Offenbarung 1,4-20

Beauftragung

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Allerheiligen
Johannes an die sieben Gemeinden in der Provinz Asien: Gnade sei mit euch und Friede von Ihm, der ist und der war und der kommt, und von den sieben Geistern vor seinem Thron und von Jesus Christus; er ist der treue Zeuge, der Erstgeborene der Toten, der Herrscher über die Könige der Erde. Ihm, der uns liebt und uns von unseren Sünden erlöst hat durch sein Blut, der uns zu einem Königreich gemacht hat und zu Priestern vor Gott, seinem Vater: Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen. (Offb 1,4-6)

Johannes wird als Zeuge für Jesus Christus und das Wort Gottes ausgewiesen. Er ist zuverlässig und es ist Verlass auf das, was er in diesem Buch niedergeschrieben hat. Die Zeit drängt. Schon im Vorwort wird deutlich, dass es keine Zeit zu verlieren gibt. Jetzt fällt die Entscheidung, wer zu den Auserwählten Gottes gehört und wer nicht.
Die Offenbarung ist in Briefform verfasst und beginnt mit einem Sendschreiben an sieben Gemeinden in Asien. Diese Gemeinden stehen symbolisch für die ganze Kirche, worauf die Siebenzahl hinweist. Gott schenkt Frieden. Er ist es, der war und der ist und der kommen wird. Alle Zeit ist sein. Gottes Ewigkeit umspannt unsere Zeit. Er ist immer gegenwärtig.
Christus wird dargestellt als der Retter, der die Menschen aus Liebe mit seinem Blut erlöst hat, er ist das Wort Gottes, er hat uns Gott wahrhaft verkündet und thront als der Auferstandene zur Rechten des Vaters als Herrscher über die ganze Erde. Wir sind berufen, an seinem Amt teilzuhaben als Könige und Priester für Gott. Seine Wiederkunft erwarten wir. Sie wird allen sichtbar sein. Gott selbst spricht. Er ist Alpha und Omega, Anfang und Ende, Herrscher über Zeit und Ewigkeit.

Siehe, er kommt mit den Wolken und jedes Auge wird ihn sehen, auch alle, die ihn durchbohrt haben; und alle Völker der Erde werden seinetwegen jammern und klagen. Ja, Amen. Ich bin das Alpha und das Omega, spricht Gott, der Herr, der ist und der war und der kommt, der Herrscher über die ganze Schöpfung. (Offb 1,7-8)

Der folgende Text schildert die Beauftragungsvision des Johannes, Beauftragung, nicht Berufung, denn Johannes ist ja bereits berufener Verkünder des Wortes Gottes, um dessentwillen er auf der Insel Patmos ist. Der Text zeigt starke Anklänge an das Alte Testament, besonders Ezechiel 1 und Daniel 10. Bewusst werden hier alttestamentliche Gottesprädikationen auf Christus übertragen. Christus wird somit geschildert als wahrer Gott und Erfüller, Vollender und Überbieter des Alten Bundes.

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Heilige Schrift
Ich, Johannes, euer Bruder und Gefährte in der Bedrängnis, in der Königsherrschaft und im standhaften Ausharren in Jesus, war auf der Insel, die Patmos heißt, um des Wortes Gottes willen und des Zeugnisses für Jesus. (Offb 1,9)

