Johannes 1,1-18

Der Prolog

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Joh 1
Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. (Joh 1,1-2)

Das Johannesevangelium beginnt mit dem Prolog. Dieser schildert in poetischer Sprache Ursprung und Ziel Jesu Christi, der Hauptperson des Buches. Wie das gesamte Evangelium ist der Prolog "sprachlich sehr anspruchsvoll und zugleich sehr einfach" (Carlo M. Martini). Man muss das hier Gesagte ein Leben lang meditieren und wird es nie ganz verstehen. Dennoch dürfen wir uns von den Worten nicht verunsichern lassen und sie nicht als zu hoch für uns abtun. Jeder kann verstehen, was hier gesagt ist, aber zugleich haben diese Worte eine Tiefe, die kein Mensch ganz erfassen kann. Somit ist meine Erklärung dazu auch nur als Stückwerk zu begreifen. Ich möchte damit eine kurze Einführung geben, eine Hilfe, um selbst tiefer zu verstehen.
Der Prolog des Johannesevangeliums will auf poetische Weise hinführen auf das, was nun folgt. In erhabener Sprache zeigt er auf, dass dieses Buch auch einen ganz besonders Wichtigen Inhalt hat. Es geht um Jesus Christus und die Beziehung zu ihm, der sowohl von Anfang an beim Vater ist, aber auch uns Menschen nahegekommen ist. Der Prolog gibt eine zusammenfassende Einführung in das, was nun folgt. Zentrale Begriffe des Evangeliums, Gegensatzpaare wie Leben - Tod, Licht - Finsternis, Gnade - Gesetz tauchen hier auf. Sie werden später in den Reden Jesu immer wieder zur Sprache kommen und neu erklärt werden.
In der Liturgie hören wir den Prolog am Weihnachtstag und am 2. Sonntag nach Weihnachten als Evangelium. Im Gegensatz zu den anschaulichen Weihnachtsgeschichten bei Matthäus und Lukas erscheint uns der Johannesprolog als schwer und auf den ersten Blick unverständlich. Hat er überhaupt etwas mit Weihnachten zu tun? Wenn wir ihn uns genauer ansehen, so erkennen wir darin eine ganz eigene Weihnachtsgeschichte. Johannes, der so innig mit Jesus vertraut war, wie vielleicht kein anderer der Apostel, schreibt von der Liebe, der er in Jesus Christus begegnet ist.
Matthäus und Lukas wollen mit ihren Kindheitsgeschichten Jesu zu Beginn des Evangeliums zeigen, wo die Ursprünge Jesu liegen. Er ist als das in Betlehem, der Stadt Davids, geborene Kind der dem Volk Israel verheißene Messias, der neue König aus dem Hause Davids. Doch er ist mehr als das, denn er ist nicht wie ein gewöhnlicher Mensch gezeugt, sondern vom Heiligen Geist im Schoß der Jungfrau Maria.
Den Kindheitsgeschichten der Evangelien hat eine naive Frömmigkeit bald jede Menge Details aus der Kindheit Jesu hinzugefügt, die das Bild, das die Evangelien von Jesus zeichnen, eher verstellen als erhellen. Das Markusevangelium kommt ganz ohne Kindheitsgeschichte aus, Johannes zeigt die Ursprünge Jesu auf seine ganz eigene Art und Weise.

Im Anfang

Wenn Johannes von dem schreibt, was im Anfang war, so ist darin ein Anklang zu sehen an den Beginn der gesamten Heiligen Schrift. Dort heißt es im Buch Genesis: "Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde" (Gen 1,1). In diesem Anfang, der allem Geschaffenen vorausgeht, war schon der Sohn Gottes gegenwärtig. Jesus Christus ist nicht erst geworden, als er auf Erden erschienen ist, sondern er war schon von Anfang an oder vor allem Anfang beim Vater. Diese "Präexistenz" Jesu, wie es später die Theologen nennen werden, war etwas, das im Glauben der Christen schon immer fest verwurzelt war und bereits in den Paulusbriefen thematisiert wird, das aber später erst von den Theologen im Detail ausgeführt wurde.

