Johannes 14,1-14

Der Weg zum Vater

.
Heilige Schrift
Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich! (Joh 14,1)

Diesen Satz sagt Jesus zu seinen Jüngern, nachdem er beim letzten Abendmahl in der Fußwaschung ein Zeichen der Liebe Gottes gesetzt hat, aber auch, nachdem Judas der Verräter die Gemeinschaft der Jünger verlassen hat.
Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Das Herz des Judas war verwirrt, er hat Jesu Liebeszeichen nicht verstanden. Judas ist ein Beispiel für die Vielen, die Gott nicht verstehen, die sich abwenden von Gott, ein Beispiel auch für die Vielen, die keine Heimat finden in der Gemeinschaft der Glaubenden und sie verlassen.
Jesus will seine Jünger ermutigen, zu ihm zu stehen, auch wenn sie ihn nicht verstehen können, auch wenn sie nicht verstehen, was nun mit ihm geschehen wird in seinen Leiden und seiner Kreuzigung. Er will aber auch alle Menschen ermutigen, die nicht verstehen können, was mit ihnen als Glaubenden geschieht. Warum müssen auch die Glaubenden leiden, werden verfolgt und bedrängt?
Jesus bereitet seine Jünger auf harte Zeiten vor. Die Worte Jesu sind aber zugleich auch ein Spiegel der Situation, in der die Christen in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts, als das Evangelium geschrieben wurde, stehen. Auch sie erfahren Bedrängnis, Ablehnung von außen und Streit im Innern der Gemeinden. Von dieser Bedrängnis geben auch ganz besonders der erste Petrusbrief und die Offenbarung des Johannes Zeugnis.
Was hilft, in der Bedrängnis auszuhalten ist allein der Glaube an den liebenden Gott, das vertrauen darauf, dass Gott immer da ist, auch wo wir ihn nicht erkennen können. Was hilft, ist das unerschütterliche Vertrauen auf die Liebe Gottes, der keinen Menschen zurückweist. Wir glauben an einen Gott, der Liebe ist. Gott ist nicht der strafende Gott, der den Menschen Angst macht, der Menschen durch Angst zum Glauben zwingen will.
Unser Gott, der Vater Jesu Christi, ist ein Gott der Liebe, der seine Arme offen hält für alle, die ihn suchen, der selbst dem Verlorenen nachgeht, um ihm auch in der größten Gottesferne, in die dieser sich begibt, nahe zu sein. Der Glaube, von dem Jesus redet, ist das feste Vertrauen auf diesen liebenden Gott, der mich nicht verstößt, egal was ich getan habe.
Mit diesem gläubigen Vertrauen darf ich Gott begegnen. Ich bin Gottes geliebtes Kind. Ich glaube an einen Gott, der mich kennt und liebt. Der Glaube an Gott ist eine lebendige Beziehung. Deshalb darf ich Gott auch nicht sehen wie einen Automat, der auf mein Gebet hin meine Wünsche erfüllt. Einen solchen Glauben dürfen Kinder haben, als Erwachsene aber müssen wir immer mehr nach der Begegnung mit Gott suchen.
Wie eine Beziehung mich verändert, so verwandelt mich auch dieser lebendige Glaube. Ich verstehe immer mehr Gottes Wege, finde Antworten auf meine Fragen abseits vom Schwarzweißdenken. Ich entdecke, dass die Frage nach dem warum? nicht die wichtigste Frage im Leid ist. Ich erkenne Gott immer mehr und seine Liebe, die sich mir offenbart.
Als Glaubender brauche ich nicht wie ein Sklave ängstlich umherschleichen in der ständigen Furcht davor, dass mich eine strafende Peitsche schlägt. Wie oft bringt der Glaube solch skrupelhafte Menschen hervor. Jesus Christus hat uns durch seinen Tod und seine Auferstehung befreit zu neuem Leben. Leben wir dieses neue Leben in seiner ganzen Fülle!

Jesus, Liebe aller Liebe, du warst stets in mir, und ich vergaß es. Du warst zutiefst in meinem Herzen, und ich suchte dich anderswo. Als ich fern von dir war, hast du mich erwartet. Und jetzt wage ich, zu dir zu sagen: Auferstandener, du bist mein Leben. (Gebet aus Taize)
Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten? Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin. (Joh 14,2-3)

Immer wieder hat Jesus seinen Jüngern die enge Verbindung zwischen ihm und dem Vater im Himmel deutlich gemacht. Obwohl Jesus auf Erden scheinbar von seinem Vater getrennt ist, ist er doch eins mit ihm. Der Himmel ist keine ferne Welt, die mit der Erde nichts zu tun hätte. Der Himmel Gottes und die Erde der Menschen gehören beide zu Gott. Die Erde als Schöpfung Gottes ist kein Ort der Gottferne, sondern sie ist der Ort, an dem der Mensch Gott begegnen kann.
In Jesus Christus ist Gott den Menschen auf Erden in ganz besonderer Weise nahe gekommen und er bleibt ihnen nahe, bis er sie nach diesem Leben an einen Platz bei sich im Himmel holt. Jesus selbst ist der Weg, der von der Erde zum Himmel führt. Wer ihm glaubt, wer ihm nachfolgt, der wird eins mit Jesus, so wie Jesus eins ist mit dem Vater. Doch den Jüngern fällt es schwer, das zu verstehen.

