Matthäus 11,25-30

Das leichte Joch Jesu

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Heilige Schrift
In jener Zeit sprach Jesus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen. (Mt 11,25-26)

Mit prägnanten Worten wendet sich Jesus an alle, die zu ihm gekommen sind, um seine Worte zu hören. Jesus wird dargestellt wie ein Weisheitslehrer, der Schüler und interessierte Zuhörer um sich schart. Bei ihm finden die Menschen das, wonach sie sich im Innersten sehnen. Doch es gibt zwei grundlegende Unterschiede zwischen der Lehre Jesu und der anderer Weisheitslehrer.
Weisheitslehrer wie beispielsweise die antiken Philosophen sammelten in ihren Schulen eine Elite von Gelehrten um sich, die durch immer tiefgründigere Gedanken zu immer komplexeren Erkenntnissen gelangen sollten. Vom Denken schloss man damals auf die Natur und erst langsam schlugen die Gelehrten den anderen Weg ein, von Naturbeobachtung zu Erkenntnissen zu gelangen.
Es liegt im Wesen des Menschen, viel wissen zu wollen. In der Geschichte beobachten wir jedoch, dass gerade immer dann, wenn die Menschheit meinte, alles zu wissen, dieses so sicher scheinende Wissen durch neue Entdeckungen plötzlich über den Haufen geworfen wurde. Im Mittelalter meinte man alles Wissen der Welt in einer großen Bibliothek sammeln zu können, man ahnte nichts von fernen Kontinenten, fremden Kulturen oder gar der unendlichen Weite des Universums.
Auch heute sind wir wieder an einem Punkt angelangt, der uns zeigt, dass die Naturwissenschaften, die seit der Aufklärung tonangebend sind, die Welt nicht vollends erklären können und dass es Kräfte gibt, die wir in unserer dreidimensionalen Weltsicht nicht erforschen können. Wir erfahren, dass die Wirklichkeit umfangreicher ist als das, was uns die Naturwissenschaften erklären können.
Doch Jesus will uns nicht solches Wissen über die Welt vermitteln und auch keine Philosophie, die auf tiefgründigen Gedanken beruht. Jesus richtet sich nicht an die Philosophen, sondern gerade an einfache, unmündige Menschen. Ihnen eröffnet er Geheimnisse über Gott, die menschliches Denken allein nicht in der Lage ist zu ergründen. Wenn nämlich schon die Wirklichkeit der Welt weit größer ist, als wir sie mit unserem Wissen erfassen können, um wie viel mehr gilt das dann für die Wirklichkeit Gottes. Von Gott versteht mehr, wer mit demütigem und gläubigem Herzen seine Offenbarung annimmt, als wer ihn mit seinem Verstand zu ergründen sucht.

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Heilige Schrift
Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will. (Mt 11,27)

Ein zweites unterscheidet Jesus grundlegend von anderen Weisheitslehrern. Jesus hat seine Weisheit und Lehre sich nicht wie diese durch Nachdenken erarbeitet, sondern er selbst ist diese Wahrheit und Lehre. Er bringt mit seiner Lehre nicht etwas, das er erworben hat, sondern er bringt sich selbst. Er selbst ist die Wahrheit, von der er spricht und diese Wahrheit hat er von seinem Vater empfangen, mit dem er untrennbar verbunden ist.

Denn dadurch, dass er allein den Vater kennt, deutet er verborgen an, dass er gleichen Wesens mit ihm ist, so als wenn er sagen würde: Was ist es verwunderlich, wenn ich Herr über alles bin, da ich etwas anderes Größeres besitze, nämlich den Vater zu kennen und gleichen Wesens mit ihm zu sein? (Johannes Chrysostomus)

Jesus Christus, der Sohn des Vaters, ist von Ewigkeit her mit dem Vater und dem Heiligen Geist eines Wesens. Er ist gekommen, um die Menschen in die Gemeinschaft zu rufen, in der er mit dem Vater lebt. Sie ist der Ort, an dem wir Ruhe finden, ewiges Leben, das unvergänglich in Gott geborgen ist.

