Lukas 21,5-38

Rede über die Endzeit

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Heilige Schrift
Als einige darüber sprachen, dass der Tempel mit schön bearbeiteten Steinen und Weihegeschenken geschmückt sei, sagte Jesus: Es werden Tage kommen, an denen von allem, was ihr hier seht, kein Stein auf dem andern bleibt, der nicht niedergerissen wird. (Lk 21,5-6)

Ausgehend von einem Gespräch der Jünger über die Pracht des Tempels weist Jesus auf die Vergänglichkeit alles Irdischen hin und macht deutlich, dass eine Zeit kommen wird, in der all diese Pracht vergeht. Unvorstellbares wird geschehen. Das was jetzt groß und unzerstörbar erscheint, wird sich als vergänglich und klein erweisen. Es gibt in der Geschichte immer wieder Veränderungen. Große Reiche versinken, neue Reiche entstehen, Städte werden zerstört und wiederaufgebaut. Aber es gibt eine Zeit, in der dieser Wandel ein Ende haben wird, es gibt Ereignisse, die darauf hinweisen, dass nun etwas anderes geschieht als der gewohnte Ablauf der Geschichte. Diese Zeichen gilt es zu erkennen.

Sie fragten ihn: Meister, wann wird das geschehen und was ist das Zeichen, dass dies geschehen soll? Er antwortete: Gebt Acht, dass man euch nicht irreführt! Denn viele werden unter meinem Namen auftreten und sagen: Ich bin es! und: Die Zeit ist da. - Lauft ihnen nicht nach! Wenn ihr von Kriegen und Unruhen hört, lasst euch nicht erschrecken! Denn das muss als Erstes geschehen; aber das Ende kommt noch nicht sofort.
Dann sagte er zu ihnen: Volk wird sich gegen Volk und Reich gegen Reich erheben. Es wird gewaltige Erdbeben und an vielen Orten Seuchen und Hungersnöte geben; schreckliche Dinge werden geschehen und am Himmel wird man gewaltige Zeichen sehen. Aber bevor das alles geschieht, wird man Hand an euch legen und euch verfolgen. Man wird euch den Synagogen und den Gefängnissen ausliefern, vor Könige und Statthalter bringen um meines Namens willen. (Lk 21,7-12)

Jesus sagt deutlich: dem Ende wird die Verfolgung der Gläubigen vorausgehen. In dieser Verfolgung gilt es, standhaft zu sein und darauf zu vertrauen, dass Gott für die Seinen sorgen wird.

Dann werdet ihr Zeugnis ablegen können. Nehmt euch also zu Herzen, nicht schon im Voraus für eure Verteidigung zu sorgen; denn ich werde euch die Worte und die Weisheit eingeben, sodass alle eure Gegner nicht dagegen ankommen und nichts dagegen sagen können. Sogar eure Eltern und Geschwister, eure Verwandten und Freunde werden euch ausliefern und manche von euch wird man töten. Und ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden. Und doch wird euch kein Haar gekrümmt werden. (Lk 21,13-18)

Wir sprechen davon, dass Gott kommen wird zum Gericht, dass er es sein wird, der das Ende herbeiführt. Das ist richtig. Aber wenn wir genau hinsehen, so wird deutlich, dass letztlich die Menschen selbst schuld daran sind, dass es so weit kommt. Ohne Sünde könnte diese Welt sicher friedvoll eingehen in die Herrlichkeit Gottes, so aber bedarf es des Gerichtes, um die rechte Ordnung wieder herzustellen und die Welt für Gott bereit zu machen. Gregor der Große sagt über die Nöte der Endzeit:

All dies stammt nicht von der Ungerechtigkeit des Strafenden, sondern von der Schuld der Welt. ... Zuerst werden die Herzen der Menschen und später die Elemente verwirrt, damit, wenn die Ordnung der materiellen Welt erschüttert wird, sich zeigt, aus welcher Vergeltung heraus dies nun geschieht.

Die aber, deren Herzen fest im Herrn verankert sind, brauchen sich in dieser Not nicht zu sorgen. Denn wenn auch Untergang und Zusammenbruch um sie herum herrschen, so wird ihnen doch "kein Haar gekrümmt werden". Jesus macht uns deutlich, wie wir unsere Herzen fest machen im Herrn und das Leben gewinnen:

Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen. (Lk 21,19)

Eindrücklicher wird für mich dieser Satz, wenn ich ihn im Lateinischen höre:

In patientia vestra possidebitis animas vestras.
In eurer Geduld werdet ihr eure Seelen besitzen.

