Markus 9,1-13

Die Verklärung Jesu

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Markus
Und er sagte zu ihnen: Amen, ich sage euch: Unter denen, die hier stehen, gibt es einige, die werden bestimmt den Tod nicht schmecken, bis sie gesehen haben, dass das Reich Gottes in Macht gekommen ist. (Mk 9,1)

Die Einleitung mit "Amen, ich sage euch" macht deutlich, dass Jesus hier etwas Gewichtiges zu sagen hat, etwas, das bestimmt eintrifft. Man hat versucht, diesen Satz auf die damalige Naherwartung der Wiederkunft Christi zu beziehen. Einige würden die Wiederkunft des Menschensohnes zum Gericht noch erleben. Aber das ist eben nicht eingetroffen und somit wäre es sicher falsch, diesen gewichtigen Satz Jesu auf eine unerfüllte Erwartung zu beziehen.
Bei Markus steht der Satz direkt zwischen der Jüngerbelehrung und der Verklärung Jesu. Somit ist es nicht abwegig, diesen Satz darauf zu beziehen, dass einige bei der Verklärung Jesu das sehen dürfen, was anderen Menschen auf Erden verborgen bleibt.

Und nach sechs Tagen nahm er Petrus und Jakobus und Johannes und führt sie hinauf auf einen hohen Berg, sie ganz allein. (Mk 9,2a)

Die Zeitangabe nach sechs Tagen bezieht sich auf das Messiasbekenntnis des Petrus. Die Verklärung Jesu steht also in einem engen Bezug zu diesem Ereignis. Die Zeitspanne nach sechs Tagen weist hin auf den siebten Tag, an dem Gott etwas Bedeutsames wirkt. Zudem steht der Bericht von der Verklärung Jesu in engem Zusammenhang zum Bundesschluss am Sinai. Wie Mose so nimmt auch Jesus seine wichtigsten Anhänger mit auf den Berg. Auf dem Sinai sprach Gott nach sechs Tagen, also am siebten Tag zu Mose. Jesus gewährt seinen drei bedeutendsten Jüngern, Petrus, Jakobus und Johannes, die sich allesamt dadurch auszeichnen, dass Jesus ihnen einen Beinamen (Petrus und die Donnersöhne) verliehen hat, am siebten Tag einen Blick auf seine himmlische Herrlichkeit, die den Menschen sonst verborgen, für Jesus aber genau so real ist wie sein irdisches Dasein.

Und er wurde vor ihren Augen verwandelt. Und seine Gewänder wurden glänzend weiß, wie sie kein Tuchwalker auf Erden so weiß machen kann. (Mk 9,2b-3)

Am Sinai straht das Antlitz des Mose den Glanz Gottes wider, so dass er sein Gesicht verhüllen muss, als er wieder unter die Menschen geht. Jesus strahlt von sich aus. Hier wird die bildliche Aussage, dass Jesus das Licht der Welt ist, real. Dem Evangelisten fehlen die Worte, den Glanz dieses Lichtes zu beschreiben, denn es ist ein Licht, das nicht von dieser Welt ist, das himmlische Licht, dessen Glanz alles irdische Leuchten überstrahlt. So dürfen die drei Apostel Jesus sehen, wie er ist. Diese Schau Gottes ist das Verlangen und Ziel der Menschen, wie es auch im Ersten Johannesbrief heißt (1Joh 3,2). Sie zu erlangen ist mehr wert als aller irdische Besitz. Seinen Getreuen wird Christus sie dereinst gewähren wenn er wiederkommt auf Erden in diesem Glanz und nicht mehr in irdischer Gestalt.
Dieser Glanz Jesu ist unwandelbar und ewig und doch hat er durch sein Erdenleben eine Veränderung erfahren. Bislang ist Jesus noch nicht durch das Leiden und den Tod hindurch gegangen. Nach seiner Auferstehung werden die Wundmale untrennbar zu diesem himmlischen Glanz gehören. Sie nimmt er von der Erde mit in seine himmlische Herrlichkeit als Zeichen unserer Erlösung.

Und es erschien ihnen Elija mit Mose, und sie redeten mit Jesus. (Mk 9,4)

Lukas wird hinzufügen, dass sie mit Jesus über seinen Leidensweg geredet haben. Mose und Elija sind die beiden großen Repräsentanten des Jüdischen Volkes. Über Mose, den Mittler des Gesetzes, sagt Jesus selbst, dass er mehr ist als Mose. Zwar wird er von dem Gesetz des Mose keinen Strich wegstreichen, aber dennoch lehrt Jesus, wie das Gesetz des Mose in Wahrheit zu erfüllen ist. Dass Mose hier vor Jesus erscheint, zeigt, dass Jesus zurecht der wahre Ausleger der Tora ist. Elija ist der große Prophet, der in den Himmel entrückt wurde und dessen Wiederkunft vor dem Auftreten des Messias erwartet wurde. Was es damit auf sich hat, darüber werden die drei mit Jesus beim Abstieg vom Berg reden.
Die Jünger sind durch die Erscheinung verwirrt und ihr Verhalten zeigt, dass sie immer noch nicht verstanden haben. Diese Vorstellung hatte Petrus nicht, als er sechs Tage zuvor sein Bekenntnis zu Christus abgelegt hat.

