Markus 2,18-22

Frage nach d. Fasten

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Markus
Die Jünger des Johannes und die Pharisäer fasteten gerade. Und sie kommen und sagen zu ihm:
Warum fasten die Jünger des Johannes und die Jünger der Pharisäer, deine Jünger aber fasten nicht? (Mk 2,18)

Gemeinsame öffentliche Fasttage und Fastenzeiten finden sich in vielen Religionen. Es handelt sich dabei um einen Verzicht, insbesondere den Verzicht auf Essen, für eine gewisse Zeit. Die Motivation für das Fasten kann sehr unterschiedlich sein. Verbreitet sind zum Beispiel das Bußfasten, das Trauerfasten oder das Reinigungsfasten.
Von Johannes dem Täufer her kennt man ein strenges Bußfasten. Die Umkehr und das neue Leben gemäß dem Gesetz Gottes zeigt sich bei ihm in einem enthaltsamen Leben. Johannes selbst lebt dies vor, indem er in der Wüste nur von karger Nahrung lebt. Auch seine Jünger werden dieses strenge Fasten praktiziert haben und auch von Jesus lesen wir ja, dass er nach der Taufe durch Johannes in die Wüste gegangen ist und dort vierzig Tage ohne Nahrung gelebt hat.
Die Pharisäer fasteten Montags und Donnerstags. Da zusätzlich zum Verzicht auf Nahrung teilweise auch äußerliche Rituale wie besondere Gebete, das Bestreuen mit Asche und der Verzicht auf Körperpflege zum Fasten gehörten, waren Menschen, die fasteten deutlich zu erkennen.
Den Menschen zur Zeit Jesu war also das Fasten vertraut. Es stößt daher auf Verwunderung, dass sich bei Jesus und seinen Jüngern ein solcher Brauch nicht findet.
Jesus hat sich für einen anderen Weg entschieden. Er fordert seine Jünger nicht zu strengem Fasten auf. Die Bekehrung von Menschen wird oft (wie wir es auch im vorhergehenden Abschnitt bei Levi gesehen haben) mit einem Festmahl gefeiert. Immer wieder erfahren wir, dass er bei reichen Leuten zu Gast war und dort zu Tisch geladen wurde. In seinen Gleichnissen vergleicht Jesus das Reich Gottes mit einem königlichen Festmahl oder Hochzeitsmahl und im Johannesevangelium ist das erste Wunder Jesu die Verwandlung von Wasser zu Wein bei einer Hochzeit. Was für ein Unterschied zum streng asketischen Leben des Täufers. Wir hören daher an mehreren Stellen, dass Jesus von seinen Gegnern als "Fresser und Säufer" verleumdet wurde.
Also kein Fasten sondern Feiern bei Jesus? Das Nichtpraktizieren eines öffentlichen Fasttages hat bei Jesus nichts mit einer grundsätzlichen Ablehnung des Fastens zu tun. Für ihn ist es vielmehr wichtig, dass alles zur richtigen Zeit und vor allem auch aus innerer Überzeugung heraus geschieht. Wir kennen die harten Worte Jesu gegen die Heuchler, die ihr Fasten öffentlich zur Schau stellen (vgl. Mt 6,16f).
Die Jünger Jesu sollen im Verborgenen fasten. Jesus selbst hat zu Beginn seines Wirkens vierzig Tage in der Wüste gefastet. Diese Zeit war von enormer Wichtigkeit für sein späteres Auftreten. Auch später erfahren wir, dass Jesus sich immer wieder in die Einsamkeit zurück gezogen hat um zu beten - auch dies waren sicherlich Zeiten des Fastens für ihn.
Bei seinem Wirken unter den Menschen ist für Jesus aber das Fasten fehl am Platz. Hier sollen die Menschen erkennen, dass Gott sie alle einlädt zur Feier des himmlischen Hochzeitsmahles. Das Auftreten Jesu ist ein Fest für die Menschen, die Heilung finden und Trost und die Vergebung der Sünden erfahren. Ihre Trauer verwandelt sich in Freude. Das ist nicht die Zeit, um zu Fasten.
Die Menschen aber verstehen es nicht, die Zeiten in rechter Weise zu unterscheiden. Sie schaffen es nicht, die äußeren Traditionen zu durchbrechen für etwas, das Wichtiger ist als diese. Sie erkennen die Zeichen der Zeit nicht und sind nicht sensibel für das, was vor ihren Augen geschieht. Ihnen kann man es nicht recht machen und sie wissen immer alles besser. "Wir haben euch Hochzeitslieder gespielt, und ihr habt nicht getanzt", sagt Jesus über sie. Aber auch dies: "Wir haben euch Klagelieder gespielt, und ihr habt nicht geweint". Sie leben entweder im grauen Einerlei der Tage ohne Sinn für Freude, ohne Sinn für Trauer, oder sie reagieren verkehrt: sie weinen, wo sie tanzen sollten und sind fröhlich, wo sie klagen sollten.

