Matthäus 13,36-53

Gleichnisse für Jünger

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Heilige Schrift
Dann verließ er die Menge und ging nach Hause. (Mt 13,36a)

Hier erkennen wir eine Zäsur in der langen Gleichnisrede Jesu. Zunächst hat Jesus vom Boot aus zu einer großen Menschenmenge am Ufer des Sees gesprochen. Nun verlässt er die Menge und spricht nur noch zu seinen Jüngern. Zunächst erklärt er ihnen das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen und fügt danach noch weitere Gleichnisse an.

Und seine Jünger kamen zu ihm und sagten: Erkläre uns das Gleichnis vom Unkraut auf dem Acker. Er antwortete: Der Mann, der den guten Samen sät, ist der Menschensohn; der Acker ist die Welt; der gute Samen, das sind die Söhne des Reiches; das Unkraut sind die Söhne des Bösen; der Feind, der es gesät hat, ist der Teufel; die Ernte ist das Ende der Welt; die Arbeiter bei dieser Ernte sind die Engel. Wie nun das Unkraut aufgesammelt und im Feuer verbrannt wird, so wird es auch am Ende der Welt sein: Der Menschensohn wird seine Engel aussenden und sie werden aus seinem Reich alle zusammenholen, die andere verführt und Gottes Gesetz übertreten haben, und werden sie in den Ofen werfen, in dem das Feuer brennt. Dort werden sie heulen und mit den Zähnen knirschen.
Dann werden die Gerechten im Reich ihres Vaters wie die Sonne leuchten. Wer Ohren hat, der höre! (Mt 13,36b-43)

Jesus sagt hier deutlich, dass es ein Gericht geben wird, in dem die Spreu vom Weizen getrennt wird. Dies kann ein Trost für die Eifrigen sein, die sich in der Durchsetzung ihrer Ideale Mäßigung auferlegen müssen, aber auch eine Mahnung an die Schwachen, sich mit allen Kräften darum zu mühen, das Gute zu tun, und nicht einer mittelmäßigen Lauheit zu verfallen.
Wie aber wird es sein, wenn wir einmal von Gott treten werden? Kein Mensch weiß das zu sagen. Wenn wir einmal vor Gott stehen werden, der die unendliche Liebe ist, wird sich zeigen, wer dem Blick dieser Liebe standhalten kann. Für den Menschen, der in seinem Leben die Liebe verachtet hat, wird dieser Blick wie verzehrendes Feuer sein. Wenn ein Mensch in seinem Leben wenigstes ein kleines Stück Liebe in seinem Herzen getragen hat, so wird der Blick der Liebe Gottes dieses kleine Stückchen Liebe in hellen Glanz verwandeln. So wird der Mensch leuchten in Ewigkeit im Licht der unendlichen Liebe Gottes in unsagbarem Glück.

Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn, grub ihn aber wieder ein. Und in seiner Freude verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte den Acker. (Mt 13,44)

