Markus 11,1-16,20

Die letzten Tage Jesu

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Als sie in die Nähe von Jerusalem kamen ... (Mk 11,1a)

Jesus ist mit seinen Jüngern am Ziel seines Weges angekommen, sie haben Jerusalem erreicht. Hier wird Jesus sein Werk auf Erden zu Ende führen. In Jerusalem leben die religiösen Führer der Juden, die offiziellen Diener jenes Gottes, den Jesus seinen Vater nennt. Es hat sich bereits gezeigt, dass das, was die Hohenpriester, Pharisäer und Schriftgelehrten über diesen Gott sagen und die Lehre Jesu über diesen Gott weit auseinander gehen. Jesus wird in Jerusalem nicht als Sohn Gottes akzeptiert, sondern vielmehr als ein Gotteslästerer gesehen, der aus dem Weg geschafft werden muss.
Was bereits in Galiläa begonnen hat, kommt hier zu einem Höhepunkt. Jesus tritt mit dem Anspruch auf, der Sohn Gottes zu sein und in göttlicher Vollmacht zu handeln. Das können seine Gegner nicht akzeptieren. Die Pharisäer und Schriftgelehrten sehen sich selbst als die einzig wahren Ausleger und Hüter des Gesetzes. Für die Sadduzäer waren es die Worte Jesu gegen den Tempel, die ihre Feindschaft gegen ihn manifestiert haben, waren sie doch die Hüter und Verwalter des Tempels und seines Kultes.
Doch Jesus nimmt keine Rücksicht auf die Ansichten seiner Gegner und vermeidet es nicht, aus falschem Respekt vor ihren Ansichten, die strittigen Punkte anzusprechen. Das, worum es Jesus geht, darf nicht der Beliebigkeit der Meinungen unterworfen werden. Jesus geht es um den wahren Glauben an den Gott Israels. Im Gegensatz zu seinen Gegnern behauptet Jesus, den Willen dieses Gottes in vollkommener Weise zu erfüllen. Das, was Jesus sagt, ist Gottes Wort im Gegensatz zu den Vorschriften von Menschen, die seine Gegner als göttlich ausgeben und verteidigen. So war es für diese Gruppen unumgänglich, dass Jesus um des Glaubens Israels willen und zum Wohle des Volkes beseitigt werden musste.
Der Bericht des Markus wird nun immer dichter. Immer exakter werden die Zeitangaben. Die Tage Jesu in Jerusalem, wie Markus sie uns berichtet, entsprechen dem Schema, wie wir es von der kirchlichen Feier der Karwoche her kennen. Sieben Tage sind es vom Einzug Jesu in Jerusalem bis zu seiner Auferstehung. Die Ereignisse um den Tod Jesu am Karfreitag wird Markus sogar im Drei-Stunden-Rhythmus beschreiben.
Im letzten Hauptteil des Evangeliums ist eine klare Zweigliederung zu erkennen. An den ersten drei Tagen steht der Tempel im Mittelpunkt. Der Tempel ist das erste Ziel Jesu nach seinem Einzug in Jerusalem. Am zweiten Tag folgt die Tempelreinigung und am dritten Tag diskutiert Jesus lange mit den offiziellen Vertretern des Tempelkultes. Das Ergebnis ist bitter. Der Tempel und die religiösen Führer sind nicht bereit für den Messias. Darum sieht Jesus ihr Ende als gekommen.
Die darauf folgenden drei Tage sind geprägt vom Leiden und Sterben Jesu. Am vierten Tag bereitet die Salbung in Betanien Jesus auf seinen Tod vor. Zugleich werden mit dem Tötungsbeschluss der Hohenpriester und der Schriftgelehrten und dem Entschluss zum Verrat durch Judas die Weichen hin zu Jesu Tod endgültig gestellt.
Am fünften Tag feiert Jesus mit seinen Jüngern das Abschiedsmahl. Er betet am Ölberg und wird verhaftet. Es folgt der Prozess gegen Jesus und schließlich am sechsten Tag sein Leiden und Sterben.
Der kurze, fünfte Hauptteil des Evangeliums (Mk 15,42-16,8) zeigt das Grab Jesu. Man sieht, wie Jesus nach seinem Tod ins Grab gelegt wird. Der Tag der Grabesruhe Jesu bleibt auch im Evangelium stumm. Am achten Tag finden drei Frauen das Grab leer und begegnen dort einem Engel. Damit endet das Evangelium (16,1-8). Schon bald erschien dieser Schluss wohl zu kurz und man hat dem Evangelium eine Zusammenfassung der Auferstehungsberichte angefügt (16,9-20).