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Joh 1
Das Wort - Logos

Der Ursprung Jesu liegt ganz in Gott. Er ist der Sohn Gottes, der von allem Anfang an beim Vater ist und wie der Vater Gott ist. Mit dem Begriff "Logos", den Johannes hier verwendet, wird Jesus als das Wort des Vaters charakterisiert. In ihm offenbart sich Gott den Menschen, spricht Gott zu den Menschen, teilt Gott sich den Menschen mit. Das Wort "Logos" wird im Neuen Testament neben dieser Stelle nur noch drei Mal verwendet (Joh 1,14, 1Joh 1,1; Offb 19,13). Es umfasst neben der Bedeutung "Wort" eine Fülle von Begriffen und hat eine umfangreiche Geschichte in der griechischen Philosophie. Allein schon mit dem Versuch, die Bedeutung von "Logos" an dieser Stelle zu beschreiben, kann man unzählige Bücher füllen.
Die Verwendung des Begriffes "Logos" an dieser Stelle hat daher auch zu Missverständnissen geführt. In der griechischen Philosophie ist der Logos ein Prinzip, das von Gott ausgeht und über allem Geschaffenen steht, jedoch wird der Logos als niedriger angesehen als Gott, der Eine, selbst. So ist auch im Christentum eine Irrlehre entstanden, nach der Jesus Christus zwar von Gott ausgeht, Gott ähnlich ist, aber eben doch nicht Gott gleich ist, sondern unter Gott steht. Es bedurfte der theologischen Reflexion von Jahrhunderten, aber auch handfester Kämpfe, bis die Wesensgleichheit von Vater und Sohn definiert wurde und somit dem Begriff "Logos" im Christentum eine von der griechischen Philosophie unabhängige Bedeutung zukam.
Wenn hier im Prolog von Gott die Rede ist und vom Logos, so werden einige den Heiligen Geist, die dritte Person der Dreifaltigkeit, vermissen. Dieser wird erstmals in Joh 1,32 genannt. Er kommt bei der Taufe auf Jesus Christus herab. In seinen Abschiedsreden verheißt Jesus dann seinen Jüngern den Heiligen Geist als Beistand und mit seinem Tod und seiner Auferstehung wird der Heilige Geist dann auf die Jünger übergehen. Der Heilige Geist ist also beim Wirken Jesu Christi immer gegenwärtig. Die Menschwerdung des Logos aber ist zunächst ein Ereignis zwischen Gott Vater und Gott Sohn. Daher nennt Johannes den Heiligen Geist nicht schon gleich zu Beginn, sondern erst im Zusammenhang mit dem ersten öffentlichen In-Erscheinung-Treten Jesu.

Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. (Joh 1,3)

Gott hat die Welt durch sein Wort geschaffen und dieses Wort ist schon damals Jesus Christus. Er ist der Schöpfungsmittler, durch den Gott alles geschaffen hat. Johannes macht deutlich, dass dieser Jesus, dem die Menschen auf Erden begegnet sind, kein anderer ist, als das Wort des Vaters, der Sohn Gottes, der vor aller Zeit beim Vater ist und durch den Gott, der Vater, alles geschaffen hat. Dies ist eine Kernaussage von Weihnachten. Wir feiern nicht irgendein Kind, irgendeinen Menschen, sondern die Geburt des Sohnes Gottes, der Gott und Mensch zugleich ist, wahrer Gott und wahrer Mensch. Verborgen leuchtet seine Gottheit in seinem Menschsein auf. Wer glaubt, der erkennt in Jesus Christus Gott, der erkennt die Herrlichkeit Gottes, die in ihm aufstrahlt.

