Matthäus 20,1-28

Gleicher Lohn

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Heilige Schrift
Denn mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Gutsbesitzer, der früh am Morgen sein Haus verließ, um Arbeiter für seinen Weinberg anzuwerben. (Mt 20,1)

Jesus ist mit seinen Jüngern auf dem Weg nach Jerusalem. Er hat zu ihnen über den Ernst der Nachfolge gesprochen. Was Jesus da gesagt hat, erscheint den Jüngern hart. Auch wir fragen uns: wer kann das, auf alles verzichten, um Jesus nachzufolgen, den gesamten Besitz aufgeben, ehelos leben. Jesus hat aber auch vom reichen Lohn gesprochen, der diesen Verzicht hundertfach ausgleichen wird. Und dann noch das Wort Jesu, dass die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein werden. Was bedeutet das alles? Wie so oft erzählt Jesus zum besseren Verständnis ein Gleichnis.
Ein reicher Gutsbesitzer wird zum Bild für das Himmelreich. Dieser Gutsbesitzer benötigt Arbeiter für seinen Weinberg und er geht an die entsprechenden Plätze, um Tagelöhner anzuwerben. Tagelöhner lebten damals mehr oder weniger von der Hand im Mund und verdienten jeden Tag gerade mal so viel, wie sie für sich und ihre Familie zum Leben brauchten - wenn sie etwas verdienten. Wenn sie keine Arbeit fanden, gab es am Abend für sie selbst und ihre Familie nichts zu Essen.

Er einigte sich mit den Arbeitern auf einen Denar für den Tag und schickte sie in seinen Weinberg. Um die dritte Stunde ging er wieder auf den Markt und sah andere dastehen, die keine Arbeit hatten. Er sagte zu ihnen: geht auch ihr in meinen Weinberg! Ich werde euch geben, was recht ist. Und sie gingen. Um die sechste Stunde und um die neunte Stunde ging der Gutsherr wieder auf den Markt und machte es ebenso. Als er um die elfte Stunde noch einmal hinging, traf er wieder einige, dir dort herumstanden. Er sagte zu ihnen: Was steht ihr hier den ganzen Tag untätig herum? Sie antworteten: Niemand hat uns angeworben. Da sagte er zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg! (Mt 20,2-7)

Es gibt Arbeit. Die Tagelöhner sind voller Erwartung, wen der Gutsbesitzer mitnehmen wird. Die ersten, die angeworben werden, können sich glücklich schätzen, für sie und ihre Familien wird es am Abend etwas zu essen geben. Die anderen aber müssen warten, auf den nächsten, der kommt - wenn denn einer kommt. Der gleiche Gutsherr aber kommt wieder. Es gibt viel zu tun im Weinberg. Die Arbeiter mühen sich ab, doch er braucht mehr Arbeiter, wenn der Weinberg am Abend in Ordnung sein soll. So wirbt der Gutsbesitzer immer wieder neue Arbeiter an, ja sogar eine Stunde vor Feierabend, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, holt er nochmal welche. Das kommt selten vor, zu so später Stunde noch Arbeit zu finden. Erleichtert machen sich die Angeworbenen an die Arbeit.

Als es nun Abend geworden war, sagte der Besitzer des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und zahl ihnen den Lohn aus, angefangen von den letzten, bis hin zu den ersten. Da kamen die Männer, die er um die elfte Stunde angeworben hatte, und jeder erhielt einen Denar. Als dann die ersten an der Reihe waren, glaubten sie, mehr zu bekommen. Aber auch sie erhielten nur einen Denar. (Mt 20,8-10)

Bei der Bezahlung am Abend ist die Verwunderung groß. Jeder der Arbeiter bekommt genau einen Denar. Doch auch wenn sich unser Gerechtigkeitsempfinden daran stoßen mag, vom Prinzip her ist das nicht ungewöhnlich. Ein Tagelöhner verdient immer einen Denar. Der Tageslohn für Tagelöhner ist immer gleich. Nicht mehr und nicht weniger. Wer mehr verdienen würde, wäre überbezahlt, wer weniger verdienen würde, der könnte davon nicht leben. Das ist eine Tatsache, die den Menschen der damaligen Zeit geläufig war. Dennoch äußern einige der Arbeiter ihre Unzufriedenheit mit dem Gutsherrn.

