Matthäus 4,12-25

Erstes Auftreten Jesu

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Jesaja
Als Jesus hörte, dass man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, zog er sich nach Galiläa zurück. Er verließ Nazaret, um in Kafarnaum zu wohnen, das am See liegt, im Gebiet von Sebulon und Naftali. Denn es sollte sich erfüllen, was durch den Propheten Jesaja gesagt worden ist:
Das Land Sebulon und das Land Naftali, die Straße am Meer, das Gebiet jenseits des Jordan, das heidnische Galiläa: das Volk, das im Dunkel lebte, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen. (Mt 4,12-16)

Die Rettung Israels beginnt nach der Verheißung des Jesaja im Norden, in dem Teil, der bereits von den Assyrern erobert wurde, als der Süden mit dem Reich Juda und der Hauptstadt Jerusalem noch weiter bestand. Der Norden war von Jerusalem aus gesehen stets Hinterland. Land der Heiden. Kann von dort etwas Gutes kommen - so fragt Natanael im Johannesevangelium (Joh 2,46). Zu diesem Gebiet der Stämme Sebulon und Naftali gehört auch das Hochland von Galiläa und die Gegend um den See Gennesaret, die den Schwerpunkt des Wirkens Jesu bilden. Nicht im Zentrum, sondern im nördlichsten Teil Israels tritt der Messias zuerst auf. Das Licht kommt vom Norden her über das Land. Nur Gott kann solche Wunder wirken.
In der Adventszeit haben wir es ersehnt, an Weihnachten und Epiphanie haben wir sein Aufleuchten gefeiert. Christus ist das Licht, das in die Welt gekommen ist, um allen Menschen zu leuchten. Damit sind wir von Jesaja zu Matthäus gelangt. Er zeigt uns, wie mit dem Auftreten Jesu Gottes Licht in die Welt gekommen ist und dass sich so die Verheißung des Propheten Jesaja erfüllt.
Zunächst aber hören wir bei Matthäus von etwas ganz Trivialem. Jesus zieht um, und zwar von Nazaret nach Kafarnaum.
Bei Lukas mussten Maria und Josef, die in Nazaret wohnten, wegen der Volkszählung des Kaisers Augustus nach Betlehem reisen, damit so in Erfüllung gehen sollte, dass Gottes Sohn in Betlehem geboren wird. Nach Matthäus lebten Maria und Josef in Betlehem und mussten von dort wegen der Nachstellungen des Herodes fliehen. Aus Sorge um das Kind und seine Mutter zog Josef mit ihnen zunächst nach Ägypten und ließ sich dann in Nazaret nieder.
Nun zieht Jesus noch einmal um und zwar von Nazaret, das im Hochland Galiläas liegt, nach Kafarnaum am See Gennesaret. Wir werden später bei Matthäus noch öfter hören, dass Jesus, wenn er gerade in Kafarnaum ist, von zu Hause kommt, oder nach Hause geht. Jesus hat also so etwas wie einen festen Wohnsitz, auch wenn es wohl nur ein einfaches Haus war.

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Umkehr
Von da an begann Jesus zu verkünden: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe. (Mt 4,17)

Am Anfang des Wirkens Jesu steht der Ruf zur Umkehr. Dieser Ruf ist wie ein Zeichen. Halt inne. Stopp. So kann es nicht weiter gehen. Gib deinem Leben eine andere Richtung. Schau auf das, was wirklich zählt. Alles, was nun im Evangelium folgt, wird uns zeigen, wie dieser neue Weg, den Jesus uns weist, aussieht.

