Lukas 12,13-31

Gegen die Habgier

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Habgier
Einer aus der Volksmenge bat Jesus: Meister, sag meinem Bruder, er soll das Erbe mit mir teilen. Er erwiderte ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Schlichter bei euch gemacht? (Lk 12,13-14)

Jesus erzählt aus konkretem Anlass ein Gleichnis. Da ist einer aus der Menge, der Jesus zum Schiedsrichter machen will über Geldstreitigkeiten. "Wenn es ums Geld geht, hört die Freundschaft auf", lautet ein altbekannter Spruch. Viele Familien haben sich im Streit um Geldangelegenheiten heillos zerstritten. Jesus bietet dem Fragenden keine konkrete Lösung an. Er erzählt vielmehr ein Gleichnis, das ihn zum Nachdenken bringen soll und somit eine eigenständige Entscheidung ermöglicht. Zuvor aber spricht er an alle eine eindringliche Mahnung aus:

Dann sagte er zu den Leuten: Gebt acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier. Denn der Sinn des Lebens besteht nicht darin, dass ein Mensch aufgrund seines großen Vermögens im Überfluss lebt. (Lk 12,15)
Der Sinn des Lebens besteht nicht darin, dass ein Mensch aufgrund seines großen Vermögens im Überfluss lebt.

Was aber ist der Sinn des Lebens? Jesus sagt klar, was nicht Sinn des Lebens ist, zeigt den Irrweg auf, den viele gehen, und stellt ein großes Stoppzeichen davor, das leider viele übersehen.
Es ist nicht an uns, über andere zu urteilen. Es ist leicht zu sagen: schau dir die Reichen an, wie sie andere ausbeuten, Steuern hinterziehen und nur auf ihren Vorteil aus sind. Man kann auch im Kleinen den Verlockungen des Reichtums verfallen.
Es geht Jesus darum, uns Mut zu machen, unseren Lebensweg zu finden und damit unseren Lebenstraum zu verwirklichen. Manche Träume sind Sackgassen und zerplatzen wie Seifenblasen. Davor will Jesus uns warnen.
Den richtigen Weg zu finden ist eine Lebensaufgabe. Man kann nicht sagen: das ist dein Weg, das ist der Sinn des Lebens. Alle einfachen Definitionen greifen zu kurz.
Wir müssen mutig sein und bereit, auch einmal gegen den Strom zu schwimmen. Wir müssen die Verlockungen kennen, die uns in die Irre führen, und diese möglichst meiden oder rechtzeitig davon umkehren.
Vor allem ist der Sinn des Lebens nicht rational erschließbar. Oft bringt uns eher das Irrationale dem Ziel näher. Hören wir mehr auf unser Herz, als auf unseren Verstand. Lassen wir uns beschenken von Gott, der immer wieder eine Überraschung für unser Leben bereithält.

Der Sinn des Lebens besteht nicht darin, dass ein Mensch aufgrund seines großen Vermögens im Überfluss lebt.

Das Evangelium lädt dazu ein, einen kritischen Blick auf unsere Gesellschaft und unser Wirtschaftssystem zu werfen. Für viele Menschen gilt sicher der Spruch "Geld regiert die Welt" und es ist eines ihrer höchsten Ziele, möglichst reich zu werden. Letztendlich versucht so ziemlich jeder, wo er kann, soviel wie möglich für sich herauszuholen. Doch immer mehr Menschen bleiben dabei auf der Strecke, die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter.
Ich will nicht in Abrede stellen, dass es durchaus notwendig und legitim ist, profitabel zu wirtschaften und auch der Einzelne darf für seinen Einsatz im Beruf ein gutes Einkommen erwarten. Das Problem fängt da an, wo der eigene Gewinn zu Lasten anderer geht, wenn das Geld zum Götzen wird, der all unser Leben und Streben bestimmt.
"Geld allein macht nicht glücklich" ist ein allseits bekannter Spruch. Ist das eine Ziel erreicht, will der Mensch das nächste, immer mehr. Und unser Wirtschaftssystem fördert dies. Immer mehr Einsatz im Beruf, immer mehr Geld, um sich all das leisten zu können, was uns die Werbung so schön vor Augen führt. Dafür aber umso weniger Zeit für Familie und Mitmenschen. Dabei ist doch gerade die Familie die Grundlage unserer Gesellschaft. Aber wenn die Eltern so viel Zeit für ihren Beruf aufwenden müssen - freiwillig oder unfreiwillig - dass keine Zeit mehr für die Familie bleibt, die Erziehung der Kinder nahezu ganz abgegeben wird an Horte oder ähnliche Einrichtungen, so wird dies auf Dauer negative Folgen für die ganze Gesellschaft haben - nur ein Beispiel dafür, wie das Profitstreben letztendlich mehr Schaden als Nutzen bringt.