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Joh 1
In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen. (Joh 1,4)

Gott hat seiner Schöpfung Leben verliehen. Zu allen Zeiten fragen sich Menschen, was das bedeutet, "Leben". Ein Organismus, Menschen, Tiere, Pflanzen, ja selbst kleinste Lebewesen und die kleinsten Zellen wachsen, vermehren sich, entwickeln sich weiter. Doch dieses Leben ist nicht selbstverständlich. Leben ist endlich, begrenzt. Mit dem Tod hört dieses Leben auf. Was kurz vorher noch ein blühender Organismus war mit Kraft und Willen und einer Ausstrahlung, wird nach dem Tod zu einer leblosen fleischlichen Hülle, die nur noch äußerlich an den lebenden Organismus erinnert und nach kurzer Zeit schließlich ganz zerfällt.
Damit Leben möglich ist, braucht es ganz besondere äußere Bedingungen, die sich auf unseren Planeten im Laufe von Jahrmillionen entwickelt haben, eine Atmosphäre, die vor kosmischer Strahlung schützt, relativ gleichbleibende, milde Temperaturen, Wasser, Sauerstoff, um nur einige zu nennen. Wie kommt es, dass sich diese Bedingungen gerade auf der Erde entwickelt haben und diese Vielfalt an Leben bis hin zum Menschen entstehen konnte? Gibt es noch andere Planeten in den Weiten des Universums, auf denen sich auch Leben, vielleicht sogar intelligentes Leben, entwickelt hat?
Gott hat allem Leben geschenkt, so sagt die Heilige Schrift. Jesus Christus, das Wort Gottes, der Schöpfungsmittler, ist zugleich der Lebensmittler. In Jesus Christus hat Gott seiner Schöpfung Leben verliehen. Die Schöpfung ist nicht nur ein Kunstwerk, ein Gebilde, sondern sie hat Leben in sich. Es ist dem Menschen schon vieles gelungen, aber bisher haben die Menschen es nicht geschafft, einem unbelebten Stoff Leben zu verleihen.
Vielleicht entsteht Leben auf natürliche Weise, wenn eine gewisse Konstellation der Umgebung vorhanden ist, wenn bestimmte chemische Elemente eine bestimmte für sie günstige Umgebung vorfinden. Vielleicht ist so Leben auch auf anderen Planeten entstanden. Vielleicht ist das Leben auf der Erde auch etwas Einmaliges. Viele moderne Wissenschaftler halten es jedoch für sehr wahrscheinlich, dass es auch auf anderen fernen Planeten Leben gibt. Was heißt das aber für unseren Glauben? Wie können wir vor diesem Hintergrund diesen Satz des Johannesprologs verstehen?
Die Menschen zur biblischen Zeit glaubten, dass die Erde der Mittelpunkt der Welt ist. Auch als man erkannte, dass die Sonne der Mittelpunkt ist, um den die Erde und die anderen Planeten kreisen, so war die Erde doch noch im Hinblick auf die Welt der Sterne irgendwie im Mittelpunkt. Jedenfalls musste die Erde für Gott im Mittelpunkt stehen, weil er auf ihr Leben geschaffen hat, er hat auf ihr Menschen geschaffen als sein Ebenbild, und selbst wenn diese Menschen durch irgendeine Art von Evolution entstanden sind, haben sie doch das Bewusstsein, das Gewissen, die Entscheidungsfreiheit zwischen Gut und Böse, die sie zu etwas Besonderem macht. Der Mensch steht für Gott im Mittelpunkt und um den Menschen zu retten, hat Gott seinen Sohn gesandt.
Was aber, wenn es auch noch auf anderen Planeten intelligentes Leben gibt? Kann es dann überhaupt einen Gott geben oder ist das Universum nicht doch aus sich selbst entstanden? Die moderne Wissenschaft kommt dem Geheimnis des Urknalls immer näher. Vielleicht braucht es keinen ersten unbewegten Beweger, der alles in Gang gesetzt hat, keinen lebendigen Gott, der Ursprung allen Lebens ist. Christlicher Glaube muss sich diesen Fragen stellen und vielleicht finden wir in den nächsten Jahrzehnten ganz neue Antworten darauf, an die heute noch niemand denkt.

Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst. (Joh 1,5)

Licht und Finsternis ist eines der Gegensatzpaare, die im Johannesevangelium mehrfach thematisiert werden. Ohne Licht kein Leben. Licht ist aber auch der Ort des Guten. Das Wort Gottes ist das Licht der Menschen. Die Welt sehnt sich nach dem Licht Gottes. Gott hat es den Menschen geschenkt, sein Licht zu schauen. Das ist das Wunderbare. Wir haben einen Gott, der uns nahe ist, der uns liebt, der mit uns sein möchte. Wir leben in einer Welt, die nicht sich selbst überlassen ist, sondern in Gottes Hand ist, eine Welt, in der das Licht stärker ist als die Finsternis.