Texte aus der Offenbarung des Johannes begleiten uns im Lesejahr C in der Osterzeit. Der Seher und Verfasser des letzten Buches der Heiligen Schrift macht eine ganz eigene Erfahrung des Auferstandenen. Er befindet sich auf der vor der Küste Kleinasiens gelegenen Insel Patmos. Dort erscheint ihm Christus und zeigt ihm in mehreren Visionen die verborgene Wahrheit der Weltgeschichte.
Die kirchliche Tradition geht davon aus, dass Johannes um das Jahr 95 während der Christenverfolgungen unter Kaiser Domitian nach Patmos verbannt wurde. Johannes hatte eine führende Funktion in der Leitung der Kirche Kleinasiens inne, die sich auch in den drei unter seinem Namen veröffentlichen Briefen des Neuen Testaments zeigt. Ob er mit dem Apostel und Evangelisten Johannes identisch ist, wird kontrovers diskutiert.
Vom Ort seiner Verbannung aus nimmt Johannes seine Verantwortung für die Gemeinden Kleinasiens wahr. Die Offenbarung beginnt mit Sendschreiben an die Gemeinden der sieben großen Städte dieser Region. Ihre Worte sind aber wie alle Bücher der Heiligen Schrift durch alle Zeiten hindurch bedeutsam. Sie sollen den Gläubigen Mut machen, denn nur im standhaften Ausharren ist das Heil zu finden. Und es lohnt sich, standhaft zu sein, weil Christus mächtiger ist als der scheinbar allmächtige römische Staat, der sich mit seinen Verfolgungen gegen die Christen wendet.
Wir verstehen die Bilder der Offenbarung leichter, wenn wir uns stets das Entsetzen der Christen über die Allmachtsphantasien der römischen Kaiser und ihrer treuen Anhänger vor Augen führen. Spätestens ab Nero hat die Macht der Kaiser immer wieder zu Größenwahn geführt. Endgültig vorbei sind die Zeiten der Römischen Republik, in der politische Themen noch kontrovers diskutiert werden durften. Nun zählt allein das Wort des Kaisers bis in den fernsten Winkel des Imperiums und wer in diesem Imperium lebt, hat die Götter Roms und vor allem auch den Kaiser als Gott zu ehren.
Diesen Schritt konnten die Christen nicht tun. Der Glaube an den einen Gott verbietet den Christen zu allen Zeiten, andere Götter zu verehren und anzubeten. Der Kaiserkult sollte aber gerade das einende Band des Reiches sein. Eine bloße Loyalität zu Kaiser und Staat genügte nicht mehr. Wer nicht vor dem Standbild des Kaisers niederfiel und opferte galt als Staatsfeind. Damit nahm sich der Staat etwas heraus, das ihm nicht zukam. Er verwandelte sich so vom schützenden Ordnungsgebilde zum gewalttätigen Tier, das mit seinen verschiedenen Erscheinungsweisen in den Krieg eintritt mit dem Reich Gottes, mit Christus und seinen Gläubigen.
Sicher waren auch viele Christen geblendet vom Glanz des Kaiserkultes. Die goldenen Standbilder des Kaisers und die große Zahl derer, die ihnen bei pompösen Feierlichkeiten Opfer darbrachten, zeugten von der Größe und Macht des Kaisers. Wenn wir den konkreten Vollzug des Kaiserkultes in Kleinasien erleben könnten, würden wir sicher die Bilder der Offenbarung besser verstehen. Johannes aber zeigt, dass Christus größer und mächtiger ist als der Kaiser, dass das Reich Gottes mächtiger ist als das Römische Imperium, dass Christus mächtiger ist als die Mächtigen zu allen Zeiten, mächtiger als Großkonzerne und Internetgiganten, mächtiger als die Medien und der Konsum, die sich uns heute als neue Götter präsentieren.
Damals wie heute kommt es darauf an, im Glauben an Jesus Christus sich jeder Macht entgegenzustellen, die Menschen bedroht und in ihrer Freiheit beraubt, die Menschen verblendet und manipuliert. Gerade heute, wo nahezu auf der ganzen Welt Angriffe auf Christen verdeckt oder offensichtlich an der Tagesordnung stehen, müssen wir aufwachen aus dem Schlaf der Sicherheit, in den uns die Jahrhunderte eines christlichen Abendlandes gewiegt haben. Auch bei uns muss Christsein heute wieder neu von einer gelebten Tradition zu einer gelebten Überzeugung werden.

Am Tag des Herrn wurde ich vom Geist ergriffen und hörte hinter mir eine Stimme, laut wie eine Posaune. Sie sprach: Schreib das, was du siehst, in ein Buch und schick es an die sieben Gemeinden: nach Ephesus, nach Smyrna, nach Pergamon, nach Thyatira, nach Sardes, nach Philadelphia und nach Laodizea! (Offb 1,10-11)

Am Tag des Herrn, dem Sonntag - der damals noch kein Feiertag war! - wird Johannes von einer Stimme überrascht. Es ist der Tag, an dem sich die Gemeinde versammelt. Körperlich abwesend aber geistig anwesend feiert Johannes den Tag des Herrn zusammen mit den Gemeinden Kleinasiens. Er ist bei ihnen mit seinem Gebet. Doch noch wichtiger als seine geistige Anwesenheit ist die Gegenwart Christi inmitten der Gemeinden. Diese wird symbolisiert durch die Erscheinung des Menschensohnes inmitten von sieben Leuchtern.
Herrlicher als der Kaiser in all seiner Pracht, so erscheint Christus dem Johannes, eine glänzende Lichtgestalt, die aber dennoch das Aussehen eines Menschen hat. Und Christus ist anwesend inmitten seiner Kirche. Die sieben Leuchter stehen für die sieben Gemeinden Kleinasiens, wobei die Siebenzahl zugleich hinweist auf die Gesamtheit der Kirche. Christus ist gegenwärtig in seiner Kirche und ist zugleich der Herr der ganzen Welt, worauf die sieben Sterne in seiner Hand verweisen. Das Schwert aus seinem Mund ist Zeichen seines machtvollen Wortes, das die Kraft hat zu Richten und zu vergeben, den Satan in Schranken zu weisen und die Menschen zu heilen.