Und Jesus sagte ihnen: Können etwa die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist?
Solange sie den Bräutigam bei sich haben, können sie nicht fasten. Es werden aber Tage kommen, da der Bräutigam von ihnen hinweggenommen wird.
Und dann, an jenem Tag, werden sie fasten. (Mk 2,19-20)

Das Bild Jesu ist für alle verständlich. Solange eine Hochzeit gefeiert wird, ist nicht die Zeit, um zu fasten. Trauer und Fasten gehören in die Zeit des Wartens auf das Heil. Während der Hochzeit aber sind die Menschen sind dazu aufgerufen, fröhlich zu sein. Jesus nimmt die Verantwortung dafür auf sich, dass seine Jünger nicht fasten. Jesus sieht sich selbst als der Bräutigam. Mit ihm ist die Zeit des Heiles gekommen. In ihm ist Gott in der Welt anwesend und feiert mit den Menschen das Fest der Freude, das seine Vollendung finden wird im himmlischen Mahl.
Das Fasten gilt als ausgesetzt, solange Jesus unter den Menschen ist. In der Zeit danach wird es anders aussehen, wenn die Jünger durch Jesu Tod wieder jäh in den Zustand der Wartenden zurückgeworfen werden. Und so ist es auch für uns Christen heute: im Warten, in der Vorbereitung auf die österliche Zeit der Gegenwart des Bräutigams, da fasten wir, jedes Jahr erneut.
Mit Jesus ist die Freude gekommen, die messianische Zeit ist eine hochzeitliche Zeit, in der wir mit dem Bräutigam feiern dürfen. Das Schauen auf Christus, den Bräutigam, erfüllt uns mit Freude. Jesus bringt Neues, Jesu Kommen und Jesu Gegenwart bringt uns eine neue Zeit. So muss auch unser Fasten anders sein als das der Pharisäer. Wir wissen um Jesu Gegenwart in der Welt. Wir wissen, dass wir Gottes Kinder sind und doch handeln wir nicht immer danach. Wir müssen immer wieder neu umkehren in die liebenden Arme des Vaters.

Und dann, an jenem Tag, werden sie fasten. (Mk 2,20b)

