Jakobusbrief 5,7-20

Geduld und Vertrauen

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Heilige Schrift
Darum, Brüder und Schwestern, haltet geduldig aus bis zur Ankunft des Herrn! Siehe, auch der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde, er wartet geduldig auf sie, bis Frühregen oder Spätregen fällt. (Jak 5,7)

Geduldiges Warten, das ist eines der Kennzeichen der Adventszeit. Als Symbole dieses Wartens haben wir heute den Adventskranz und den Adventskalender. Wir zählen die letzten Tage und Wochen bis zum Weihnachtsfest. Während draußen die Tage immer kürzer werden, entzünden wir in unseren Wohnungen und Straßen immer mehr Lichter. Unsere Lichter werden so zum Symbol für den, der kommen wird und der das wahre Licht ist, Jesus Christus.
Es gibt Wartezeiten die absehbar sind. Mag gerade für Kinder das Warten auf das Weihnachtsfest und die Geschenke schier endlos erscheinen, ist es doch eine relativ kurze Zeit. Meist sind die Ereignisse, die wir freudig erwarten, irgendwann einmal da. Aber wie sieht es aus mit dem Warten auf das Kommen des Herrn? Wir feiern jedes Jahr am Weihnachtsfest sein Kommen als Mensch in diese Welt. Aber am Ende seines irdischen Lebens hat Jesus gesagt, dass er einmal wiederkommen wird, am Ende der Tage. Auf dieses Kommen des Herrn warten die Christen nun schon seit etwa 2000 Jahren und wir wissen einfach nicht, wann dieses Kommen stattfinden wird.
Die frühen Christen haben noch täglich auf das Kommen des Herrn gewartet. Bald wird es sein, glaubten sie. Aber dann verging immer mehr Zeit. Wenn wir nicht wissen, wie lange wir warten müssen, werden wir leicht ungeduldig und wir wenden uns anderen Dingen zu. Doch auch wenn das Kommen des Herrn so lange auf sich warten lässt, besteht doch die Notwendigkeit, dass wir es nicht aus den Augen verlieren, weil es der entscheidende Moment in unserem Leben ist.
Darum müssen wir unser Leben so einrichten, dass wir stets bereit sind, wenn der Herr kommt. Jesus selbst hat uns gesagt, dass wir stets wachsam sein sollen. Ein gelungenes Leben ist ein Leben, das stets vor dem Anblick des Herrn bestand hat und sich nicht vor ihm verstecken muss. Gerade die späteren Texte des Neuen Testamens, zu denen auch der Jakobusbrief gehört, beschäftigen sich damit, wie christliches Leben im Alltag gelingen kann.
Wohl kein anderer Brief im Neuen Testament benennt die Schwächen der Menschen so unverhüllt wie der Jakobusbrief. Er weiß darum, dass viele Menschen immer wieder dazu neigen, mehr auf sich selbst zu schauen als auf andere. Zwei markante Beispiele dafür sind das Hervortun durch großes Gerede und durch Reichtum. Aber was steckt wirklich dahinter? Ist der große Redner oder der reiche Geschäftemacher ein besserer Mensch? Jakobus warnt davor, Menschen nur auf Grund von Äußerlichkeiten zu bewerten. Mag das in der Welt auch so sein, die christliche Gemeinde soll ein Ort sein, in der geschickte Redner und Reiche nicht automatisch mehr Ansehen haben als andere. Jakobus mahnt dazu, genau hinzusehen. Was steckt hinter den großen Reden? Folgen den Worten auch Taten?
Nur der gelebte Glaube ist wahrer Glaube. Es zählt nicht, nur davon zu reden, wie gläubig man ist. Der Glaube muss auch Werke hervorbringen. Wer seinem Glauben wortstark Ausdruck verleiht, soll diesen auch in seinem Umgang mit anderen zur Geltung bringen. Reichtum nützt nur, wenn er mit den Armen geteilt wird. Gerade die Fürsorge gegenüber den Schwachen und Benachteiligten liegt Jakobus am Herzen und wahrer Glaube bewährt sich vor allem in der Zuwendung zu diesen Menschen.
Das meint Jakobus mit dem "Darum" am Anfang des Satzes. Er weiß um die Ankunft des Herrn. Aber niemand weiß, wie lange es dauern wird, bis der Herr kommt. Je länger die Zeit ist, desto mehr Missstände schleichen sich in der Gemeinde ein. Wenn man wüsste, dass der Herr nächste Woche kommt, dann würde es nicht schwer fallen, alles zu verschenken, denn wozu wäre der Reichtum dann noch nützlich? Wenn es aber noch Jahrhunderte dauern kann, bis der Herr kommt, dann lohnt es sich schon, dass man es sich gut einrichtet in dieser Welt, oder etwa nicht?
Ich denke, viele Gläubige stehen in dieser Spannung, dass es notwendig ist, sich um die Dinge dieser Welt zu kümmern, und dennoch die Mahnungen der Heiligen Schrift, sich nicht zu sehr in die Dinge der Welt zu verstricken, nicht aus den Augen zu verlieren. Egal ob jemand Familie hat oder alleine lebt, wir brauchen eine relativ gesicherte materielle Grundlage zum Leben. Ich denke, dass Jakobus das auch so sieht. Denn gerade durch das Beispiel des Bauern führt er ja an, wie einer besonnen wirtschaftet, um seine Lebensgrundlage zu erhalten. Wir sollen uns aber vor allzu menschlichen Versuchungen in Acht nehmen und stets so leben, dass uns das Kommen des Herrn nicht unvorbereitet treffen kann.