Die Gleichnisse vom Schatz im Acker und von der kostbaren Perle spricht Jesus nicht mehr zur Menge, sondern zum engeren Kreis seiner Jünger. Hier geht es um die ganz besondere Art der Nachfolge, die darin besteht, für Jesus alles herzugeben. Dieser Ruf in die engere Nachfolge Jesu begegnet uns öfter im Evangelium. Er richtet sich aber nur an die Jünger Jesu. An die Menge richtet Jesus zunächst den grundsätzlichen Ruf zur Umkehr, die Aufforderung, Jesu Wort zu hören und danach zu leben. Die Menschen müssen erst einmal Jesus und seine Botschaft kennenlernen und den Schritt der Umkehr vollziehen. Erst dann kann an sie der Ruf zu einer noch engeren Nachfolge Jesu ergehen.
Die Zweiteilung der Rede bedeutet also nicht eine Ausschließung, eine Aufteilung in eine Gruppe von besonderen Jüngern und gewöhnlichem Fußvolk. Sie bedeutet vielmehr, dass sich die Verkündigung auch am Stand der Hörer orientieren muss. "Einsteiger" brauchen eine andere Unterweisung als "Fortgeschrittene". Die Einführung muss Schritt für Schritt erfolgen. Nur so können aus Einsteigern einmal Fortgeschrittene werden, ohne dass die schon am Anfang mutlos aufgeben.
Der Acker ist der Boden für das fruchtbare Wachsen der Saat und auch für das Unkraut, das hat Jesus uns in den beiden ersten Gleichnissen der Rede in Kapitel 13 gezeigt. In einem Acker kann aber noch mehr stecken: in ihm kann ein Schatz zu finden sein. Zugegeben, das kommt nicht sehr häufig vor. Ein solcher Schatz im Acker ist daher etwas ganz Besonderes. Jesus will seinen Jüngern sagen, dass sie zu den Glücklichen gehören, die einen solchen Schatz gefunden haben.
Um rechtmäßiger Besitzer dieses Schatzes zu werden, muss man erst einmal den ganzen Acker kaufen. Das erfordert einen hohen Einsatz. Auch das Leben nach Jesu Wort erfordert einen hohen Einsatz und verändert das Leben radikal. Doch man weiß, wofür man diesen Einsatz leistet: Der Wert des Schatzes liegt um ein Vieles höher als der Einsatz, der dafür nötig ist.
Doch ich habe noch eine andere Deutung für dieses Gleichnis. Ist nicht der Schatz, den jeder Acker birgt, gerade seine Fruchtbarkeit? Die Jünger Jesu sollen möglichst viel Ackerland für das Himmelreich gewinnen, damit möglichst viel Samen auf guten Boden fallen und fruchtbar sein kann.
"Die Armen sind der Schatz der Kirche", hat der Hl. Laurentius gesagt, als der heidnische Kaiser die Herausgabe des Kirchenschatzes gefordert hat. Der Schatz auf dem Acker sind die Menschen. Jeder Mensch trägt in sich den Samen, der ihn zum fruchtbaren Weizenkorn macht. Jeder Mensch ist ein Schatz, unheimlich bedeutsam und wertvoll. Um Menschen die Möglichkeit zu geben, ihre Gaben voll zu entfalten, lohnt es sich alles zu geben.
Was es bedeutet, alles aufzugeben und den einen Schatz zu besitzen, davon geben die Heiligen Zeugnis. Der hl. Franz von Assisi hat alles aufgegeben bis er nichts mehr hatte. Nicht. Nur Gott. Und so konnte er am Ende seines Lebens beten:

Mein Gott und mein Alles!
Mein Gott und mein alles, gib mir den Mut, alles für dich zu geben, weil ich weiß, dass ich so alles bekommen werde was nötig ist.
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Heilige Schrift
Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle Perle fand, verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte sie. (Mt 13,45-46)

Was will uns Jesus mit dem Gleichnis von der kostbaren Perle sagen? Ist sie für den Kaufmann ein Liebhaberstück oder eher ein Risikogeschäft? Wer beispielsweise mit Aktien Geld machen will, muss schnell sein und den Markt immer im Blick haben. Aktien zur rechten Zeit eingekauft und zur rechten Zeit verkauft, können hohen Gewinn bringen. Die Entwicklung kann aber auch anders verlaufen und dann hat man mit solch einem Risikogeschäft viel Geld verloren.
Ist der Kauf der Perle, von der im heutigen Gleichnis die Rede ist, auch so ein Risikogeschäft? Ich denke nicht. Der Kaufmann ist kein Spekulant, er kann beim Perlenkauf nur gewinnen. Die Perle, die er nach langem Suchen endlich gefunden hat, ist für ihn ein Liebhaberstück und kostbarer als alles andere, was er bisher gesehen und erworben hat. Daher lohnt es sich, für sie alles andere zu geben, sie selbst aber will er für immer behalten.
Der Besitz dieser Perle bedeutet für ihn einen unermesslichen Wert und ein unermessliches Glück. Warum sollte er an Dingen festhalten, die für ihn nicht diesen Wert haben und nicht dieses Glück bedeuten? Leichten Herzens kann er das weniger Wertvolle gegen das Wertvollste, das es in seinen Augen gibt, eintauschen.
Wer nicht weiß, was er wirklich will, jagt im Leben allen möglichen Dingen hinterher, erwirbt das Eine, tauscht es gegen das Nächstbeste und hat am Ende vielleicht aus seinem Gold einen Haufen Steine gemacht, die man besser wegwirft, weil sie nur eine Last sind, wie wir es im Märchen von Hans in Glück schön erzählt bekommen.

Die Verkündigung des Evangeliums bringt nicht nur vielfachen Gewinn, wie ein Schatz, sondern ist auch kostbar wie eine Perle. (Johannes Chrysostomus)

Der Glaube an Jesus ist kein zusätzliches Steinchen im Sammelsurium religiöser Ideen, sondern er ist der, den wir mit ganzem Herzblut suchen und der uns die Erfüllung unserer Sehnsucht schenkt. Wie den Finder des Schatzes und den Kaufmann stellt uns Jesus vor eine Entscheidung. Entweder wir geben alles, was wir haben, um das Kostbarste zu besitzen, das uns wohl jemals im Leben begegnen wird, oder wir lassen alles beim Alten und vertun die Chance unseres Lebens.