.
Heilige Schrift
Und wohin ich gehe - den Weg dorthin kennt ihr. Thomas sagte zu ihm: Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen? Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich. Wenn ihr mich erkannt habt, werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Schon jetzt kennt ihr ihn und habt ihn gesehen. Philippus sagte zu ihm: Herr, zeig uns den Vater; das genügt uns. Jesus antwortete ihm: Schon so lange bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Wie kannst du sagen: Zeig uns den Vater? Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist? Die Worte, die ich zu euch sage, habe ich nicht aus mir selbst. Der Vater, der in mir bleibt, vollbringt seine Werke. Glaubt mir doch, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist; wenn nicht, glaubt wenigstens aufgrund der Werke! (Joh 14,4-11)
Mein Jesus, ich möchte dir dienen, und finde den Weg nicht, ich möchte dich finden, und finde den Weg nicht, ich möchte dich lieben, und finde den Weg nicht.

Ähnlich wie es Philipp Neri in diesem Gebet zum Ausdruck bringt, mag es auch den Jüngern ergangen sein, als Jesus zu ihnen davon sprach, dass er nun bald zum Vater gehen werde und dass auch sie ihm dorthin folgen würden. Jesus bereitet für sie beim Vater eine Wohnung und sie kennen den Weg dorthin - so behauptet es zumindest Jesus. Doch wem liegt da nicht die Frage des Apostels Thomas auf der Zunge: "Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen?" Hilft die Antwort Jesu wirklich weiter, wenn er sagt: "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich." Gott kennt jeden einzelnen von uns, er ist keinem von uns fern, doch wir sehen Gott oft nicht, erkennen seinen Willen nicht, irren ziellos umher. Ja, Herr, ich will dir dienen, aber wie? So vieles strömt auf uns ein, so viele Stimmen, so viele Wege. Auf welche Stimme soll ich hören? Welchen Weg soll ich gehen? Es ist schwer, unsere eigenen Wünsche vom Willen Gottes zu unterscheiden, es ist schwer, unter all den vielen Stimmen die Stimme Gottes zu hören, es ist schwer, dann auch wirklich das zu tun, was Gott von uns will. Diese Erfahrung hat jeder schon gemacht, der sich ernsthaft darum bemüht, den Willen Gottes zu tun.
"Euer Herz lasse sich nicht verwirren!" Wenn wir den Weg mit Jesus gehen wollen, müssen wir unser Herz und unsere Sinne einüben, wir müssen lernen, seine Stimme von den anderen Stimmen zu unterscheiden. Jesus sagt: "Ihr kennt den Weg!" Er traut uns zu, dass wir seine Stimme erkennen. Wie können wir das lernen?
Ich meine, dass wir den Weg, der Jesus ist und der zum Vater führt, dann finden, wenn wir immer auf Jesus schauen, wenn wir seine Worte in der Heiligen Schrift betrachten, wenn wir bei allen Entscheidungen fragen, was uns näher zu Jesus führt. Jesus wird uns selten ein ganz konkretes Wegzeichen schicken, und doch wird es nie so sein, dass wir nicht erkennen könnten, wohin wir gehen sollen. Wir müssen immer wieder nach der richtigen Richtung suchen, und wenn wir suchen, wird Jesus uns den Weg auch zeigen. Sicher werden wir manchmal verwirrt in die falsche Richtung laufen. Doch wir werden dann bald erkennen, dass uns dieser Weg nicht näher zu Jesus führt. Dann heißt es umkehren. Wir müssen auf jeden Fall immer den Mut haben, von einem falschen Weg umzukehren, wenn wir deutlich merken, dass er uns nicht näher zu Jesus führt, auch wenn noch so viel für diesen Weg zu sprechen scheint, auch wenn das Ziel noch so erstrebenswert erscheint. Das höchste Ziel kann ein falsches Ziel sein, wenn es nicht das ist, das Jesus von uns möchte.
Jesus will, dass wir zu ihm kommen in die Wohnungen, die er für uns beim Vater bereitet hat. Jesus will, dass wir das Leben in Fülle bei ihm haben. Wir aber sind oft blind und taub, lassen uns verwirren und kommen vom Weg ab. Herr, öffne du unsere Augen, unsere Ohren und unser Herz, dass wir deinen Weg sehen, dass wir deine Stimme hören, dass wir uns öffnen für die Liebe, die du uns schenken möchtest.