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Heilige Schrift
Ebenso geduldig sollt auch ihr sein; macht eure Herzen stark, denn die Ankunft des Herrn steht nahe bevor. (Jak 5,8)

Prüfen wir jeden Tag unser Herz. Lebe ich in Frieden mit meinen Mitmenschen? Habe ich durch meine Worte schlecht über andere geredet und so dem Unfrieden Raum geschaffen? Gibt es etwas, worum ich andere um Verzeihung bitten muss? Bin ich selbst bereit, zu verzeihen? Wo kann ich Gutes tun, um wenigstens im Kleinen etwas gegen die Ungerechtigkeit, die in der Welt herrscht, zu tun? Bin ich dankbar? Stehe ich zu meinem Wort? Können andere sich auf mich verlassen?
Solche und ähnliche Fragen sollen wir uns immer wieder stellen und dabei uns vor allem am Beispiel Jesu und der Heiligen orientieren. Kein Mensch ist perfekt, aber wir können jeden Tag lernen, etwas besser zu werden. Tun wir das in der Gewissheit, dass Gott mit uns ist, dass er uns ruft und führt und dass er sich danach sehnt, dass wir einmal ganz mit ihm verbunden sind.

Klagt nicht übereinander, Brüder und Schwestern, damit ihr nicht gerichtet werdet! Seht, der Richter steht schon vor der Tür. (Jak 5,9)

Ein großes Übel unter den Menschen ist das schlechte Reden über andere. Irgendetwas passt uns immer nicht am anderen. Wir beklagen uns über diese und jede Eigenschaft und stiften so Unfrieden und Streit. So geht christliche Gemeinschaft nicht. Wer einen Fehler macht, dem soll man das natürlich sagen, aber wenn es nur um Befindlichkeiten geht, dann sollen wir besser den Mund halten. Wer über andere richtet, der wird selbst gerichtet werden, das macht auch Jesus in der Bergpredigt deutlich (Mt 7,1-5).

Brüder und Schwestern, im Leiden und in der Geduld nehmt euch die Propheten zum Vorbild, die im Namen des Herrn gesprochen haben! Siehe, wir preisen selig, die geduldig alles ertragen haben. Ihr habt von der Ausdauer des Ijob gehört und das Ende gesehen, das der Herr herbeigeführt hat. Denn der Herr ist voll Erbarmen und Mitleid. (Jak 5,10-11)

Erneut spricht Jakobus das Thema Geduld an. Er ermuntert die Gläubigen dazu, durchzuhalten. Es wäre schade, wenn einige zu früh aufgeben und dann, wenn es soweit ist und der Herr kommt, nicht bereit sind. Er verweist auf die Propheten, auf Ijob, auf die Gerechten des Alten Bundes, die alle in ihrem Leben viele Mühen zu bewältigen hatten, aber durchgehalten haben im Vertrauen auf Gottes Hilfe.
Gott ist da, das zeigt sich nicht erst in seiner Wiederkunft in Herrlichkeit. Gott ist da, das können wir in unserem Leben, unserem Alltag erfahren. Gott geht auf allen Wegen mit uns. Auch wenn das Leben viele Schwierigkeiten und Leiden birgt, Gott geht mit uns, er ist bei uns, er führt uns, ist voll Erbarmen und Mitleid.

Vor allem aber, meine Brüder und Schwestern, schwört nicht, weder beim Himmel noch bei der Erde noch irgendeinen anderen Eid! Euer Ja soll ein Ja sein und euer Nein ein Nein, damit ihr nicht dem Gericht verfallt. (Jak 5,12)

Die Mahnung, nicht zu Schwören, erinnert uns an Jesu Worte in der Bergpredigt (Mt 5,33-37). Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein, genauso redet Jesus. Nicht erst der Schwur soll eine Aussage bindend machen, sondern man soll sich auf die Gläubigen verlassen können, dass sie auch ohne Schwur zu jedem ihrer Worte stehen.