Und er erzählte ihnen folgendes Beispiel: Auf den Feldern eines reichen Mannes stand eine gute Ernte. Da überlegte er hin und her: Was soll ich tun? Ich weiß nicht, wo ich meine Ernte unterbringen soll. Schließlich sagte er: So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen. Dann kann ich zu mir selber sagen: Nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink, und freu dich des Lebens! Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann all das gehören, was du angehäuft hast? So geht es jedem, der nur für sich selbst Schätz (Lk 12,16-21)

Jesus erzählt von einem reichen Mann, dessen Felder gute Erträge einbringen. Der Mann will diesen Gewinn maximal ausnutzen, lässt größere Scheunen bauen, um alles unterbringen zu können, und sagt dann zu sich: Nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freu dich deines Lebens! Eine Entscheidung, die auch heute viele so treffen würden.
Der Mann im Gleichnis hat wirklich Glück möchte man meinen, denn sein Reichtum wird immer größer. Doch das Glück lässt sich nicht mit Geld erkaufen und auch nicht das Leben. Diese Erfahrung muss der Mann im Gleichnis machen, doch als er das erkennt, ist es zu spät. Der Mann stirbt noch in derselben Nacht.

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Lilien
Wenn du stirbst, nimmst du nichts von dem mit, was du gehortet hast, aber alles, was du gegeben hast. (Mamerto Menapace)

Wir dürfen das Gleichnis nicht in dem Sinn falsch verstehen, dass Jesus sich grundsätzlich gegen Erfolg und Reichtum stellen würde. Er uns will mit seinen Worten auch nicht sagen, dass wir uns um nichts kümmern sollen, dass wir aufhören sollten, die Felder zu bestellen und zu arbeiten. Jesus will uns vielmehr zum Nachdenken darüber bringen, welchen Stellenwert wir den materiellen Dingen in unserem Leben beimessen und wie wir mit ihnen umgehen. Jesus warnt davor, dass es uns nicht allein um das Geld und den Profit gehen darf, so dass und die Gier danach das ganze Leben bestimmt. Jesus will die Menschen aufrütteln, die nur für sich selbst Schätze sammeln, vor Gott aber nicht reich sind.
Es ist nicht der Sinn des Lebens, dass wir uns abrackern und anhäufen, um irgendwann einmal genießen zu können. Leben beginnt nicht irgendwann einmal, sondern Leben, das ist jetzt und heute und jeden Tag. Wir sollen jeden Tag unseres Lebens bewusst leben und genießen, ob es ein Arbeitstag oder ein freier Tag ist.
Sicher, das mag vielen utopisch erscheinen. Nicht jeder hat das Glück, eine Arbeit zu haben, die er gerne tut und in der er voll aufgeht. Viele müssen jeden Tag für einen Hungerlohn hart schuften, damit ihre Familie überleben kann. Doch gerade dadurch wird die Schieflage unserer Gesellschaft deutlich. Denn wer erntet den Gewinn derer, die um ihr Überleben kämpfen müssen? Sind des nicht diejenigen, die immer mehr Reichtum anhäufen?

Es ist typisch menschlich, wie der Reiche im Evangelium zu handeln. Wer hat, der will mehr. Daher sind auch Gesellschaftssysteme, die einen Ausgleich zwischen den Menschen befehlen wollen, gescheitert. Nur wenn einzelne bereit sind, ihren Reichtum zu teilen, kann eine menschliche Gesellschaft wachsen. So befiehlt auch Jesus keine Gütergemeinschaft, aber er zeigt den Weg des Teilens als Ideal auf, für das es sich zu entscheiden lohnt, denn letztlich macht es alle zu Gewinnern, den der gibt und den, der empfängt.
Doch wie komme ich zu einer solchen Einstellung? Sie stellt sich ein, wenn ich erkenne, dass jeder Mensch immer schon ein Beschenkter ist. Die eigene Leistung kann nur zu Gewinn führen, weil schon etwas da ist, was die Grundlage für diesen Gewinn bildet. Der Reiche hätte keine große Ernte einfahren können, wenn nicht das Wetter mitgespielt hätte, denn wie leicht kann ein Unwetter eine ganze Ernte vernichten.
Nur wer sich selbst als ein von Gott Beschenkter erfährt, wird dazu bereit sein, mit anderen zu teilen. Wenn ich gerade Glück im Leben habe und einen unerwarteten Gewinn mache, warum will ich dann alles für mich haben? Warum bin ich nicht dazu bereit, etwas von dem Überfluss, der mir geschenkt wurde, mit anderen zu teilen, die gerade nicht so viel Glück haben wie ich?
Die folgenden Worte Jesu können uns helfen, dies besser zu verstehen.