Wer nämlich die Lieblichkeit des himmlischen Lebens, soweit es irgend möglich ist, vollkommen erkannt hat, der gibt alles, was er auf Erden geliebt hat, mit Freude auf. Im Vergleich zu ihr wird alles wertlos, er verzichtet auf seinen Besitz, verteilt, was er anhäufte, sein Geist entbrennt für das Himmlische, nichts Irdisches macht mehr Freude, unschön erscheint alles, was an irdischer Schönheit gefiel, da allein der Glanz der kostbaren Perle im Geist erstrahlt. (Gregor der Große)

Wenn es so eindeutig ist wie im Gleichnis, wofür man alles aufzugeben hat, scheint das recht einfach zu sein. Wie aber ist es damit, wenn wir für Gott alles aufgeben sollen, was wir haben? Ist uns Gott wirklich so wertvoll? Was werden wir bekommen? Jesus sagt uns, dass uns Gott nicht mit leeren Händen stehen lassen wird, sondern das auf uns etwas wartet, das so kostbar ist, dass es alle unsere bisherigen Vorstellungen übersteigt. Ist unser Vertrauen in Gott so groß, dass wir uns darauf einlassen?

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Heilige Schrift
Weiter ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Netz, das man ins Meer warf, um Fische aller Art zu fangen. (Mt 13,47)

Jesus vergleicht das Himmelreich mit einem Netz, das ins Meer geworfen wird, um damit Fische aller Art zu fangen. Es wird nicht nur im See Gennesaret ausgeworfen, an dem Jesus seine ersten Jünger berufen hat und sie von Fischern vom See zu Menschenfischern gemacht hat. Die Fanggründe der Fischer des Himmelreiches sind nicht mehr in einem kleinen See im abgelegenen und unbedeutenden Galiläa, sondern im großen Meer dieser Welt.

Die heilige Kirche wird mit einem Netz verglichen, da sie Fischern anvertraut ist und durch sie ein jeder aus dem Gewoge der gegenwärtigen Welt ins ewige Reich gezogen wird, um nicht in der Tiefe des ewigen Todes zu versinken. (Gregor der Große)

Doch das Netz der Kirche wird nur noch selten ausgeworfen. Es hat Risse bekommen, und fängt nur noch wenige Fische, wenn es einmal wieder benutzt wird. Nahezu tatenlos sehen wir dabei zu, wie immer mehr Menschen die Kirche verlassen und wie ein Großteil der Menschen "in der Tiefe des ewigen Todes zu versinken" droht. Die linksgerichtete Philosophie, dass jeder Mensch selbst seinen Heilsweg bestimmen kann und daher jede Form der Mission verpönt ist, ist bis in das Herz der Kirche gedrungen.
Die Lehre vom ewigen Gericht wird als eine heute überwundene Denkform früherer Zeiten abgetan. Kein Mensch benötigt Erlösung und nach dem Tod wird entweder nichts mehr sein oder es wird allen gleich ergehen. Wichtig ist es, im hier und jetzt zu leben. Wozu sich also noch mit den Geboten der Kirche herumschlagen, die so viele Generationen geknechtet haben, wozu noch Mission und Bekehrungen?
Wir müssen lernen, das Evangelium mit neuen Worten zu verkünden, die auch den Menschen unserer Tage die Notwendigkeit der Umkehr vor Augen führen. Freilich sollen wir nicht zu den Worten einer Drohbotschaft zurückkehren, die Bekehrungen nur angesichts der Vermeidung einer ewigen Verdammnis als sinnvoll erscheinen lässt. Das Evangelium muss Frohbotschaft sein, die zeigt, dass der Glaube an Jesus Christus Glück und Heil schenkt, das sonst nirgendwo zu finden ist.