Umkehr.
Ich laufe. Immer geradeaus. Vielleicht auch im Kreis. Mir passieren immer wieder die gleichen Fehler, ich tappe immer wieder in dieselben Fettnäpfchen. Was habe ich schon alles versucht. Es hat sich nichts geändert.
Umkehr? Wohin? Gibt es einen Weg zurück aus Scheitern, Hass und Verletzung? Gibt es einen Weg, der Wunden heilt und Unrecht verzeiht? Gibt es einen Weg heraus aus der Abhängigkeit, in die ich mich verstrickt habe?
Es gibt immer einen Ausweg. Umkehr ist immer möglich. Gott reicht uns die Hand und hebt uns über die Mauer am Ende unserer Sackgasse, über die Gräben, die sich zwischen Menschen aufgetan haben.
Aber Umkehr ist kein billiges "das passt dann schon wieder". Umkehr ist radikal. Ich muss dazu bereit sein, einen neuen Schritt zu tun - an Gottes Hand. Einen Schritt ins Ungewisse, aber gehalten von der Zuversicht, dass Gott mir stets mehr geben wird, als ich mir zu wünschen wage.
Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder, Simon, genannt Petrus, und seinen Bruder Andreas; sie warfen ihre Netze in den See, denn sie waren Fischer.
Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm.
Als er weiterging, sah er zwei andere Brüder, Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren mit ihrem Vater Zebedäus im Boot und richteten ihre Netze her. Er rief sie, und sogleich verließen sie das Boot und ihren Vater und folgten Jesus. (Mt 4,18-22)
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Berufung

Bei Kafarnaum, am See von Galiläa, dem See Gennesaret, beruft Jesus seine ersten Jünger. Auch dadurch zeigt sich der Aufgang des neuen Lichtes, denn in der Jüngerberufung zeigt sich Jesus als der Sohn Gottes. Er beruft seine Jünger, wie Gott selbst im Alten Testament die Propheten berufen hat.

Kommt her, folgt mir nach!

Sogleich lassen sie alles zurück und folgen Jesus. Sie haben erkannt, dass alles, was sie bisher hatten, nichts war im Vergleich zu dem, was Jesus ihnen schenken wird. Im Verzicht auf das, was ihnen bisher wichtig war, geben sie dem Licht in ihrem Leben Raum.

Bei der Berufung der Fischer wird durch deren Beruf das Werk ihres künftigen Dienstes kundgetan. Wie die Fische aus dem Meer, so sollen in der Folge die Menschen aus der Welt in einen erhabeneren Ort, das heißt in das Licht der himmlischen Wohnung, hervorgezogen werden. Durch sie, die ihren Beruf, ihre Heimat und ihre Wohnungen verließen, werden wir belehrt, dass wir uns, wenn wir Christus nachfolgen wollen, weder durch die Sorge um das zeitliche Leben, noch durch die Anhänglichkeit an das väterliche Haus zurückhalten lassen dürfen. (Hilarius von Poitiers)

Wenn wir die Berufung der Jünger betrachten, so sollten wir ins Staunen kommen. Wenn wir aus heutiger Sicht zurückblicken, dann erscheint uns alles vielleicht ganz einfach, dass sie alles verlassen haben und Jesus so ohne weiteres gefolgt sind. Wir hätten das genauso gemacht, denken wir. Klar, wenn Jesus kommt und ruft, lässt man alles stehen und liegen.
Wirklich? Kommt nicht auch Jesus zu uns und ruft uns? Ist es nicht immer eine Herausforderung, wenn Jesus ruft? Und was wussten die Fischer am See von Galiläa damals von Jesus? So gut wie nichts. Wir wissen, was die Jünger alles mit Jesus erlebt haben. Wir wissen, dass ihr Vertrauen auf Jesus nicht enttäuscht wurde. Aber damals war der Ruf Jesu ein Ruf ins Ungewisse. Johannes Chrysostomus schreibt:

Nun, gerade deswegen bewundere ich sie am meisten, weil sie an eine so große Verheißung glaubten, noch ehe sie irgendein Wunderzeichen von ihm gesehen hatten, und alles andere diesem Gehorsam nachsetzten.
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Berufung

Die Szene der Berufung von Petrus und Andreas finde ich sehr schön dargestellt auf dem Bild von Giusto de' Menabuoi. In einer Predigt am Festtag des hl. Andreas spricht Gregor der Große davon, was es bedeutet, alles zu verlassen, um Jesus nachzufolgen:

Manch einer mag denken, was haben denn diese Fischer aufgegeben, die so gut wie nichts besaßen? ... Viel hat verlassen, wer nichts für sich zurückbehielt, viel verließ, wer alles aufgab, mag es auch noch so wenig sein.
Ohne Zweifel besitzen wir unsere Habe mit Liebe, und was wir nicht haben, verlangen wir voller Leidenschaft. Viel haben also Petrus und Andreas verlassen, als beide sogar das Verlangen aufgaben, etwas ihr Eigen zu nennen. Viel hat verlassen, wer zusammen mit dem Besitz auch auf die Begierden verzichtet. Von denen, die nachfolgten, wurde also so viel verlassen, wie von denen, die nicht nachfolgten, begehrt werden konnte.
Niemand möge also zu sich sagen, auch wenn er sieht, wie einige viel aufgegeben haben: Ich will diese Weltverächter schon nachahmen, doch habe ich nichts, was ich aufgeben könnte. Viel gibt der auf, der auf irdisches Verlangen verzichtet. Denn unsere noch so geringen äußeren Gaben genügen dem Herrn. Er schaut nämlich auf das Herz, nicht auf die Sache; auch erwägt er nicht, wie viel ihm zum Opfer gebracht wird, sondern aus welcher Gesinnung heraus.
Denn wenn wir die äußere Sache erwägen: Seht, wie unsere heiligen Händler das ewige Leben der Engel um den Preis ihrer Netze und ihres Bootes erworben haben. Es gibt zwar keinen festen Preisanschlag, doch kostet das Reich Gottes so viel, wie du besitzt. Es kostete nämlich Zachäus die Hälfte seines Vermögens ... Petrus und Andreas den Verzicht auf Netz und Boot ... die Witwe zwei kleine Münzen ... einem anderen einen Becher kühlen Wassers. Bedenkt also, ob es etwas für einen geringeren Preis zu kaufen, etwas Kostbareres zu besitzen gibt.

Blicken wir auf uns. Wir haben so viele Beweise dafür, in den Jüngern, in den Heiligen, vielleicht auch in Menschen aus unserer Umgebung heute, dass Jesus die nicht im Stich lässt, die ihm folgen. Und doch halten wir so vieles für uns zurück, sind nicht bereit, aufzustehen, und alles liegen zu lassen, folgen dem Ruf Jesu nur halbherzig. Was macht es uns so schwer, Jesus zu vertrauen?
Das Reich Gottes beginnt damit, dass ein Mensch - vom Ruf des Herrn getroffen - in die Nachfolge eintritt. Und diese Nachfolge erwächst aus einer persönlichen Beziehung zu Jesus Christus. Wie wichtig sind auch in unserer Zeit solche Menschen, die Jesus folgen. Sie sind die Lichtbringer unserer Zeit.
Herr, schenke auch unserer Zeit Menschen, die sich ganz in deine Nachfolge stellen und die dein Licht in unserer finsteren Welt leuchten lassen. Mache auch mich zu einem solchen Menschen.

Er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden. Und sein Ruf verbreitete sich in ganz Syrien. Man brachte Kranke mit den verschiedensten Gebrechen und Leiden zu ihm, Besessene, Mondsüchtige und Gelähmte, und er heilte sie alle. Scharen von Menschen aus Galiläa, der Dekapolis, aus Jerusalem und Judäa und aus dem Gebiet jenseits des Jordan folgten ihm. (Mt 4,23-25)

So fasst Matthäus das Auftreten Jesu zusammen. Wenn die Menschen umkehren zu Jesus und von der Finsternis zum Licht kommen, dann wird es hell in der Welt. Dann werden Krankheiten und Leiden geheilt. Die Menschen spüren etwas von dem Licht, das von Jesus ausgeht und das durch ihn und seine Jünger in die Welt hinein leuchtet.