Und er sagte zu seinen Jüngern: Deswegen sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, dass ihr etwas zu essen habt, noch um euren Leib und darum, dass ihr etwas anzuziehen habt. Das Leben ist wichtiger als die Nahrung und der Leib wichtiger als die Kleidung. Seht auf die Raben: Sie säen nicht und ernten nicht, sie haben keinen Speicher und keine Scheune; denn Gott ernährt sie. Wie viel mehr seid ihr wert als die Vögel! Wer von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben auch nur um eine kleine Zeitspanne verlängern? Wenn ihr nicht einmal etwas so Geringes könnt, warum macht ihr euch dann Sorgen um all das übrige? Seht euch die Lilien an: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Doch ich sage euch: Selbst Salomo war in all seiner Pracht nicht gekleidet wie eine von ihnen. Wenn aber Gott schon das Gras so prächtig kleidet, das heute auf dem Feld steht und morgen ins Feuer geworfen wird, wie viel mehr dann euch, ihr Kleingläubigen! Darum fragt nicht, was ihr essen und was ihr trinken sollt, und ängstigt euch nicht! Denn um all das geht es den Heiden in der Welt. Euer Vater weiß, dass ihr das braucht. Euch jedoch muss es um sein Reich gehen; dann wird euch das andere dazugegeben. (Lk 12,22-31)

Jesus gebraucht sehr schöne Bilder aus der Natur, um seinen Zuhörern deutlich zu machen, was er ihnen sagen will. Jeder Mensch darf sich als von Gott beschenkt erfahren. Vögel haben keine Scheunen, und doch finden sie Nahrung. Die Blumen erfreuen uns mit ihrer Blütenpracht. Ihre Schönheit ist zweckfrei. Sie wachsen, damit wir uns an ihnen freuen können, nicht für Geld.
Vielleicht ist das Bild der Lilie auf dem Feld der Schlüssel dafür, um das zu verstehen, was Jesus uns sagen will. Können wir nicht auch wie eine solche Blume sein, die in der Welt wächst, damit andere sich an ihr freuen? Erde, Wasser und Sonne, das was die Blume zum Leben braucht, stellt die Natur zur Verfügung. Die Blume verwandelt dies in die leuchtenden Farben ihrer Blüte. Die Blume will ihre Schönheit verschenken, damit andere sich an ihr erfreuen, und doch verliert sie nichts, wenn andere sie ansehen. Nur wenn jemand die Blume für sich haben will, wenn er sie pflückt, dann wird sie bald verdorren. Der heilige Ambrosius sagt:

Wir gehen der gemeinsamen Gaben damit verlustig, dass wir uns besondere zu eigen machen. Vom Eigentum kann aber doch überhaupt nicht die Rede sein, wo nichts von Dauer ist, noch von sicherem Wohlstand, wo der Ausgang unsicher ist. Warum willst du denn Wert legen auf 'deinen' Reichtum, nachdem doch auch du den Lebensunterhalt nach Gottes Wollen mit den übrigen lebenden Wesen teilen sollst?

Es ist eine der größten Fehlentwicklungen in der Menschheitsgeschichte gewesen, dass sich in den Köpfen der Gedanke eingepflanzt hat, dass nur das etwas zählt, was ich für mich erreicht und zusammengerafft habe. Die Erde wird kahl, weil jeder an sich reißt, was er bekommen kann, und es in seine Speicher steckt, auch wenn es dort verdorrt und seine Schönheit verliert. Alles wird zu Geld gemacht, alles Leben einem leblosen Objekt untertan gemacht.
Wann werden wir wieder entdecken, dass Schönheit darin besteht, etwas einfach wachsen zu lassen und sich an seinem Anblick zu erfreuen und diesen Anblick bereitwillig mit anderen zu teilen?

Ich möcht' mit offenen Händen
die Wege des Lebens geh'n
lieber alles verschwenden
als mit vollen Taschen
ins Grabe seh'n

Ich möcht' wie die Blume sein
die auf den Feldern steht
mit ihrer Pracht erfreut
jeden der schauend
an ihr vorübergeht

Ich vertraue dem Leben
dem Gott, der mich trägt
und ich traue den Menschen
die liebend mein Herz umhegt

Was ich gebe
kommt vielfach zurück
und wenn ich schenke
ist es mein eigenes Glück

So steh' ich und schaue
ins Leben hinaus
ich bin ganz bei mir
ich bin ganz zuhaus'

Und wenn dir's gefällt
in meiner Nähe zu sein
so pflücke mich nicht
sondern wachse neben mir


Die Kunst des Vertrauens besteht darin, niemals daran zu zweifeln, dass es einem an nichts fehlen wird und dabei doch immer mit vollem Einsatz und mit allen seinen Fähigkeiten sein Leben zu meistern.


O Herr, du hast uns gesagt, dass unser Vater im Himmel für uns sorgen wird, so wie er für die Lilien auf dem Felde und die Vögel unter dem Himmel sorgt. Du, der nicht einmal einen Platz hatte, wohin er sein müdes Haupt legen konnte, sei unser Lehrer.
Lehre uns, auf Gottes Vorsehung zu vertrauen und hilf uns, unsere menschliche Habgier zu überwinden. Habgier hat nie jemanden glücklich gemacht. Gib uns die Kraft, uns dir ganz zu ergeben, damit wir ein Werkzeug sein können, deinen Willen zu erfüllen.
Segne den Gebrauch des Geldes in der Welt, damit die Hungernden gespeist, die Nackten gekleidet, die Armen beherbergt und die Kranken gepflegt werden können. Und Herr, gib uns deinen Heiligen Geist, damit wir durch den Glauben, den du uns verleihst, klar erkennen, dass wir alle vor dir mehr gelten als jede schöne Lilie oder jede singende Lerche in der Luft.

Mutter Teresa