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Heilige Schrift
Da begannen sie, über den Gutsherrn zu murren, und sagten: Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, und du hast sie uns gleichgestellt; wir aber haben den ganzen Tag über die Last der Arbeit und die Hitze ertragen. Da erwiderte er einem von ihnen: Mein Freund, dir geschieht kein Unrecht. Hast du nicht einen Denar mit mir vereinbart? Nimm dein Geld und geh! Ich will dem letzten ebenso viel geben wie dir. Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will? Oder bist du neidisch, weil ich zu anderen gütig bin? So werden die Letzten die Ersten sein und die Ersten die Letzten. (Mt 20,11-16)

Jesus will mit diesem Gleichnis keine Lehre für das Wirtschaftsleben geben. Das sollte uns klar sein. Für welche Eigenschaft des Himmelreichs steht aber nun der Gutsherr? Ich denke die positive Botschaft des Gleichnisses ist, dass der Gutsherr bis zum Abend alle anwirbt, die Arbeit suchen. Es gibt für alle etwas zu tun. Das sollte uns zuerst verwundern, wie groß dieser Weinberg sein muss, dass er so vielen Menschen Arbeit gibt. Und genau betrachtet ist auch der Gutsherr sehr großzügig. Das, was die Arbeiter der letzten Stunde gearbeitet haben, hätten nach wirtschaftlichen Aspekten locker die anderen geschafft. Sie haben also wirklich im Vergleich zu den Arbeitern der ersten Stunde so gut wie nichts gearbeitet und bekommen doch den vollen Lohn. Wenn wir das Gleichnis vom wirtschaftlichen Aspekt her betrachten, ist der Gutsherr also nicht der Ausbeuter, als der er auf den ersten Blick erscheinen mag, sondern er widerspricht mit seinem Verhalten jedweder Form der Gewinnoptimierung.
Jeder, der das möchte, bekommt die Möglichkeit, für das Himmelreich zu arbeiten. Jeder Arbeiter für das Himmelreich muss sich aber im Klaren darüber sein, dass er für den gleichen Lohn arbeitet. Egal, welchen Dienst er tut, ob Apostel oder einfacher Katechet, ob Schriftsteller oder Helfer im Krankendienst, es gibt im Dienst für das Reich Gottes keine mehr oder weniger wichtigen Aufgaben. Jeder Dienst ist gleich wichtig, weil nur im Zusammenwirken aller das Himmelreich auf Erden Wirklichkeit werden kann.
Dass der Lohn letztlich für alle Gleich ist, liegt nicht daran, dass die Arbeiter am Himmelreich unterbezahlt sind. Der Lohn, den jeder bekommt, ist das Größtmögliche, das ein Mensch verdienen kann, in Ewigkeit bei Gott zu wohnen. Bei Gott gibt es nicht für die einen Luxuswohnungen und für die anderen Slums, alle werden mit der gleichen Herrlichkeit bekleidet. Um diese Gleichheit aller auszudrücken, war der Denar der Tagelöhner das naheliegendste Beispiel und nur, wenn wir nicht von irgendwelchen heutigen Vorstellungen von gerechter Bezahlung ausgehen, sondern einfach die Tatsache zur Kenntnis nehmen, dass die Bezahlung mit einem Denar ein festgesetzter Usus war, können wir das Gleichnis verstehen.
Vielleicht können wir auch sagen, dass Jesus meint, dass jeder Mensch das bekommt, was er braucht, um glücklich zu sein? Jeder Mensch hat in seinem Leben die Möglichkeit, glücklich zu sein. Es gibt Höhen und Tiefen, mal bin ich bei den Ersten, mal bei den Letzten und denke, jetzt ist alles aus. Doch im letzten Moment kommt einer ... Das ist etwas, worauf wir bei Gott vertrauen dürfen, dass er uns nicht vergisst, dass er uns nicht stehen lässt mit unseren Sorgen und Nöten. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott uns ein erfülltes Leben schenkt und dass er uns aufnimmt in sein Reich, wenn wir für ihn gearbeitet haben, wenn wir ihn einfach als unseren Gott anerkannt haben und uns von ihm haben lieben lassen als seine Kinder.