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Markus
Und Petrus antwortete und sagte zu Jesus: Rabbi, es ist gut, dass wir hier sind. Und wir wollen drei Hütten bauen, für dich eine und für Mose eine und für Elija eine! Er wusste nämlich nicht, was er antwortete, denn sie waren in große Furcht geraten. (Mk 9,5-6)

Der Einfall des Petrus, Hütten zu bauen, unterstützt die Deutung einiger Exegeten, dass die Verklärung Jesu am Endtag des Laubhüttenfestes nach der sechstägigen Festwoche stattgefunden hat. Die sechs Tage zwischen dem Christusbekenntnis des Petrus und der Verklärung wären demnach mit der Festwoche indentisch.
Das Laubhüttenfest ist zunächst aus einem Erntefest entstanden. Darüber hinaus soll es aber auch an die Zeit der Wüstenwanderung erinnern, als Israel nicht in festen Häusern wohnte. Es ist jüdischer Brauch, während des Laubhüttenfestes in selbstgebauten Hütten (Sukkot) zu wohnen, durch deren Dach aus Zweigen man die Sterne in der Nacht sehen kann. In einem übertragenen Sinn sind diese Laubhütten nicht nur als ein Gedächtnis an den Schutz Gottes beim Auszug aus der Wüste zu sehen, sondern sie weisen auch hin auf die göttlichen Zelte, in denen die Gerechten der kommenden Weltzeit wohnen werden.
In der Verklärung Jesu wird diese andere Welt Gottes schon auf Erden Wirklichkeit. Die drei Apostel bekommen einen Geschmack davon, wie es sein wird, die Gegenwart Gottes ewig zu kosten. Daher verwundert es nicht, dass Petrus dieses Erlebnis festhalten möchte. Gott soll für immer unter den Menschen seine Herrlichkeit zeigen. Doch dafür ist die Zeit noch nicht da. Noch gilt es, sich auf Erden zu mühen, bevor das selige Schauen im Himmel Wirklichkeit wird. Daher verwandelt sich Jesus auch wieder in seine irdische Gestalt zurück. Doch vorher wird der Vater aus dem Himmel zu den Aposteln sprechen.

Johannes von Damaskus sagt:

Es ist nicht gut für dich, Petrus, dass Christus dort bleibt, denn wenn er bliebe, würde sich die Verheißung, die er dir gab, nie erfüllen. Du würdest nie die Schlüssel des Reiches erhalten, noch würde die Tyrannei des Todes zerstört werden. Erstrebe also nicht vor der Zeit die Glückseligkeit. Es wird eine Zeit kommen, in der du den Anblick der Herrlichkeit unaufhörlich wahrnimmst, und du wirst bei dem wohnen, der Licht und Leben ist.
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Markus
Und es geschah, dass eine Wolke sie überschattete. Und aus der Wolke erklang eine Stimme: Dieser ist mein geliebter Sohn, hört auf ihn! Und als sie umherblickten, sahen sie plötzlich überhaupt niemanden mehr, sondern nur Jesus allein bei ihnen. (Mk 9,7-8(

Die Wolke kündigt eine Gotteserscheinung an. Sie bedeutet die "Überschattung des göttlichen Geistes, die dem Menschenherzen nicht dunkelt, sondern Verborgenes offenbart." (Ambrosius von Mailand) Es ist dieselbe Stimme, die Jesus schon bei der Taufe als Sohn Gottes offenbart hat. Wie die Taufe Jesu, so ist auch die Verklärung ein zutiefst trinitarisches Geschehen. Beda Venerabilis sagt dazu:

Beachte, dass sowohl bei der Taufe des Herrn im Jordan wie auch bei seiner Verklärung auf dem Berg das Geheimnis der gesamten Dreieinigkeit verkündet wird. Denn seine Herrlichkeit, die wir bei der Taufe bekennen, werden wir bei der Auferstehung sehen. Nicht umsonst erscheint der Heilige Geist hier in einer Wolke, dort in einer Taube; denn wer jetzt in der Einfachheit des Herzens den Glauben, den er dort empfangen hat, bewahrt, der wird dann im Licht der unverstellten Sicht schauen, was er vorher geglaubt hat.

