Markus 1,9-13

Taufe und Versuchung

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Markus
Und es geschah: In jenen Tagen kam Jesus von Nazaret in Galiläa und ließ sich im Jordan von Johannes taufen. (Mk 1,9)

Jesus reiht sich ein in die Schar der Sünder, die zu Johannes kommen. Was bedeutet dies? Jesus als der Sohn Gottes bedurfte der Umkehr nicht. Sein ganzes Leben auf Erden lebt er in Gemeinschaft mit seinem Vater im Himmel. Zwar war er nicht frei von Versuchungen, aber er hat nie gesündigt. Warum taucht Jesus dann mit den Sündern ein in den Jordan?
Tod für die Sünde, Leben für die Gerechtigkeit, das ist eine Formel für die Taufe. Das Eintauchen ins Wasser ist Symbol für den Tod, das fließende Wasser Symbol für die Reinigung von den Sünden. Der alte Mensch stirbt, wird rein gewaschen von den Sünden und taucht als neuer und reiner Mensch wieder aus dem Wasser auf.
Bei Jesus ist es anders. Er taucht in das Wasser, nicht um seine Sünden abzuwaschen, sondern um die Sünden all der anderen Menschen, die im Wasser der Taufe abgewaschen wurden, auf sich zu nehmen. In einem Gebet der Ostkirche heißt es:

Christus ist im Jordan erschienen, um die Wasser zu heiligen.

Und Beda Venerabilis sagt:

Jesus ließ sich taufen, um durch seine Taufe die Taufe des Johannes zu bestätigen, um das Wasser des Jordan zu heiligen und um durch die herabkommende Taube zu zeigen, dass in der Reinwaschung der Gläubigen der Heilige Geist zu ihnen kommt.

In seiner Taufe heiligt Jesus alle Wasser dieser Welt. Er lässt die Wasser aller Zeiten über sich strömen und nimmt alle Sünden, die diese Wasser zu allen Zeiten von den Menschen waschen, auf sich. So wird Jesus zum Garant dafür, dass es bei Gott eine Vergebung der Sünden für uns Menschen gibt. In Jesus nimmt Gott selbst unsere Sünden auf sich. Gott trägt alle Last der Menschheit, um die Menschen von den Lasten, die sie sich selbst und einander aufgelegt haben, zu befreien.
Jesus ist nicht nur dazu gekommen, um den Menschen zu zeigen, wie sie leben sollen. Jesus ist gekommen, um den Menschen überhaupt erst die Möglichkeit zu geben, ein gerechtes Leben zu führen. Bei all unserem Reden von Menschlichkeit vergessen wir oft, dass der Mensch nur dann wirklich menschlich sein kann, wenn er sich durch Gott von Schuld und Sünde befreien lässt. Nun können wir verstehen, warum Jesus zu den Menschen, die er heilt, immer auch sagt: Deine Sünden sind dir vergeben, geh und sündige nicht mehr. Mit seiner Taufe am Beginn des öffentlichen Wirkens zeigt uns Jesus, wie wichtig dieses Neuwerden durch Gott für uns ist.

Bereite dich, Sebulon, und schmücke dich, Naphtali!
Jordanfluss stehe still und empfange den Gebieter,
er kommt, um getauft zu werden.
Juble, Adam, mit der Urmutter.
Verbergt euch nicht wie einst im Paradies!
Nackt sah Er euch und ist erschienen,
mit dem ersten Gewand euch wieder zu kleiden.
Christus ist erschienen, erneuern will Er jedes Geschöpf.
(Gebet der Ostkirche)
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Markus

Jesus wird unser Erlöser genannt. In seiner Geburt hat er das Werk der Erlösung begonnen. In der Taufe nimmt er alle Sünden der Menschen auf seine Schultern. Er wird sie sein ganzes Erdenleben hindurch tragen bis hin zu seinem Tod am Kreuz. In seiner Auferstehung wird er zeigen, dass die Sünde nicht das letzte Wort hat, sondern dass Gott im Tod seines Sohnes alle Sünden der Welt vernichtet hat und allen Menschen neues Leben schenken möchte. Die Auferstehung Jesu ist der Garant dafür, dass jeder Mensch, der sich im Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit im Wasser taufen lässt, als neuer Mensch aus dem Wasser hervorgeht.

Und sofort, als er aus dem Wasser stieg, sah er die Himmel aufgerissen und den Geist wie eine Taube auf sich herabkommen. Und eine Stimme erging aus den Himmeln: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden. (Mk 1,10-11)

Im Rahmen der Taufe Jesu vollzieht sich eine zweifache Legitimation dafür, dass Jesus wirklich des Messias, der Sohn Gottes ist. Die erste Legitimation wird deutlich in der Stimme aus dem Himmel, die zweite zeigt sich darin, dass Jesus die Versuchung des Satans besteht und so der ganz Sündenlose bleibt.