Da wandte ich mich um, weil ich die Stimme erblicken wollte, die zu mir sprach. Als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter und mitten unter den Leuchtern einen gleich einem Menschensohn; er war bekleidet mit einem Gewand bis auf die Füße und um die Brust trug er einen Gürtel aus Gold. Sein Haupt und seine Haare waren weiß wie weiße Wolle, wie Schnee, und seine Augen wie Feuerflammen; seine Beine glänzten wie Golderz, das im Schmelzofen glüht, und seine Stimme war wie das Rauschen von Wassermassen. In seiner Rechten hielt er sieben Sterne und aus seinem Mund kam ein scharfes, zweischneidiges Schwert und sein Gesicht leuchtete wie die machtvoll strahlende Sonne. (Offb 1,12-16)

Am Tag des Herrn, also am Sonntag, hat Johannes zunächst eine Audition. Er hört hinter sich eine laute Stimme, gleich einer Posaune. Es ist damit ein langgezogenes, metallenes Blasinstrument mit Mundstück und Schalltrichter gemeint. Als lautestes aller damaligen Instrumente wird es oft im Zusammenhang von apokalyptischen Schilderungen oder Theophanien, wie beispielsweise am Sinai, erwähnt.
Als er sich umwendet, sieht Johannes sieben Leuchter, Symbol für die sieben Adressatengemeinden der Offenbarung, aber auch für die gesamte Kirche. Die Leuchter sind aus Gold, dem damals reinsten und edelsten aller Metalle, ein Zeichen dafür, wie wertvoll die Gemeinde und jeder einzelne für Gott ist. Christus hat ja selbst gesagt: Ihr seid das Licht der Welt. Und Christus ist in seiner Kirche gegenwärtig. Johannes sieht zwischen den Leuchtern eine Gestalt gleich einem Menschensohn. Dieser Begriff stammt aus dem Buch Daniel und wurde schon früh zur Christusprädikation. Der kundige Leser weiß also sofort, dass es sich dabei um niemand anderen als Christus handeln kann, wenngleich sich Christus erst wenige Verse später selbst unmissverständlich durch sein Wort zu erkennen gibt.
Johannes beschreibt diesen Menschensohnähnlichen. Das lange Gewand und der goldene, durch die Achselhöhlen und über die Brust laufende Gürtel deuten auf eine vornehme Person, einen Herrscher oder Priester hin. Christus wird dargestellt als der wahre und endgültige Hohepriester. Leuchtendweißes Haupt und Haare weisen hin auf alttestamentliche Gottesbilder und symbolisieren die Reinheit Gottes. Augen wie Feuerflammen durchdringen alles, ihnen bleibt nichts verborgen. Die Füße aus Golderz, einer Legierung, die als noch wertvoller galt als Gold, zeigen das Gewicht und die machtvolle Würde der Person. Der Klang der Stimme ist majestätisch, wie das Tosen von Wassermassen, wie die Stimme Gottes im Alten Testament.
Das leuchtende Antlitz Christi ist der Glanz der Gottheit, vor dem Mose schon sein Gesicht verbergen musste und den der Mensch nicht ertragen kann, ohne zu sterben. So sinkt auch Johannes nieder, wie tot. Doch die rechte Herrscherhand Christi ist zugleich auch seine Segenshand. Er richtet seinen Diener auf. Fürchte dich nicht. Nun gibt sich Christus durch sein Wort zu erkennen. Er ist der Erste und der Letzte und der Lebendige, alles alttestamentliche Gottesprädikationen, die bewusst auf Christus angewandt werden, um ihn als wahren Gott zu zeigen. Er ist der Auferstandene. Er hat durch seinen Tod und seine Auferstehung das dämonische Paar, Tod und Hades, besiegt und ihnen den Schlüssel zur Unterwelt entrissen. Nun herrscht Gott auch über den Ort, zu dem er nach alttestamentlichen Vorstellungen keinen Zutritt hatte.