Wir können das Gleichnis aber auch noch unter einem anderen Aspekt her lesen. In der kirchlichen Tradition spricht man von den drei evangelischen Räten Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam. Was diese bedeuten, zeigt uns Jesus deutlich im 19. und 20. Kapitel des Matthäusevangeliums. In diesen beiden Kapiteln ist Jesus mit seinen Jüngern auf dem Weg durch Judäa nach Jerusalem. Es ist der letzte Weg, den Jesus mit seinen Jüngern geht, bevor sich sein Ende in Jerusalem erfüllt. Was Jesus hier sagt, hat also noch einmal eine ganz besondere Bedeutung.
Im 19. Kapitel spricht Jesus von der Ehelosigkeit und in seiner Antwort auf die Frage des reichen Jünglings "Was muss ich Gutes tun, um das ewige Leben zu erlangen?" zeigt Jesus die Bedeutung der Armut auf. Das heutige Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg macht die Bedeutung des Gehorsams deutlich.
Mehrmals am Tag geht der Gutsbesitzer auf den Marktplatz, um Arbeiter anzuwerben. Die Initiative für die Verteilung der Arbeit geht allein von ihm aus. Er entscheidet, wen er wann anwirbt. Die Arbeiter aber zeigen ihre Bereitschaft zu arbeiten, folgen dem Ruf des Gutsherrn und leisten die ihnen zugewiesene Arbeit.
So ist es auch bei der Arbeit im Weinberg des Herrn. Gott ist es, der Menschen in seinen Dienst ruft. An uns ist es aber, die Bereitschaft zu zeigen, in diesen Dienst zu treten. Wann und zu welcher Aufgabe der Herr uns beruft, liegt ganz bei ihm. Das erfordert Geduld, um auf die Stunde zu warten, zu der der Herr uns braucht und es erfordert Gehorsam, dann, wenn der Herr uns ruft, das zu tun, was er von uns möchte.
Wir haben so viele eigene Vorstellungen und Pläne, die auch sicher gar nicht so schlecht sind. Aber doch müssen wir immer wieder danach fragen: Was ist es, was Gott will? Es ist oft gar nicht so leicht, den Ruf Gottes durch all unser eigenes Denken und Planen hindurchdringen zu lassen.

Als Jesus nach Jerusalem hinaufzog, nahm er unterwegs die zwölf Jünger beiseite und sagte zu ihnen: Wir gehen jetzt nach Jerusalem hinauf; dort wird der Menschensohn den Hohenpriestern und Schriftgelehrten ausgeliefert; sie werden ihn zum Tod verurteilen und den Heiden übergeben, damit er verspottet, gegeißelt und gekreuzigt wird; aber am dritten Tag wird er auferstehen. (Mt 20,17-19)

Jesus geht mit seinen Jüngern nach Jerusalem. Noch einmal erklärt er ihnen, was ihm dort bevorsteht. Wie kann man angesichts dessen noch über Lohn und Ränge streiten? Doch den Jüngern ist der Ernst der Lage nicht bewusst. Sie kümmern sich um Kleinigkeiten, sie erkennen nicht, worauf es ankommt und was wirklich wichtig ist. Sind wir nicht auch oft so? Wir streiten mit anderen über Kleinigkeiten und verlieren dabei die Liebe aus den Augen, interne Querelen hemmen den Dienst an den Menschen.
Dem Arbeiter am Himmelreich soll es nicht um seinen Rang und seinen Lohn gehen. Er soll in allem ein Diener sein und das geschieht nicht dadurch, dass man sich Diener nennt, sondern es auch ist. So ist auch Jesus nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben für das Heil der Welt.

Damals kam die Frau des Zebedäus mit ihren Söhnen zu Jesus und fiel vor ihm nieder, weil sie ihn um etwas bitten wollte. Er fragte sie: Was willst du? Sie antwortete: Versprich, dass meine beiden Söhne in deinem Reich rechts und links neben dir sitzen dürfen. Jesus erwiderte: Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde? Sie sagten zu ihm: Wir können es. Da antwortete er ihnen: Ihr werdet meinen Kelch trinken; doch den Platz zu meiner Rechten und zu meiner Linken habe nicht ich zu vergeben; dort werden die sitzen, für die mein Vater diese Plätze bestimmt hat.
Als die zehn anderen Jünger das hörten, wurden sie sehr ärgerlich über die beiden Brüder. Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele. (Mt 20,20-28)