzufügen. Der Blick auf Gott, der kein weltfremd verklärter Blick ist, sondern ein tiefer und erfüllter Blick, der die Mitte des Herzens trifft.
Zeigen wir den Menschen diesen Gott, der Liebe ist und nichts als Liebe, der die Menschen in Liebe eint und sie mit seinen Gaben beschenkt, der keinen hungrig und durstig gehen lässt, der zu ihm bittend seinen Blick richtet. Jesus hat uns diesen Gott gezeigt. In ihm ist Gottes Liebe offenbar geworden. Jesus ruft uns, ihm ähnlich zu werden. Folgen wir seinem Ruf und Beispiel.

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Jerusalem
5bUnd er sagte: Schreib es auf, denn diese Worte sind zuverlässig und wahr. 6Er sagte zu mir: Sie sind in Erfüllung gegangen. Ich bin das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende. Wer durstig ist, den werde ich umsonst aus der Quelle trinken lassen, aus der das Wasser des Lebens strömt.
7Wer siegt, wird dies als Anteil erhalten: Ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein.
8Aber die Feiglinge und Treulosen, die Befleckten, die Mörder und Unzüchtigen, die Zauberer, Götzendiener und alle Lügner - ihr Los wird der See von brennendem Schwefel sein. Dies ist der zweite Tod.

Wer das Buch der Offenbarung bis hierher gelesen hat und seinen Worten glaubt, sieht Gott als Sieger, als Herrscher über die ganze Schöpfung, Anfang und Ende, Ursprung und Ziel aller Geschöpfe. Er sieht die Geschichte in einem neuen Licht, nicht in ihrer gegenwärtigen Verwirrung, sondern von ihrer Erfüllung her. Er lässt sich von Gott beschenken mit dem Wasser des Lebens, der Taufe, die ihn schon jetzt zu Gottes Kind macht.

9Und es kam einer von den sieben Engeln, die die sieben Schalen mit den sieben letzten Plagen getragen hatten. Er sagte zu mir: Komm, ich will dir die Braut zeigen, die Frau des Lammes. 10Da entrückte er mich in der Verzückung auf einen großen, hohen Berg und zeigte mir die heilige Stadt Jerusalem, wie sie von Gott her aus dem Himmel herabkam, 11erfüllt von der Herrlichkeit Gottes. Sie glänzte wie ein kostbarer Edelstein, wie ein kristallklarer Jaspis.

Noch einmal hebt die Schau des Neuen Jerusalem an. Ein Engel führt den Seher auf einen Berg, um ihm die Stadt in all ihrer Pracht zu zeigen. Die Vision des neuen Jerusalem wird Johannes zum Abschluss seiner Offenbarungen zuteil. Nach allen Kämpfen, die die Gläubigen zu bestehen haben und nach dem Sturz der bösen Mächte wird Platz für Gottes neue Welt. Es ist eine Stadt, in der ewiger Friede herrscht und die ganz durchdrungen ist von Gottes Gegenwart.
Es ist eine wunderbare Vision, wenn Johannes Gottes neue Stadt vom Himmel her kommen sieht. Sie ist nach dem vollendeten Maß des Quadrates angelegt. Ihre Baustoffe sind von bester Qualität, erlesene Edelsteine ersetzen die gewöhnlichen Ziegel. Die Straßen sind aus reinem Gold. Wie mag die Stadt im Licht der Liebe Gottes glänzen! Zwölf Tore in alle Himmelsrichtungen bleiben immer geöffnet. Auf ihnen stehen die Namen der zwölf Apostel. Jeder, der bereit ist, den Frieden Gottes anzunehmen, darf in die Stadt eintreten.
Die Vision des Johannes kann uns anspornen, uns schon jetzt in das Leben dieser Stadt einzuüben. Jeder kann an seinem Platz versuchen, den Frieden Gottes Wirklichkeit werden zu lassen. Auch wenn dieser Friede hier unzähligen Bedrohungen ausgesetzt ist, soll uns das doch nicht daran hindern, ihn zu leben. Halten wir uns das Bild vom neuen Jerusalem stets vor Augen und versuchen wir jeden Tag, diese Stadt immer mehr zur Realität werden zu lassen.

