Judasbrief 1-25

Übersicht

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Judas, Knecht Jesu Christi, Bruder des Jakobus, an die Berufenen, die von Gott, dem Vater, geliebt und für Jesus Christus bestimmt und bewahrt sind. Erbarmen, Frieden und Liebe seien mit euch in Fülle. (Jud 1-2)

Der Judasbrief gehört zu den drei kürzesten Schriften des Neuen Testaments und ist daher nicht in Kapitel, sondern nur in Verse unterteilt. Zugleich ist er eine der am spätesten entstandenen Schriften des Neuen Testaments. Er setzt den Jakobusbrief voraus und ist wie dieser wohl erst am Ende des 1. Jahrhunderts verfasst worden. Zugleich dient er dem 2. Petrusbrief als Vorlage, der demzufolge erst nach dem Judasbrief entstanden sein muss.
Der Verfasser gibt sich als Judas, den Bruder des Jakobus, aus und beruft sich damit indirekt auf die Autorität des Herrenbruders Jakobus, der in der Urgemeinde von Jerusalem eine wichtige Funktion innehatte. Nach überwiegender Meinung der Exegeten stammt der Brief aber erst aus der nachapostolischen Zeit. Der Verfasser war wahrscheinlich ein Judenchrist, was aus der Anspielung an jüdische Traditionen und apokryphe jüdische Schriften hervorgeht.
Der Brief richtet sich an alle Berufenen, also an die gesamte Christenheit. Daher können keine zuverlässigen Angaben zum Ort der Entstehung gemacht werden. Viele denken hier an den kleinasiatischen Raum, in dem wohl auch der Jakobusbrief und die Petrusbriefe entstanden sind, jedoch liefert der Brief selbst dafür keine Beweise.

Liebe Brüder, da es mich sehr drängt, euch über unsere gemeinsame Rettung zu schreiben, halte ich es für notwendig, euch mit diesem Brief zu ermahnen: Kämpft für den überlieferten Glauben, der den Heiligen ein für allemal anvertraut ist. Denn es haben sich einige Leute eingeschlichen, die schon seit langem für das Gericht vorgemerkt sind: gottlose Menschen, die die Gnade unseres Gottes dazu missbrauchen, ein zügelloses Leben zu führen, und die Jesus Christus, unseren einzigen Herrscher und Herrn, verleugnen. (Jud 3-4)

Anlass des Judasbriefes ist das Auftreten von Irrlehrern, die sich gegen den überlieferten Glauben stellen und damit die Gemeinden verunsichern. Sie werden mit der Terminologie der sich herausbildenden christlichen Apologetik kritisiert. Der Vorwurf von Gottlosigkeit und zügellosem Lebenswandel gehören hier zum gängigen Repertoire. Zudem wird ihnen Träumerei nachgesagt. Kern der Auseinandersetzung ist möglicherweise ein Streit, der die Lehre über die Engel und andere himmlische Mächte betrifft. Es könnte sich hier um Anfänge der Gnosis handeln, die sich im 2. Jahrhundert zu einer großen Bedrohung für das Christentum entwickelt hat. Die Irrlehrer sind Teil der Gemeinde und bedrohen diese von innen her. Sie sind ein Schandfleck der Gemeinde und nicht für das Heil, sondern für das Gericht bestimmt.

Zwar wisst ihr alles ein für allemal; aber ich will euch dennoch daran erinnern: Obwohl der Herr das Volk aus Ägypten gerettet hatte, hat er später alle vernichtet, die nicht glaubten. Die Engel, die ihren hohen Rang missachtet und ihren Wohnsitz verlassen haben, hat er mit ewigen Fesseln in der Finsternis eingeschlossen, um sie am großen Tag zu richten. (Jud 5-6)

Der Verfasser warnt die Gemeinden vor einer falschen Heilsgewissheit. Obwohl Gott das Volk Israel aus Ägypten geführt hat, hat er später die bestraft, die sich gegen Gott gestellt haben. Auch unter den Engeln gab es eine Scheidung von Gut und Böse. Wir begegnen hier der Lehre vom Engelssturz, die sich ebenso in Offb 12 findet. Der Engel Luzifer und sein Gefolge, hier allgemein als Engel bezeichnet, die einen hohen Rang innehatten, haben sich gegen Gott erhoben und wurden von Gott, bzw. vom Erzengel Michael, in die Tiefe der Hölle verbannt. Auch die Bewohner von Sodom und Gomorra werden als warnendes Beispiel genannt.

Auch Sodom und Gomorra und ihre Nachbarstädte sind ein Beispiel: In ähnlicher Weise wie jene trieben sie Unzucht und wollten mit Wesen anderer Art verkehren; daher werden sie mit ewigem Feuer bestraft. Genauso beflecken sich auch diese Träumer, sie missachten die Macht des Herrn und lästern die überirdischen Mächte. Als der Erzengel Michael mit dem Teufel rechtete und über den Leichnam des Mose stritt, wagte er nicht, den Teufel zu lästern und zu verurteilen, sondern sagte: Der Herr weise dich in die Schranken. (Jud 7-9)

Die größte Verfehlung der Irrlehrer besteht darin, dass sie sich gegen die himmlischen Mächte stellen. Schon der Engelssturz zeigt, dass nicht einmal ein großer Engel wie Luzifer mit seinen Anhängern es vermocht hatte, gegen das Heer der gottestreuen Engel anzukommen. Die Bewohner von Sodom und Gomorra wurden für ihren Angriff auf die Boten Gottes mit dem Untergang ihrer Städte bestraft. Die Irrlehrer tun es ihnen gleich und lästern ebenso Gott und die himmlischen Mächte. Nicht einmal der Teufel aber konnte dem Erzengel Michael widerstehen, als er mit ihm über den Leichnam des Mose stritt. Diese Begebenheit zitiert der Autor wohl aus einer nur fragmentarisch erhaltenen apokryphen jüdischen Schrift.