Erstaunlich finde ich die Verheißung Jesu am Ende des heutigen Evangeliums:

Wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich vollbringe, auch vollbringen, und er wird noch größere vollbringen, denn ich gehe zum Vater. Alles, um was ihr in meinem Namen bittet, werde ich tun, damit der Vater im Sohn verherrlicht wird. Wenn ihr mich um etwas in meinem Namen bittet, werde ich es tun. (Joh 14,12-14)

Die Werke der Gläubigen geben Zeugnis davon, ob sie zu Jesus Christus gehören. Ein schönes Beispiel für das, was Jesus meint, finden wir in den Texten der Lesungen aus der Apostelgeschichte, die in der Osterzeit vorgetragen werden. Dort hören wir jeden Sonntag von neuem, mit welchen Wundern das Leben der ersten Christen verbunden war. Manches dort mag uns etwas zu stilisiert erscheinen, im Alltag ging es dort so „menschlich“ zu wie überall, obwohl die Gemeinde „ein Herz und eine Seele“ war, gab es bei näherem Hinsehen doch Streit und Spaltungen, obwohl „alle alles gemeinsam hatten“ gab es doch welche, die einiges für sich zurückhielten. Und doch, die Gemeinde war in ihrem Kern darum bemüht, die Weisungen Jesu in die Tat umzusetzen.
Der Glaube kann Berge versetzen. Das erleben wir, wenn sich in hoffnungslos erscheinenden Sackgassen plötzlich eine Tür auftut. Es braucht Menschen, die anderen diese Hoffnung geben, die den Verzweifelten Mut machen, die anderen, die keine Hoffnung haben, hoffend bis zum Wendepunkt begleiten. Es braucht Menschen, die anderen zusagen „du schaffst es“ und sie bis zu dem Punkt begleiten, an dem sie es wirklich geschafft haben. Es braucht Menschen, die nicht nur schön reden, sondern die tun was sie sagen und deren Worte auch wirklich konkret werden.
Die Hoffnung, die wir in anderen wecken, muss sich wirklich als tragfähig erweisen. Viele klammern sich an jeden Strohhalm, der dann aber doch irgendwann umknickt. Wahre Hoffnung aber trägt bis zum Ende. Und eine solche Hoffnung sollen wir den Menschen geben. Hoffnung, die nicht abhängig macht und so wieder Menschen zerstört, sondern Hoffnung, die in die Freiheit und ins Leben führt.
Glaube darf nicht auf der rein spirituellen Ebene stehen bleiben. Dann wird er leicht zu einem heuchlerischen Spiritualismus, der sich damit zufrieden gibt, dass der Mensch sich an seiner eigenen Frömmigkeit erfreut und diese zur Schau trägt. Glaube muss konkret werden, indem er Werke zeitigt, die anderen Hoffnung geben. Werke Gottes, die den in den scheinbar so realen Zwängen unserer heutigen Welt verfangenen Menschen zeigen, dass es eine viel größere Realität gibt, die Wege in ganz andere Dimensionen erschließt, als es sich unser begrenzter wissenschaftlicher Verstand vorzustellen wagt. Dann kommt wieder Leben in unsere tote Zeit, die sich mit bunten Schattenbildern zufrieden gibt. Dann finden die Menschen aus dem Taumel zwischen Arbeit und Vergnügungen wieder einen festen Boden unter ihren Füßen und können eine Richtung erkennen, die den ewigen Kreislauf durchbricht und zu einem Ziel hinführt.

In Jesus wurde Gott einer von uns, um uns durch ihn in den innersten Bereich seines göttlichen Lebens einzuführen.
Jesus kam zu uns, um so zu werden wie wir, und er verließ uns, damit wir die Möglichkeit haben, so zu werden wie er.
Indem er uns seinen Geist, seinen Atem, schenkte, wurde er uns näher, als wir uns selbst sind. Durch diesen Atem können wir Gott "Abba, Vater" nennen und teilhaben an der geheimnisvollen Beziehung zwischen Vater und Sohn.
(Henri Nouwen)
So viele Wege,
so viele Meinungen
und Leben will ich,
wie es mir gefällt!

Völlig frei,
ganz ungebunden,
so werde ich glücklich!
Wirklich glücklich?
Vielleicht.

Ein Weg,
eine Wahrheit,
ein Lebensziel
für alle?
Kann das sein?

Jesus ist der Weg!
Jesus ist die Wahrheit!
Jesus ist das Leben!
Auch für dich!
Wage diesen Weg!