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Jerusalem
12Die Stadt hat eine große und hohe Mauer mit zwölf Toren und zwölf Engeln darauf. Auf die Tore sind Namen geschrieben: die Namen der zwölf Stämme der Söhne Israels. 13Im Osten hat die Stadt drei Tore und im Norden drei Tore und im Süden drei Tore und im Westen drei Tore. 14Die Mauer der Stadt hat zwölf Grundsteine; auf ihnen stehen die zwölf Namen der zwölf Apostel des Lammes.
15Und der Engel, der zu mir sprach, hatte einen goldenen Messstab, mit dem die Stadt, ihre Tore und ihre Mauer gemessen wurden. 16Die Stadt war viereckig angelegt und ebenso lang wie breit. Er maß die Stadt mit dem Messstab; ihre Länge, Breite und Höhe sind gleich: zwölftausend Stadien. 17Und er maß ihre Mauer; sie ist hundertvierundvierzig Ellen hoch nach Menschenmaß, das der Engel benutzt hatte.
18Ihre Mauer ist aus Jaspis gebaut und die Stadt ist aus reinem Gold, wie aus reinem Glas. 19Die Grundsteine der Stadtmauer sind mit edlen Steinen aller Art geschmückt; der erste Grundstein ist ein Jaspis, der zweite ein Saphir, der dritte ein Chalzedon, der vierte ein Smaragd, 20der fünfte ein Sardonyx, der sechste ein Sardion, der siebte ein Chrysolith, der achte ein Beryll, der neunte ein Topas, der zehnte ein Chrysopras, der elfte ein Hyazinth, der zwölfte ein Amethyst. 21Die zwölf Tore sind zwölf Perlen; jedes der Tore besteht aus einer einzigen Perle. Die Straße der Stadt ist aus reinem Gold, wie aus klarem Glas.

Stand am Beginn von allem der Garten Eden, endet jetzt die Heilsgeschichte in der Vision von der Gottesstadt. Das neue Jerusalem ist die reine Braut und alles an ihr zeugt von der Gegenwart Gottes. Da Gottes Herrlichkeit sie durchflutet, leuchtet sie wie ein Jaspis. Aus Jaspis sind auch ihre Mauern. Sie selbst besteht aus Gold, das wie die Märtyrer im Feuer geprüft und gereinigt wurde, Gold, nun rein wie Glas. Sie ist planmäßig angelegt als großes Quadrat, alle Maße basieren auf der Zahl 12. Länge, Breite und Höhe messen 12.000 Stadien und lassen als Idealraum einen gewaltigen Kubus entstehen.
Die Stadt besitzt 12 Tore, durch die die 12 Stämme Israels einziehen können. Die Tore sind als Perlen gebaut, die nach antiker Überlieferung aus dem Tau des Himmels entstehen. Mit ihrem geheimnisvollen Leuchten werden die Perlentore zum Spiegel der Erlösten, die von oben neu geboren und erleuchtet sind. Die Tore der Stadt sind stets geöffnet. Stadttore waren nötig, um die Bewohner vor Feinden zu beschützen. Nun gibt es keine Feinde mehr. Auch keinen Besitz, der vor Raub und Plünderung geschützt werden müsste, denn nun haben alle Anteil an der Überfülle Gottes. Neid entsteht dadurch, dass einer mehr hat als der andere. Wo aber alle vollkommen alles haben, da gibt es keinen Neid mehr.
Die zwölf Grundsteine der Mauern bestehen aus Edelsteinen. Wie die Perlen sind sie Zeichen der vollendeten Schöpfung, der Materie, für die Gottes Licht transparent wurde. Die Namen der zwölf Apostel stehen auf den Grundsteinen. Wie die Kirche, so ist auch die neue Stadt Gottes auf ihre Namen gegründet. Sie sind die ersten Zeugen des Lammes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt. Weil Gott alles in allem ist, braucht die Stadt keinen Tempel mehr. Gottes Herrlichkeit zeigt sich im Lamm, das die Stadt hell erleuchtet. Die Gestirne haben ausgedient. Christus ist jetzt wirklich das Licht der Welt. Die Engel über den zwölf Toren versinnbildlichen die Geborgenheit, die Gottes Wohnung den Menschen schenkt. Jerusalem - Sehnsucht und Ziel aller Menschen.