Diese Stimme lehrt uns, dass wir durch das Wasser der Reinwaschung und den Geist der Heiligung zu Söhnen Gottes werden. Auch das Geheimnis der Dreieinigkeit wird in der Taufe gezeigt. Der Sohn wird getauft, der Geist kommt herab in Gestalt der Taube und die Stimme des Vaters lässt sich vernehmen, der Zeugnis für seinen Sohn ablegt. (Beda Venerabilis)

Markus nimmt seine Leser mit hinein in das Geschehen, das sich bei der Taufe zwischen Vater und Sohn vollzieht. Wir sehen mit Jesus, wie der Himmel sich öffnet und die Stimme des Vaters zu ihm spricht. Somit ist die Taufe Jesu nicht ein Geschehen um seinetwillen, Jesus als der Sündenlose bedurfte der Taufe zur Vergebung der Sünden nicht. Sie ist vielmehr etwas, das Jesus um unseretwillen getan hat. Durch dieses Ereignis offenbart der Vater der Welt Jesus Christus als seinen geliebten Sohn. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Jesus mehr ist, als ein Mensch. Er ist der Sohn Gottes und hat als solcher die Macht, die Sünden hinweg zu nehmen. So zeigt der Vater, dass er mit der Sendung seines Sohnes vor allem eines will, nämlich das Heil der Menschen.

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Markus
Und sofort treibt ihn der Geist in die Wüste hinaus. Und er war vierzig Tage in der Wüste, versucht vom Satan. Und er war zusammen mit den wilden Tieren, und die Engel dienten ihm. (Mk 1,12-13)

Bei Markus ist der Bericht von der Versuchung Jesu sehr knapp. Sofort nach der Taufe treibt der Geist Jesus in die Wüste. Vierzig Tage lebt er dort bei den wilden Tieren und wird vom Satan in Versuchung geführt. Jesus hält er der Versuchung des Satans stand. Vielleicht will Markus hiermit den vielen Neugetauften das Beispiel Jesu vor Augen führen. Viele machen sicher die Erfahrung, dass gerade nach der Taufe, wenn sie sich vorgenommen haben, bewusst ein neues Leben zu beginnen, die Versuchungen über sie hereinbrechen, möchte doch der Satan mit aller Kraft diejenigen, die ein gerechtes Leben führen wollen, von diesem Weg abbringen. Doch wie Jesus ohne jede Sünde blieb, so ist auch der Mensch durch Gottes Gnade dazu fähig, in der Versuchung standzuhalten.
Es ist eine harte Prüfung, Tage der Einsamkeit zu überstehen. Das ist der ideale Angriffspunkt für Versuchungen: Lass es sein, es bringt ja doch nichts. Mach es dir bequem, du kannst es einfacher haben, wenn du willst. Hier auszuhalten ist schwer. Dabei nicht zu verzweifeln ist nur möglich, wenn der Mensch erkennt, dass er auch in der größten Einsamkeit nicht allein ist. Gott ist immer da und er schickt seinen Engel als Beistand. Die Zwiesprache mit Gott ist auch in der Einsamkeit möglich, vielleicht sogar mehr als anderswo. Gott ist da und sorgt sich überall um mich.
Die Stille der Einsamkeit kann helfen, die vielen Stimmen zu unterscheiden, die in meinem Inneren widerhallen. Sie kann uns helfen zu unterscheiden zwischen den Stimmen, die mich in Abhängigkeiten führen wollen, die nach Prestige, Erfolg, menschlichem Ansehen, Annehmlichkeiten, Macht und Einfluss rufen und der Stimme Gottes, die zur Freiheit ruft.
Viele Heilige sind zuerst in die Einsamkeit gegangen, bevor sie unter den Menschen wirkten. Die Einsamkeit - mit Gott durchlebt - macht frei. Sie macht frei von all den Bindungen und Anhänglichkeiten, in denen wir stehen. Die Erfahrung der Einsamkeit kann helfen, ganz neu auf andere zuzugehen und in einer neuen Freiheit dem anderen zu begegnen. Wer gelernt hat, für sich selbst zu stehen, der wird sich nicht so leicht von anderen vereinnahmen lassen und wird auch selbst nicht andere für sich vereinnahmen wollen.
Wie schön wäre es, wenn die Liebe zu Gott in unserem Leben den Vorrang hätte und die Liebe zum Nächsten hervorbrächte. Aber wir merken, wie oft wir hinter diesem Wunsch zurückbleiben. Daher brauchen wir Zeiten, in denen wir neu zur Besinnung kommen und unser Leben wieder auf das Wesentliche hin ausrichten. Die Fastenzeit vor Ostern ist eine solche uns geschenkte Zeit.
Um zu größerer Freiheit zu gelangen, nehmen uns vor, auf etwas zu verzichten, woran wir vielleicht zu sehr hängen. Wichtig ist dabei aber, dass wir den Verzicht nicht um des Verzichtes willen üben. Wir sollen unser Augenmerk nicht allein auf die Abkehr von den Dingen richten, sondern vielmehr darauf, dass wir uns zu Gott hinkehren. Nur so kann die Bekehrung des Herzens geschehen, die uns frei macht für die Begegnung mit Gott und den Menschen.