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Heilige Schrift
Als ich ihn sah, fiel ich wie tot vor seinen Füßen nieder. Er aber legte seine rechte Hand auf mich und sagte: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, doch siehe, ich lebe in alle Ewigkeit und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt. (Offb 1,17-18)

Es ist immer ein Zeichen für die Ergriffenheit des Sehers, wenn dieser wie tot zu Boden fällt. So mächtig ist die Erscheinung, so mächtig der Erscheinende, dass der Mensch aus eigener Kraft nicht davor bestehen kann. Doch Christus richtet ihn auf und offenbart sich ihm: Er ist der Erste und der Letzte, Anfang und Ende der ganzen Welt, er umfasst alles, was ist, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Er ist der Lebendige, dem der Tod nichts anhaben kann. Selbst der sich vergöttlichende Kaiser muss sterben, wodurch deutlich wird, dass auch er nur ein Mensch und kein Gott ist. Allein Christus hat den Tod überwunden und so seine Göttlichkeit offenbart.
Wir sollten die Auferstehung nicht als selbstverständlich hinnehmen. Wir sind es gewohnt, jedes Jahr Ostern zu feiern. Jesus ist auferstanden, diese Botschaft rüttelt viele nicht mehr auf und wir können sogar das Halleluja sitzend auf den Kirchenbänken singen so wie jedes andere Lied auch. Wir horchen nicht mehr auf, wenn jemand zu uns sagt: Christus ist wahrhaft auferstanden! Wir verstehen nicht mehr, was das bedeutet.
Die Auferstehung Christi hat die Welt verändert, wie ein Erdbeben, das die Oberfläche der ganzen Erde aufreißt. Tote können nun auferstehen, der Tod ist nicht mehr das Ende des Lebens. Dasein ist nicht mehr auf den Tod hin, sondern auf die Auferstehung. Es gilt so zu leben, dass wir die Auferstehung erlangen. Aber das allein wäre wieder zu moralisch gedacht. Es gilt so zu leben, als wären wir schon auferstanden. Wir leben nicht nach den Geboten, damit wir im Gericht bestehen, sondern wir leben nach Christi Weisung, weil wir schon jetzt mit ihm ein neues Leben haben. Wenn wir Christus nachfolgen, sind wir schon jetzt mit ihm auferstanden, leben schon jetzt als Kinder Gottes, wir leben als Auferstandene auf der Erde und der Tod ist nur noch ein Hinübergang in eine andere Daseinsweise und nicht mehr die Zäsur unseres Lebens.
Mit dem Auferstandenen leben, das hört sich utopisch an, aber es ist möglich, auch wenn es unser ganzes Leben lang eine Herausforderung bleibt. Versuchen wir uns immer neu vom Geheimnis der Auferstehung ergreifen zu lassen, bis es uns ganz durchdringt. Werden wir Christus immer ähnlicher in unserem Leben. Die Erscheinung des Auferstandenen ist für Johannes furchteinflößend, aber nur im ersten Moment. Wir brauchen diese Erfahrung, die uns aus unserem Alltag herausreißt. Wenn wir den Auferstandenen dann immer mehr erkennen, werden wir immer mehr eins mit seinem Licht.

Schreib auf, was du gesehen hast: was ist und was danach geschehen wird. Das Geheimnis der sieben Sterne, die du auf meiner rechten Hand gesehen hast, und der sieben goldenen Leuchter ist: Die sieben Sterne sind die Engel der sieben Gemeinden und die sieben Leuchter sind die sieben Gemeinden. (Offb 1,19-20)

Christus hält in seiner rechten Hand, der Herrscherhand, sieben Sterne, Symbol für die Engel der sieben Gemeinden, aber auch wieder für die gesamte Kirche. Die Gerechten sind in Gottes Hand und niemand kann sie seiner Macht entreißen, wie es im Alten Testament heißt. Christus nimmt die Gläubigen unter seinen Schutz, er ist mächtiger als alle anderen Mächte. Jedoch können die Gläubigen aus diesem Schutz herausfallen, wenn sie nicht mehr nach Gottes Willen leben und sein Wort missachten. In dieser Gefahr stehen die sieben Gemeinden. Christus ist zugleich auch Richter. Dies zeigt das Schwert aus seinem Mund, Christus richtet durch sein Wort.
All das soll Johannes aufschreiben und so festhalten für seine Gemeinden und auch für uns heute.