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Jerusalem
22Einen Tempel sah ich nicht in der Stadt. Denn der Herr, ihr Gott, der Herrscher über die ganze Schöpfung, ist ihr Tempel, er und das Lamm. 23Die Stadt braucht weder Sonne noch Mond, die ihr leuchten. Denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie und ihre Leuchte ist das Lamm. 24Die Völker werden in diesem Licht einhergehen und die Könige der Erde werden ihre Pracht in die Stadt bringen. 25Ihre Tore werden den ganzen Tag nicht geschlossen - Nacht wird es dort nicht mehr geben. 26Und man wird die Pracht und die Kostbarkeiten der Völker in die Stadt bringen. 27Aber nichts Unreines wird hineinkommen, keiner, der Gräuel verübt und lügt. Nur die, die im Lebensbuch des Lammes eingetragen sind, werden eingelassen.

Sonne und Mond, das sind die Leuchten, die Gott dem Schöpfungsbericht nach geschaffen hat als Lichter für Tag und Nacht und als Maß für die Zeiten. Der Rhythmus ihres Auf- und Niedergangs bestimmt das Leben auf Erden. In Gottes neuer Stadt wird es keine Zeit mehr geben, kein Werden und kein Vergehen, sondern nur noch ewiges Sein.
Gott wird die Stadt mit dem Licht seiner Nähe erleuchten, das strahlender ist als die Sonne. Ohne das Licht der Sonne gibt es kein Leben auf Erden. Doch wichtiger als die Sonne ist Gottes Gegenwart. Sie ist es, die alles am Leben erhält. Diese lebenserhaltende Kraft werden die Menschen dann in ihrer Vollkommenheit spüren. Ist es nicht herrlich, ein solches Sonnenbad im Licht der Liebe Gottes zu genießen?
Jesus sagt: "Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen."
Das Wohnen Gottes unter uns Menschen bleibt also nicht allein einem zukünftigen Leben nach dem Tod vorbehalten. Gottes Wohnen unter den Menschen ist schon heute Wirklichkeit. Gott nimmt in uns Wohnung, wenn wir in seiner Liebe leben. Wir sind dabei nicht allein auf uns gestellt. Wir werden geleitet von Gottes Heiligem Geist. Wir werden dann auch nicht mehr von Unruhe hin und her getrieben, sondern in unseren Herzen herrscht der Friede Christi.
Was das bedeutet, können wir uns vorstellen, wenn wir Menschen begegnen, die diesen Frieden ausstrahlen. In ihnen entdecken wir Ruhe und Besonnenheit und erspüren die machtvolle Kraft, die über ihrem Leben liegt. Vor allem aber sind solche Menschen ein Zeichen der Liebe, die nur Gott in dieser Welt schenken kann. Es ist für uns wichtig, immer wieder zu betrachten, wie nahe Gott uns ist, auch wenn uns seine Gegenwart jetzt noch verborgen ist und wir ihn noch nicht sehen können, wie er ist.
Manch einem mag dieses Wohnen in Gottes Welt vielleicht langweilig erscheinen. Doch Gottes neue Stadt ist kein Schlaraffenland, in dem alle müde herumliegen und sich die Bäuche füllen. Gottes Gegenwart bleibt auf ewig für die Menschen interessant genug, so dass seine Anschauung eine ständige Herausforderung ist. Dann werden wir erkennen, wie viel Kraft und Energie wir hier auf Erden für manch wertloses Tun vergeudet haben. Es bleibt die interessanteste Aufgabe für einen Menschen in dieser und in der jenseitigen Welt, sich einzuüben im Verweilen in Gottes Gegenwart.
Die Mönche des Mittelalters haben sich oft in die Betrachtung der Freuden und der Herrlichkeit des himmlischen Jerusalems versenkt um dadurch Kraft zu finden für ihren entbehrungsreichen Alltag. Hier Auszüge aus dem Text eines unbekannten Mönches aus dem 12. Jahrhundert:

In den Höhen ist die Stadt Jerusalem errichtet. Gott hat sie erbaut. Einer ist das Fundament dieser Stadt: Gott. Einer ist ihr Begründer: er selbst, der Allerhöchste hat sie gegründet. Eines ist das Leben all ihrer Bewohner, eines ist das Licht derer, die da schauen, einer ist der Friede derer, die zur Ruhe gelangt sind, eines ist das Brot, von dem alle sich nähren, eine ist die Quelle, aus der sie alle trinken, in einem Glück ohne Ende. Und all dies ist Gott selbst, der alles in allem ist: Ehre, Herrlichkeit, Macht, Fülle, Friede und jegliches Gut. Ein einziger erfüllt alle.
O was können wir Gott geben für alles, was er uns schenkt? Wann werden wir von diesem sterblichen Leibe befreit sein? Wann werden wir, in seinem Licht das Licht schauend, von der Überfülle des Hauses Gottes trunken sein? Wann wird Christus, unser Leben, erscheinen, wann werden wir mit ihm in der Herrlichkeit sein? Wann werden wir Gott den Herrn im Lande der Lebenden schauen, den gütigen Belohner, den Mann des Friedens und der Ruhe, den Tröster der Bedrängten, den Erstgeborenen von den Toten, die Freude der Auferstehung, ihn der zur Rechten Gottes sitzt, den der Vater bestätigt hat? Er ist Gottes Sohn, unter Tausenden erwählt. Hören wir auf ihn, eilen wir zu ihm, dürsten wir nach ihm! Mögen aus unseren Augen Tränen des Verlangens strömen, bis wir aus diesem Tal der Tränen geführt und in den Schoß Abrahams versetzt werden.
Wer gibt uns Flügel wie die der Taube, dass wir durch die Reiche dieser Welt fliegen und in das Innere des Himmels gelangen? Wer geleitet uns in die Stadt des großen Königs, damit wir das, was wir jetzt in Büchern lesen oder im Gleichnis und wie in einem Spiegel schauen, dann im Angesicht des gegenwärtigen Gottes schauen und jubeln?
Stadt Gottes! Wie herrliche Dinge hat man schon von dir erzählt! Du bist die Heimat derer, die sich freuen, in dir sind das Licht und das Leben für alle. Dein Grundstein ist ein einziger Stein, ein lebendiger Eckstein, einzigartig kostbar. Deine Tore glänzen von edlen Diamanten. Sie sind weit geöffnet. Deine Mauern sind aus kostbarem Gestein, deine Türme aus Perlen. Deine Plätze, Jerusalem, sind mit Edelsteinen und mit reinem Gold gepflastert, durchscheinendem Kristall gleich. In dir wird die Herrlichkeit geschaut, in dir das Lied der Freude gesungen, alle vernehmen den süßen Gesang des Himmels, seine Symphonie und seinen Chor und alle sprechen ein einziges Wort: Alleluja!
Lassen wir alle vergänglichen Dinge hinter uns! Unsere Augen mögen unaufhörlich zu den Freuden überströmen, die uns verheißen sind. Lasst uns über das glücklich sein, was sich bereits an den Gläubigen erfüllt hat, die gestern für Christus gekämpft haben und heute mit Christus herrschen. Lasst uns über das glücklich sein, was uns wahrhaftig gesagt wurde: Wir werden in das Land der Lebenden einziehen.