Im Hören auf Jesu Wort bleibt Gottes Gegenwart unter uns lebendig. Überall, wo Menschen auf Jesu Wort hören und es erfüllen, bricht Gottes Licht in unsere Zeit. Das ist das Geheimnis der Verklärung des Herrn. Zwar ist es nur ein kurzer Augenblick, in dem Jesus sich den Aposteln in seiner Herrlichkeit zeigt, doch nach seiner Auferstehung kehrt Jesus zurück in die Herrlichkeit des Vaters und bleibt uns doch allezeit nahe.
Diese Fastenzeit soll uns helfen, unsere Ohren zu öffnen für das, was Gott uns sagen will und so zu Boten des Lichtes zu werden in dieser Welt.

Und als sie vom Berg herabstiegen, gebot er ihnen, niemandem zu erzählen, was sie gesehen hatten, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist. Und sie hielten das Wort fest und erwogen untereinander, was das sei: von den Toten auferstehen. (Mk 9,9-10)

Ausdrücklich schärft Jesus den drei Jüngern ein, jetzt noch nicht davon zu erzählen, was sie gerade erlebt haben. Es wäre ja nur zu verständlich, wenn sie sogleich den anderen erzählen würden, wie sie Jesus gerade gesehen haben. Doch das würden die Jünger jetzt noch nicht verstehen. Was die Verklärung bedeutet, wird erst erkennbar, wenn der Menschensohn seinen Weg auf Erden zu Ende gegangen ist, durch Leiden und Tod hindurch zur Auferstehung. Auch das wird noch etwas sein, das den Jüngern zu lernen bevorsteht, was das ist, von den Toten auferstehen. Wir kennen die Szenen, als die Jünger ängstlich hinter verschlossenen Türen sitzen und nicht wissen, wie es nach Jesu Tod weitergehen soll, dann die Frauen plötzlich die Botschaft der Engel am leeren Grab vernehmen, zu den anderen eilen und ihnen mitteilen, dass Jesus auferstanden ist. Erst, als sie ihn selbst sehen, verstehen sie langsam, tastend wie Thomas, was Auferstehung bedeutet. Daher bekommen sie jetzt keine Antwort von Jesus. Er weiß: sie werden es bald selbst sehen.
Eine andere Frage brennt den Jüngern noch auf der Zunge. Wie ist das mit Elija.

Und sie fragten ihn und sagten: Warum sagen die Schriftgelehrten, dass Elija zuerst kommen muss? Er aber sagte ihnen: Elija kommt zuerst und stellt alles wieder her. Und warum ist geschrieben über den Menschensohn, dass er vieles erleidet und verachtet wird? Aber ich sage euch: Elija ist gekommen und sie haben mit ihm gemacht, was sie wollten, wie über ihn geschrieben steht. (Mk 9,11-13)

Die Apostel machen sich zum Sprachrohr der jüdischen Tradition. Sicher haben sie es schon so als Kinder gelernt. Elija wurde im Feuerwagen in den Himmel entrückt. Er ist nicht gestorben. Er wird wiederkommen und wenn er alles wieder hergestellt hat, dann ist das Volk bereit für den Messias.
Jesus antwortet ihnen mit einer Gegenfrage. Die Tradition hat zwar recht, wenn sie Elija als den Vorläufer des Messias erwartet, aber sie macht sich eine falsche Vorstellung davon, wie das Kommen des Elija aussehen wird. Denn wenn er alles in die rechte Ordnung gebracht hat, dann bräuchte der Messias ja nur noch zu kommen und sein Volk heimzuführen. Für Jesus bedeutet Messiassein aber Leiden und Sterben, vom Volk verachtet und verkannt werden. Wie kann das geschehen? Doch nur dadurch, dass das Volk vorher schon Elija verkannt hat. Das Volk ist nicht bereit, sich von Gott heimholen zu lassen. Es verachtet die Boten Gottes. Daher konnte Elija nicht alles wieder herstellen. Er war den selben Verachtungen ausgesetzt, die auch der Messias zu leiden hat. Auch er wurde vom eigenen Volk hingerichtet, wie es dem Messias bevorsteht. Wenn es Jesus auch nicht explizit erwähnt, so lässt sich doch aus seinen Worten schließen, dass er Johannes den Täufer für Elija hält, der wieder gekommen ist, mit dem sie aber gemacht hatten, was sie wollten.
Alles ereignet sich anders, als es sich die Menschen vorstellen. Sie halten an ihren eigenen Vorstellungen fest und sind daher nicht bereit, Gott wirken zu lassen, der anders ist, als sie ihn sich vorstellen. Die Menschen machen das, was sie wollen und sind nicht bereit, den Willen Gottes zu tun. Gerade das will Jesus seine Jünger lehren, dass sie erkennen, wer der Menschensohn wirklich ist, dass sie sein Wort halten und so den Willen Gottes tun.
Dazu bedarf es des Glaubens und des Gebetes, das die Menschen mit Gott verbindet. Dass die Jünger darin immer noch schwach sind, zeigt die Szene, in die Jesus direkt nach seinem Abstieg vom Berg gerät.