Jesus ist an einem Freitag gestorben. Der Karfreitag wurde sehr früh bei den Christen zu einem Tag der Trauer und des mitleidenden Fastens. Für ihn galten die Worte Jesu "an jenem Tag werden sie fasten" (Mt 9,15; Mk 2,20; Lk 5,34f). Das Fasten bezog sich auch auf den Karsamstag als Tag der Grabesruhe Jesu. Die ältesten Zeugnisse für ein Fasten an diesen beiden Tagen reichen bis ins 2. Jahrhundert zurück. Es handelte sich dabei um ein Vollfasten, das die vollständige Enthaltung von Speise und Trank an diesen beiden Tagen bedeutete. Bis heute ist der Karfreitag ein streng gebotener Fasten- und Abstinenztag.
Ausgehend vom Fasten am Karfreitag entwickelte sich der bereits um das Jahr 100 bezeugte Brauch, an allen Freitagen des Jahres zu fasten. Hinzu kam das Fasten am Mittwoch als Tag des Verrats Jesu durch Judas. Belegt ist auch die frühe Herausbildung einer vierzigtägigen Fastenzeit. Für das 3. Jahrhundert gibt es Zeugnisse für die Ausdehnung des Karfreitagsfastens auf die gesamte Karwoche und bereits das Konzil von Nikaia (325) spricht wie selbstverständlich von der "quadragesima paschae", also einer vierzigtägigen Vorbereitungszeit auf Ostern.
Die Zahl 40 hat einen hohen symbolischen Wert. Jesus selbst hat 40 Tage in der Wüste gefastet, Mose fastete 40 Tage auf dem Sinai (Ex 34,28) und Elija wanderte 40 Tage fastend zum Horeb (1Kön 10,8), um nur einige Beispiele zu nennen.
Zunächst erstreckte sich die Fastenzeit vom sechsten Sonntag vor Ostern bis zum Gründonnerstag (5 x 7 Tage + 5 Tage = 40 Tage). Da man an Sonntagen nicht fastete, jedoch an der Zahl der 40 Fasttage festhalten wollte, rechnete man zunächst den Karfreitag und den Karsamstag zu den Fasttagen hinzu. So kam man auf 36 Fasttage (6 x 6 Tage). Die vier fehlenden Tage wurden durch die Vorverlegung des Beginns des Fastens vom Ersten Fastensonntag auf den Aschermittwoch erreicht (4 Tage + 6 x 6 Tage = 40 Tage). Diese Entwicklung vollzog sich im 5. Jahrhundert.
Im 6. Jahrhundert wurde zusätzlich noch durch die Ausweitung der Fastenzeit auf die drei Sonntage vor dem 1. Fastensonntag eine Vorfastenzeit geschaffen. Diese wurde im Jahr 1969 mit der Neuordnung des Kirchenjahres abgeschafft. Für die Entstehung der Vorfastenzeit im Westen könnte die Praxis der Ostkirche ursächlich gewesen sein. Im Osten galten neben den Sonntagen auch die Samstage nicht als Fasttage, weshalb man eine achtwöchige Zeit brauchte, um auf 40 Fasttage zu kommen (8 x 5 Tage).
Das ursprüngliche vierzigtägige Fasten bestand darin, dass man sich mit einer Mahlzeit pro Tag begnügte, die am Abend eingenommen wurde. Hinzu kam der Verzicht auf Fleischspeisen und Wein, teilweise auch auf weitere tierische Produkte (Milch, Butter, Käse, Eier). Ab dem Hochmittelalter zeigt sich eine fortlaufende Milderung der Fastenpraxis. Seit alters her war mit dem Fasten auch die innere Umkehr und das Teilen mit den Armen verbunden.
Für die frühen Christen war religiös motiviertes Fasten eine Selbstverständlichkeit, die sie auch von anderen Religionen her kannten. Auch heute erleben wir die Fastenpraxis anderer Religionen, z.B. wenn Moslems, die unter uns leben, den Ramadan halten. Vielen Christen jedoch ist heute das Fasten aus religiösen Motiven fremd geworden. So stellt sich die Frage, welche Formen eine überzeugende Fastenpraxis heute in der Kirche haben könnte.

Niemand näht ein Stück ungewalkten Tuches auf einen alten Mantel. Sonst reisst der Flicken davon ab, das neue vom alten, und der Riss wird noch schlimmer.
Auch füllt niemand neuen Wein in alte Schläuche. Sonst wird der Wein die Schläuche zerreißen und der Wein geht zugrunde samt den Schläuchen. Neuen Wein füllt man in neue Schläuche. (Mk 2,21-22)

Das sind zwei praktische Beispiele, die damals jedem einleuchtend erschienen. Ungewalktes Tuch zieht sich bei Nässe sofort zusammen. Wer es als Flicken für seinen Mantel benutzt, der hat beim nächsten Regen sofort ein noch größeres Loch. Genauso zerstört junger, gärender Wein alte Lederschläuche, weil sie nicht mehr elastisch genug sind.
So zeigt Jesus die Unvereinbarkeit von Alt und Neu. Ein neues Etikett verändert nichts am alten Inhalt. Man braucht ein neues Rezept, wenn man etwas wirklich Neues herstellen möchte.
Jesu neue Lehre muss in neue Formen gegossen werden. Die Gemeinschaft der Jünger Jesu wird neue Formen finden, um ihrer Religiosität Ausdruck zu verleihen, wenn die Zeit dafür gekommen ist.