Diese jedoch lästern über alles, was sie nicht kennen; was sie aber wie die unvernünftigen Tiere von Natur aus verstehen, daran gehen sie zugrunde. Weh ihnen! Sie sind den Weg Kains gegangen, aus Habgier sind sie dem Irrtum Bileams verfallen, der Aufruhr Korachs hat sie ins Verderben gestürzt. (Jud 10-11)

Die Irrlehrer lästern über alles, was sie nicht kennen. Sie kennen den wahren überlieferten Glauben nicht. Sie werden verglichen mit Kain, der seinen Bruder Abel erschlagen hat, mit Bileam, dem außerjüdischen Propheten, der eigentlich Israel verfluchen wollte, aber von Gottes Kraft daran gehindert wurde und gegen seinen Willen einen Segen sprechen musste, und mit Korach, der während der Wüstenwanderung einen Aufruhr gegen Mose angezettelt hat und dafür mit seinen Anhängern vom Erdboden verschlungen wurde.

Diese Menschen sind ein Schandfleck bei eurem Liebesmahl, an dem sie ohne Scheu teilnehmen und es sich gut gehen lassen; sie sind Hirten, die eine Weide für sich selber suchen. Wasserlose Wolken sind sie, von den Winden dahingetrieben; Bäume, die im Herbst keine Frucht tragen, zweimal verdorrt und entwurzelt; wilde Meereswogen, die ihre eigene Schande ans Land spülen; Sterne, die keine feste Bahn haben; ihnen ist auf ewig die dunkelste Finsternis bestimmt. (Jud 12-13)

Die Irrlehrer sind ein Schandfleck in der Gemeinde. Sie sind falsche Hirten, die nur ihren Vorteil suchen und die Herde zugrunde gehen lassen, wasserlose Wolken, die im trockenen Land falsche Hoffnung wecken und ein Spielball der Winde sind, nutzlose Bäume ohne Frucht, die zudem vertrocknet und entwurzelt sind, also keinen festen Stand mehr haben, wilde Meereswogen, Wandelsterne ohne feste Bahn, die aus der Ordnung des Kosmos herausgefallen sind.

Auch ihnen gilt, was schon Henoch, der siebte nach Adam, geweissagt hat: "Seht, der Herr kommt mit seinen heiligen Zehntausenden, um über alle Gericht zu halten und alle Gottlosen zu bestrafen wegen all ihrer gottlosen Taten, die sie verübt haben, und wegen all der frechen Reden, die die gottlosen Sünder gegen ihn geführt haben."
Sie sind Nörgler, immer unzufrieden mit ihrem Geschick; sie lassen sich von ihren Begierden leiten; sie nehmen große Worte in den Mund und schmeicheln den Menschen aus Eigennutz. Ihr aber, liebe Brüder, denkt an die Worte, die von den Aposteln Jesu Christi, unseres Herrn, im Voraus verkündet worden sind, als sie euch sagten: Am Ende der Zeit wird es Spötter geben, die sich von ihren gottlosen Begierden leiten lassen. Sie werden die Einheit zerstören, denn es sind irdisch gesinnte Menschen, die den Geist nicht besitzen. (Jud 14-19)

Die Schriften warnen seit alters her vor solchen Irrlehrern, die die Einheit der Gemeinde zerstören. Der Verfasser zitiert hier das apokryphe Henochbuch und weist auf die Lehre der Apostel hin. Er ermahnt die Gemeinde, am überlieferten Glauben festzuhalten.

Ihr aber, liebe Brüder, gründet euch auf euren hochheiligen Glauben, und baut darauf weiter, betet in der Kraft des Heiligen Geistes, haltet fest an der Liebe Gottes und wartet auf das Erbarmen Jesu Christi, unseres Herrn, der euch das ewige Leben schenkt. Erbarmt euch derer, die zweifeln; rettet sie, entreißt sie dem Feuer! Der anderen aber erbarmt euch voll Furcht; verabscheut sogar das Gewand eines Menschen, der der Sünde verfallen ist. (Jud 20-23)

Der Gottlosigkeit und dem Eigennutz der Irrlehrer stellt der Verfasser die Kraft des Heiligen Geistes, die Liebe Gottes und das Erbarmen Jesu Christi entgegen. Auch die Gläubigen sollen den irregeleiteten Gemeindemitgliedern mit Erbarmen begegnen und mit aller Kraft versuchen, sie vom Feuer der Hölle zu retten. Wer aber hartnäckig im Irrtum verharrt, vor dem soll man sich fernhalten.
Der Brief schließt mit einem Lobpreis Gottes, der die Macht hat, die Gläubigen vor dem Irrtum zu bewahren und sie so des Heils teilhaft werden zu lassen, das Jesus Christus ihnen bereitet hat.

Dem einen Gott aber, der die Macht hat, euch vor jedem Fehltritt zu bewahren und euch untadelig und voll Freude vor seine Herrlichkeit treten zu lassen, ihm, der uns durch Jesus Christus, unseren Herrn, rettet, gebührt die Herrlichkeit, Hoheit, Macht und Gewalt vor aller Zeit und jetzt und für alle Zeiten. Amen. (Jud 24-25)