Jesus, in dem die Fülle der Gottheit wohnt, ist unsere Wohnung geworden. Indem er in uns Wohnung nimmt, können auch wir in ihm Wohnung nehmen. Indem er sich in unserem Innersten niederlässt, eröffnet er uns die Möglichkeit, an seiner eigenen Nähe zu Gott teilzuhaben. Indem er uns als seinen bevorzugten Wohnort wählt, lädt er uns ein, ihn als unseren bevorzugten Wohnort zu wählen. Das ist das Geheimnis der Inkarnation, der Menschwerdung Gottes. (Henri Nouwen)
Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. (Mt 11,28)
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Heilige Schrift

Gott offenbart den Menschen, die nach ihm suchen, seine Weisheit, und wofür diese Weisheit gut ist, sagt Jesus uns auch: um den Menschen Ruhe zu verschaffen.
Wir mühen uns ab für Erfolg und Reichtum und ja, es ist wichtig, dass wir uns mühen und für uns und unsere Lieben sorgen. Aber wenn diese Mühe das ganze Leben erfüllt und keine Ruhe mehr da ist, um die Beziehung zu unseren Mitmenschen und die Beziehung zu Gott zu pflegen, dann läuft da etwas schief. Sicher ist es die Gesellschaft, die uns diese Lasten aufbürdet, aber sind es nicht manchmal auch wir selbst, indem wir gar nicht mehr zur Ruhe kommen wollen? Wir machen noch dies und jenes, stopfen die freie Zeit mit Aktivitäten zu, damit ja kein Platz für Ruhe bleibt, damit wir ja nicht erkennen, wie leer wir eigentlich sind in all unserer Aktivität.
Zwei Stellen im Alten Testament helfen uns zu verstehen, was Jesus uns sagen möchte:

So spricht der Herr: Stellt euch an die Wege und haltet Ausschau, fragt nach den Pfaden der Vorzeit, fragt, wo der Weg zum Guten liegt; geht auf ihm, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Sie aber sagten: Wir gehen nicht. (Jer 6,16)
Er hatte zu ihnen gesagt: So findet ihr Ruhe; gönnt doch den Müden die Rast, hier ist der Ort der Erholung. Sie aber wollten nicht hören. (Jes 28,12)

Beim Propheten Jeremia erfahren wir, dass Weisheit eine Voraussetzung für Ruhe ist. Wer nach dem Weg zum Guten sucht, der findet Ruhe. Er erkennt, worauf es wirklich ankommt im Leben und wird dies in die Tat umsetzen. Genau in diese Richtung geht Jesu Wort vom leichten Joch. Jesu Lehre führt uns zur Weisheit und wer nach dieser Weisheit sucht, wird Ruhe finden.
Denken wir einmal darüber nach, was Unruhe in unser Leben bringt. Sind das nicht oft unaufgearbeitete Ereignisse in unserem Leben, Verletzungen, die andere uns zugefügt haben und die wir durch unser Leben tragen, Verletzungen, die wir anderen zugefügt haben, Unfriede, der sich festsetzt, weil wir nicht vergeben können?
Jesu Botschaft der Liebe lehrt uns, wie wir verzeihen können, uns und anderen. Sie lehrt uns, wie wir gut sein können zu anderen. Diese Liebe bringt Heilung, Heilung für unsere Seelen und für die Seelen der Menschen um uns, aber nicht nur für die Seele, sondern auch für den Leib, denn oft sind es ja die seelischen Wunden, die sich dann in körperlichen Krankheiten zeigen.
Gönnen wir uns selbst diese Ruhe und auch anderen, wie es der Prophet Jesaja so deutlich nahe legt. Damals wie heute werden Menschen ausgebeutet, wird ihnen die Ruhe verwehrt, damit für einige wenige ein größerer Gewinn entsteht. Doch wie groß wird der Schaden für alle sein, wenn es dem Menschen genommen wird, sein Grundbedürfnis nach Ruhe und Erholung zu befriedigen?
Die Ruhe, von der Jesus und die Propheten reden, ist eine erfüllte Ruhe, kein Dasitzen in Langeweile, vor dem so viele Angst haben und sich daher in alle möglichen Aktivitäten stürzen. Sie setzt voraus, dass wir etwas mit uns anzufangen wissen, unabhängig von unserer Arbeit und den Menschen um uns herum. Diese Ruhe kann nur finden, wer es auch aushalten kann, auf sich selbst zurückgeworfen zu sein. Sie bedeutet wirkliche Erholung, die Raum gibt für neue Kreativität.
Schauen wir darauf, was in uns ist. Besinnen wir uns auf den Teil, der nach dem Höheren, nach Gott strebt. Schauen wir auf das, worauf hin wir angelegt sind. Streben wir nach dem Höchsten und geben wir uns nicht mit Halbheiten zufrieden. Jeder Mensch hat in sich eine Berufung. Diese gilt es zu leben, ob in der Familie oder in der Arbeitswelt. Sie ist nicht unabhängig von dem Umfeld, in dem wir stehen, aber sie bereichert unsere Umgebung ungemein. Kaum ein Mensch muss seine Familie oder Arbeit verlassen, um diese Berufung zu leben. Aber er muss für sie einen Ort der Ruhe finden, in dem sie entdeckt werden und immer mehr wachsen kann.