Patientia, das meint Standhaftigkeit und Geduld, die Fähigkeit, auszuharren. Und das ist eine Tugend, die nicht nur für das Ende, von dem im Evangelium die Rede ist, notwendig ist, sondern unser ganzes Leben prägen sollte.
Wir kommen immer wieder in Situationen, in denen unser Leben zu stagnieren scheint, in denen wir verzweifelt sind und in denen wir meinen, dass uns - scheinbar unüberwindliche - Hindernisse in den Weg gelegt werden. Wie oft schon wollten wir aufgeben, meinten uns den Herausforderungen nicht gewachsen.
Aber wenn wir dabei bleiben, nicht aufgeben, weiter nach einem Weg suchen und darauf vertrauen, dass es jemanden gibt, der uns einen Weg öffnet, da ging es dann plötzlich wieder vorwärts.
Andererseits haben wir vielleicht auch manchmal schon aufgegeben, etwas weiter zu verfolgen, haben einen anderen, leichteren, Weg gewählt und dann mussten wir hinterher sehen, dass sich die Lage doch verändert hat. Hätten wir noch etwas gewartet, dann hätten wir erreicht, was wir damals so sehr ersehnt haben, nun aber haben wir uns selbst abgewandt und es ist durch unser eigenes Verschulden in unerreichbare Ferne gerückt, weil wir uns nicht mit genügend Ausdauer darum bemüht haben.
Es ist die Aufgabe unseres Lebens, unsere Ziele zu suchen, näherliegende hier in diesem Leben und das Ziel, auf das unser ganzes Leben hinsteuert. Jeder muss herausfinden, welche Ziele es sind, für die sich der volle Einsatz lohnt. Diese Ziele dürfen wir dann nicht mehr aus den Augen verlieren, auch wenn sie manchmal in unerreichbare Ferne gerückt scheinen und wir keinen Weg sehen, sie zu erreichen. Wenn wir ein Ziel wirklich geprüft und als das richtige erkannt haben, dann dürfen wir stets darauf vertrauen, dass uns einmal ein Weg dorthin aufgetan wird, zum Herzen eines Menschen und zum Herzen Gottes, der uns alle ruft in sein Reich.

Deshalb wird der Besitz der Seele in die Tugend der Geduld verlegt, weil die Geduld Wurzel und Hüterin aller Tugenden ist. Durch die Geduld aber besitzen wir unsere Seelen, da wir, wenn wir lernen, uns selbst zu beherrschen, anfangen, gerade das zu besitzen, was wir sind. (Gregor der Große)

Jesus spricht weiter von den Zeichen, an denen diese Endzeit zu erkennen ist und was dann zu tun ist.

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Erwartung
Wenn ihr aber seht, dass Jerusalem von Heeren eingeschlossen wird, dann erkennt ihr, dass seine Verwüstung bevorsteht. Dann sollen die Bewohner von Judäa in die Berge fliehen; wer in der Stadt ist, soll sie verlassen, und wer auf dem Land ist, soll nicht in die Stadt gehen. Denn das sind die Tage der Vergeltung, damit alles in Erfüllung geht, was geschrieben steht. Wehe den Frauen, die in jenen Tagen schwanger sind oder ein Kind stillen! Denn große Bedrängnis wird über das Land hereinbrechen und Zorn über dieses Volk. Mit scharfem Schwert wird man sie erschlagen, als Gefangene wird man sie zu allen Völkern schleppen und Jerusalem wird von den Völkern zertreten werden, bis die Zeiten der Völker sich erfüllen.
Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres. Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. (Lk 21,20-26)

Zeichen werden sein am Himmel und auf der Erde. Im Himmel wird die feste Ordnung der Gestirne in Unordnung geraten. Seit ältesten Zeiten hat man ja die Bahnen der Sterne beobachtet und in ihnen einen Garant gesehen für Verlässlichkeit und Beständigkeit. Jede Veränderung wies auf ein außergewöhnliches Ereignis hin. Wie schon die Geburt des Herrn durch den Stern von Betlehem angekündigt wurde, so wird auch sein zweites Kommen durch außergewöhnliche Himmelsbilder angekündigt werden.
Auf Erden wird es das Meer sein, das in Unordnung gerät. Wir wissen ja heute, dass der feste Ablauf der Gezeiten von Himmelskräften beeinflusst wird. Wenn der Kosmos in Unordnung gerät, dann folglich auch das Meer. Aus der lateinischen Vulgata lässt sich der Text etwas anderes übersetzten. Dort heißt es:

Das Geräusch des Meeres und der Flüsse wird in Unordnung geraten.