Ist einer von euch bedrückt? Dann soll er beten. Ist jemand guten Mutes? Dann soll er ein Loblied singen. Ist einer unter euch krank, dann rufe er die Ältesten der Gemeinde zu sich; sie sollen Gebete über ihn sprechen und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben. Das gläubige Gebet wird den Kranken retten und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden begangen hat, werden sie ihm vergeben. (Jak 5,13-15)

Wenn es gilt, in Treue durchzuhalten, so ist der Gläubige nicht auf sich allein gestellt. Es gibt Hilfen, das Gebet zu Gott, die Zuwendung anderer Menschen. Wer bedrückt ist, soll Gott um Hilfe bitten. Auch derjenige, den es gute geht, soll Gott nicht vergessen und ihm in einem Loblied Dank sagen. Nicht nur die Not soll beten lehren, sondern vielmehr noch das Glück. Im Gebet dürfen wir unsere Gefühle zum Ausdruck zu bringen, wir dürfen zeigen, dass wir fröhlich sind, wird dürfen es vor allem auch Gott zeigen und ihm dafür ein Loblied singen.
In Krankheit sollen die Ältesten der Gemeinde zu Hilfe gerufen werden. Wir haben hier einen Hinweis, dass die Praxis der Krankensalbung bereits früh in der Kirche geübt wurde. Jesus hat viele Menschen geheilt, ebenso die Apostel, später aber nimmt die Zahl der Heilungen erkennbar ab. Von Heiligen werden Heilungswunder berichtet, an Wallfahrtsorten geschehen Heilungen. Heute aber können selbst viele Christen nicht mehr an solche Wunder glauben. Allein die Medizin ist heute für das Heilen zuständig. Sicher, die Medizin ist auch für das Heilen zuständig. Aber Heilung geschieht auch durch das Gebet.
Obwohl wir heute eine sehr hoch entwickelte Medizin haben, sind die Ursachen für manche Krankheiten unklar. Oft wird dann versucht, die Symptome einzudämmen, aber man kommt nicht an die Wurzel der Krankheit heran. Manche Krankheiten haben psychische Ursachen. Hier hat das Gebet die Kraft, im Inneren des Menschen die Heilung der Krankheit von der Wurzel her zu bewirken. Sicher ist das nur für eine bestimmte Art von Krankheiten möglich. Aber doch erfährt der Kranke im Gebet der Menschen für ihn eine Kraft, die ihn aufrichtet und Hoffnung gibt und die ihm hilft, auch wenn keine Hoffnung auf Heilung mehr besteht.

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Heilige Schrift
Darum bekennt einander eure Sünden und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet! Viel vermag das inständige Gebet eines Gerechten. Elija war ein Mensch wie wir; er betete inständig, es solle nicht regnen, und es regnete drei Jahre und sechs Monate nicht auf der Erde. Und wiederum betete er; da gab der Himmel Regen und die Erde brachte ihre Früchte hervor. (Jak 5,16-18)

Der Jakobusbrief macht die deutlich, wie wichtig es ist, einander die Sünden zu bekennen. Das bedeutet, Unrecht und Verletzungen nicht unausgesprochen zwischen Menschen stehen zu lassen. Nur der Mut, um Vergebung zu bitten und Vergebung zu gewähren schenkt Heilung. Wie viele Krankheiten und Nöte der Menschen entstehen dadurch, weil Menschen einander nicht vergeben können und sich so ihr Leben lang gegenseitig quälen.
Die Macht des Gebetes zeigt der Jakobusbrief am Beispiel des Propheten Elija. Wir sollten die Kraft des Gebetes nicht unterschätzen!

Das Gebet hat große Macht,
das ein Mensch verrichtet mit seiner ganzen Kraft.
Es macht ein bitteres Herz süß,
ein trauriges Herz froh,
ein armes Herz reich,
ein törichtes Herz weise,
ein zaghaftes Herz kühn,
ein schwaches Herz stark,
ein blindes Herz sehend,
eine kalte Seele brennend.
Es zieht den großen Gott in ein kleines Herz und
treibt die hungrige Seele hinauf zu dem Gott der Fülle.

Mechthild von Magdeburg
Meine Brüder und Schwestern, wenn einer unter euch von der Wahrheit abirrt und jemand ihn zur Umkehr bewegt, dann soll er wissen: Wer einen Sünder, der auf einem Irrweg ist, zur Umkehr bewegt, rettet ihn vor dem Tod und deckt viele Sünden zu. (Jak 5,19-20)

Der Jakobusbrief schließt unvermittelt. So wie am Anfang des Briefes keine Begrüßung stand, so endet er auch ohne Gruß.
Ihre Stellung am Ende des Briefes gibt den letzten Worten ein besonderes Gewicht. Wir sind für den Bruder verantwortlich. Wir sollen einander helfen, den rechten Weg zu gehen.
Wie kann das geschehen? Es ist damit sicher nicht der Terror gemeint, den einige religiöse Fanatiker anwenden, um Abweichler wieder auf Linie zu bringen. Jeder Mensch hat die Freiheit, sich für den Weg zu entscheiden, den er gehen möchte.
Vielmehr gilt es, die Hand immer offen zu haben, um die aufzunehmen, die von ihren Irrwegen zurückkehren, wie es uns Jesus im Gleichnis vom barmherzigen Vater lehrt.