Als es voll war, zogen es die Fischer ans Ufer; sie setzten sich, lasen die guten Fische aus und legten sie in Körbe, die schlechten aber warfen sie weg. So wird es auch am Ende der Welt sein: Die Engel werden kommen und die Bösen von den Gerechten trennen und in den Ofen werfen, in dem das Feuer brennt. Dort werden sie heulen und mit den Zähnen knirschen. (Mt 13,48-50)

Das Himmelreich gleicht einem Netz, aber nicht alle, die darin gefangen werden, erfüllen die Anforderungen eines Bewohners des Himmelreiches. Das hier überlieferte Jesuswort ist hart. Gerade bei Matthäus finden sich solch strenge Worte Jesu. Möglicherweise spiegelt sich darin die Erfahrung der Gemeinden des Matthäus wider, dass es auch in der Kirche Jesu Christi, die ein Bild des Himmelreiches auf Erden ist, Auseinandersetzungen und Anfeindungen gibt, dass nicht alle nach den Idealen leben, die Jesus verkündet hat.
Wer aber sind diese Verworfenen? Uns steht hierüber kein Urteil zu. Wir können nicht sehen, wie viel ein jeder sich müht, den Worten Jesu Christi nachzueifern. Und die harten Worte Jesu an die Schriftgelehrten zeigen, dass auch die nach außen hin frommen nicht immer in ihrem Innern auch fromm sind.
Wie beim Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen wird auch hier deutlich, dass es nicht die Aufgabe der Kirche ist, die Scheidung zwischen Guten und Bösen durchzuführen. Gott wird richten, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Wir sind dazu aufgerufen, einander zu ertragen, zu ermahnen und vor allem gegenseitig zu stützen und einander Vorbild zu sein.
Die Worte Jesu zeigen aber auch, dass wir es uns nicht zu leicht machen dürfen. Die Anforderungen an einen Bewohner des Himmelreiches sind hoch und wehe dem, der aus eigener Schuld nachlässig und träge wird.

Nach den Gleichnissen, die die Verkündigung der Frohen Botschaft hervorhoben, fügt der Herr noch ein recht schreckenerregendes Gleichnis an, damit wir nicht allein auf die Verkündigung vertrauen, noch uns der Illusion hingeben, der Glaube genüge uns zum Heil. (Johannes Chrysostomus)
Diese Stelle braucht man nicht auszulegen, vielmehr soll man hier erzittern. Ganz offen werden hier die Qualen der Verworfenen beim Namen genannt, damit nicht jemand Unkenntnis zu seiner Entschuldigung anführe, weil von der ewigen Strafe nur verhüllt die Rede gewesen sei. (Gregor der Große)
Habt ihr das alles verstanden? Sie antworteten: Ja. Da sagte er zu ihnen: Jeder Schriftgelehrte also, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, gleicht einem Hausherrn, der aus seinem reichen Vorrat Neues und Altes hervorholt. (Mt 13,51-52)

Gregor der Große versteht das Alte als die Tatsache, "dass die Menschheit für ihre Schuld in ewiger Strafe zugrunde geht". Das Neue aber ist das Evangelium, die Botschaft davon, "dass, wer sich bekehrt, im Reich lebt". Das bedeutet für die Verkünder des Evangeliums:

Derjenige ist in der heiligen Kirche ein unterrichteter Verkündiger, der es versteht, Neues über die Schönheit des Reiches vorzubringen. (Gregor der Große)

Zwar fügt Gregor der Große auch noch an, dass dieser Verkünder ebenso "Altes über den Schrecken der Strafe" hervorzubringen weiß, jedoch muss heute das Neue über die Schönheit des Reiches im Vordergrund stehen. Wir leben in einer Zeit, die viele Annehmlichkeiten zu bieten hat. Was gibt es für einen Grund, auf diese um eines verborgenen Himmelreiches willen zu verzichten? Wir erkennen aber auch die Brüchigkeit dieses irdischen Glücks, wenn Beziehungen zerbrechen, eine plötzliche Krankheit das Leben verändert, oder plötzlich das Geld knapp wird. Wer oder was trägt uns auch durch schwere Zeiten? Gibt es ein unvergängliches Glück?
Menschen suchen und fragen. Wir dürfen nicht mit Antworten kommen, die hundert Jahre oder älter sind. Das Umfeld der Menschen verändert sich, heute schneller als je zuvor. Die Fragen und das Suchen der Menschen sind gleich geblieben, die Antworten aber müssen mit der Zeit gehen. Die Botschaft von Jesus Christus ist zeitlos. Man kann heute die Evangelien noch genauso gut lesen und verstehen wie vor 1000 Jahren. Wir brauchen Verkünder, die es verstehen, den Schatz des Evangeliums auch heute wieder zum Glänzen zu bringen, die ihn attraktiv sein lassen für die Menschen unserer Zeit.
Herr Jesus Christus, gib uns Phantasie und deinen Geist, damit wir die Botschaft vom Himmelreich auch heute so verkünden, dass sie die Menschen ins Herz trifft und dass sie in dir den Schatz sehen, der sie reich und glücklich macht.

Als Jesus diese Gleichnisse beendet hatte, zog er weiter. (Mt 13,53)