Wir müssen Gott finden, und wir können ihn nicht finden in Unruhe und Lärm.
Gott ist der Freund der Stille.
Schau auf die Natur - Bäume, Blumen, Gras - all das wächst in Stille. Schau auf die Sterne, den Mond und die Sonne, wie sie sich in Stille bewegen ...
Wir brauchen Stille, um Seelen berühren zu können.
(Mutter Teresa)
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Heilige Schrift
Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht. (Mt 11,29-30)

Wir haben gesagt, dass Jesus nicht irgendeine Weisheit verkündet, sondern er bringt sich selbst zu den Menschen. Er ist die Weisheit und die Wahrheit. Wer von ihm lernt, der lernt daher nicht kluge Weisheitssprüche, sondern lernt, wie Jesus zu sein. Von Jesus lernen heißt, Jesus in sich selbst Gestalt werden zu lassen, in der eigenen Person Jesu Leben durchscheinen zu lassen.
Ein Jünger Jesu sein heißt, sich von ihm einspannen zu lassen, sein Joch auf sich zu nehmen, wie Jesus selbst sagt. Im Alltag zu Zeit Jesu und bis in die Neuzeit hinein spannte man Ochsen in ein Joch, was es ermöglichte, ihre Kraft für eine sinnvolle Arbeit in der Landwirtschaft umzusetzen. Unter dem Joch Jesu können wir unsere Kraft für den Dienst am Herrn umsetzen.
Unter dem Joch Jesu zu leben ist kein stumpfes und mühevolles Arbeiten, wie es die Ochsen erfahren. Jesu Joch ist leicht. Wer sich von ihm einspannen lässt, der lässt sich lenken auf den Weg, der zum Leben führt, der tritt in die Nachfolge Jesu, die frei und glücklich macht und sein Geist kann ruhen in der Freude am Herrn.

Jesus, sanft und demütig von Herzen,
bilde mein Herz nach Deinem Herzen.

Du kennst meine Fragen, meine Zweifel,
meine Schwächen und auch meine Stärken.
Du kennst mein Mühen und mein Ringen,
mein Versagen und auch meinen Sieg.
Immer sind deine Arme offen,
mich zu umfangen und zu trösten,
mich zu stärken und auch
um Dich mit mir zu freuen.

Jesus, ich danke Dir dafür.

Jesus, sanft und demütig von Herzen,
bilde mein Herz nach Deinem Herzen,
und lass mich an Deinem Herzen
immer sicher ruhen. Amen