Zu diesem Text habe ich eine alte Auslegung von Eusebius gefunden (in: Thomas von Aquin, Catena Aurea, hrsg. von Marianne Schlosser und Florian Kolbinger):

Es hat den Anschein, als wollten uns diese Worte darüber belehren, dass die Umwandlung des Universums ihren Anfang damit nehmen wird, dass es keine Feuchtigkeit oder kein Wasser mehr gibt. Wenn das Wasser aufgezehrt oder zu Eis geworden ist, dann verstummt der vertraute Klang des Meeres, das trockene Land wird nicht mehr von Wasserfluten berührt, und weil wegen der übermäßigen Trockenheit auch die übrigen Teile der Erde keine Feuchtigkeit mehr bekommen, so erleiden sie eine Umwandlung.

Wassermangel, Ausbreitung der Wüsten, diese Themen sind heute aktueller denn je. Ohne Wasser gibt es kein Leben. Es gibt aber auch noch eine andere Form der Trockenheit, die innere Trockenheit des Menschen, die ihm jede Lebenskraft und Lebensfreude raubt, die ihm Hoffnung und Zuversicht nimmt und die ihn verschließt für den Glauben an die rettende Wiederkunft des Herrn. Eusebius schreibt weiter:

Die Menschen werden austrocknen vor Angst – das heißt, sie werden dahinschwinden, in der Erwartung der Dinge, die über die Erde kommen werden.

Die Glaubenden aber, die ihren Durst an der Quelle des lebendigen Wassers stillen, werden keine Angst haben, sondern sehen in alledem Zeichen für ihre Rettung, denn es wird der Menschensohn erscheinen in großer Macht und Herrlichkeit. Wenn dies geschieht, brauchen sie sich nicht voller Angst von diesem Anblick abwenden, sondern können ihn ansehen voller Erwartung, wie man auf etwas schaut, auf das man sich freut.

Dann wird man den Menschensohn in einer Wolke kommen sehen, mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe. (Lk 21,27-28)

Hierzu habe ich einen schönen Text von Klaus Berger gefunden:

Plötzlich, lautlos und dezent, wie ein Sonnenstrahl oder Regenbogen nach dem Unwetter, vollzieht sich Christi Wiederkunft. Wie er da sein wird, das erinnert nicht zufällig an den Regenbogen nach der Sintflut. Herr Jesus Christus, nach dem schrecklichen Unwetter mit Chaos und Finsternis wirst du da sein wie der Regenbogen. Aber mit menschlichem Antlitz. ... Dann wird einer dem anderen sagen: Schau mal, wie schön.

Was dann geschieht, wird all unsere Vorstellungen übersteigen. Aber es wird schön sein, wunderschön, eine unbeschreibliche Freude. Doch stets gilt auch die Mahnung, bereit zu sein, für dieses Kommen des Herrn. Die Vorbereitung auf das Kommen des Herrn vollzieht sich durch Fasten und im Gebet. Als Gleichnis für diese Zeit stellt uns Jesus das Gleichnis vom Feigenbaum vor Augen:

Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht euch den Feigenbaum und die anderen Bäume an: Sobald ihr merkt, dass sie Blätter treiben, erkennt ihr, dass der Sommer nahe ist. So erkennt auch ihr, wenn ihr das geschehen seht, dass das Reich Gottes nahe ist.
Amen, ich sage euch: Diese Generation wird nicht vergehen, bis alles geschieht. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.
Nehmt euch in Acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euer Herz nicht beschweren und dass jener Tag euch nicht plötzlich überrascht wie eine Falle; denn er wird über alle Bewohner der ganzen Erde hereinbrechen. Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt! (Lk 21,29-36)

Diese Mahnung Jesu sollten wir nicht einfach überhören. Wir sollten sie ehrlich an unser Herz heran lassen. Wenn wir diese Tage nutzen, um unser Leben neu auf Jesus Christus hin auszurichten, dann wird uns der Gedanke an sein Wiederkommen am Ende der Tage nicht in Angst und Schrecken versetzen. Wenn wir unser Herz bereiten, dann können wir uns aufrichten und erhobenen Hauptes das Kommen unseres Erlösers erwarten, der unser Leben zur Vollendung führen wird.
Wenn wir uns fragen, wie das geschehen kann, sich neu auf Jesus Christus hin auszurichten, so gibt uns das heutige Evangelium eine Antwort. Das Wichtigste ist das Gebet. Nehmen wir uns Zeit dafür. Wir können dazu eine Kerze anzünden und dann in Ruhe einen Abschnitt aus der Bibel lesen, ein Gebet aus einem Gebetbuch beten, oder einfach mit eigenen Worten oder in Stille Jesus Christus begegnen. Solche kleinen Schritte können unser Leben verändern.

Die Tage über lehrte Jesus im Tempel; die Nächte aber verbrachte er draußen bei dem Berg, der Ölberg heißt. Schon früh am Morgen kam das ganze Volk zu ihm in den Tempel, um ihn zu hören. (Lk 21,37-38)