Ein Mensch trat auf, von Gott gesandt; sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht. (Joh 1,6-8)

Wie bei allen Evangelien steht auch hier Johannes der Täufer an der Schwelle zum ersten Auftreten Jesu Christi. Jesus lebte verborgen, bis er bei seiner Taufe durch Johannes öffentlich in Erscheinung trat. Aufgabe Johannes des Täufers war es, als letzter Prophet des Alten Bundes von Jesus Christus Zeugnis zu geben und so das Volk Israel auf das Kommen des Messias vorzubereiten. Ab Joh 1,19 wird dann die Zeugenfunktion Johannes des Täufers konkret geschildert.
Johannes ist Zeuge und Wegweiser, nicht Ziel. Diese Botschaft war wahrscheinlich zunächst an Johannesjünger gerichtet, die zur Zeit der Entstehung des Evangeliums immer noch eine starke Gruppe neben dem Christentum gebildet haben. Johannes verbindet aber auch auf einzigartige Weise das Alte Testament mit dem Neuen. Er sollte von dem Licht Gottes, das von den Alten Propheten, allen voran Jesaja, verheißen worden war, Zeugnis ablegen, weil er der erste war, der es erkannte. Bei der Taufe Jesu im Jordan wird ihm Gott offenbaren, wer dieser Mann ist, den er da tauft.

Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. (Joh 1,9-10)

Johannes der Täufer ist Zeuge für das Licht, er ist nicht selbst das Licht. Das wahre Licht aber ist mit Jesus Christus in die Welt gekommen. Dieser wurde bisher noch nicht mit Namen genannt, aber die Gemeinde, für die Johannes sein Evangelium schreibt, weiß wer mit den Begriffen "Wort" und "Licht" gemeint ist. In Jesus Christus wird das Wort Gottes und das Licht des Lebens Fleisch. Vorher aber existiert der, der auf Erden Jesus Christus genannt wird, als "Wort" und "Licht" bei Gott. Vielleicht vermeidet Johannes gerade deshalb so lange, den Namen Jesus Christus zu verwenden, weil er darauf aufmerksam machen will, dass der, der als Jesus Christus auf Erden gelebt hat, weit mehr ist als ein Mensch.
Das wahre Licht kam in die Welt, das Licht, das alles erleuchtet. Doch die Welt erkennt das Licht nicht. Die Menschen halten vielmehr, wie es Platon im Höhlengleichnis schildert, die Schatten für die Wirklichkeit. Von diesen Schatten wenden sich nur wenige ab, um das Licht zu suchen. Der Mensch kann sich entscheiden zwischen dem Licht und der Finsternis, das gehört zu der Freiheit, die Gott der Welt geschenkt hat. Durch die Abwendung von Gott entsteht die Finsternis, das Leid. Doch Gott hilft immer wieder, dass das Leid nicht übergroß wird, er sendet sein Licht, das machtvoller ist als alle Finsternis. Leider ist so vielen Menschen ihre gewohnte Finsternis lieber, doch wer an Gott glaubt, wird das Wunderbare dieses Lichtes erkennen.

Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. (Joh 1,11-13)

Bereits im vorangegangenen Vers war davon die Rede, dass die Welt das Licht nicht erkannt hat. Nun heißt es, dass die Seinen ihn nicht aufgenommen haben. Die Seinen, das ist das Volk der Juden, Gottes auserwähltes Volk, das Gott zu seinem besonderen Eigentum erwählt hat. Der, der das "Wort" und "Licht" ist, wurde in dieses Volk hineingeboren, um es zu retten, doch dieses Volk lehnt ihn ab. Aber dennoch gibt es in diesem Volk und auch in der Welt Menschen, die ihn annehmen, aufnehmen. Und so entsteht das Neue, nämlich dass die Gotteskindschaft nicht mehr an das Blut gebunden ist. Nicht mehr wer einen jüdischen Vater hat gehört zum Gottesvolk, sondern jeder der an den Namen dessen glaubt, der das "Wort" und das "Licht" ist, an Jesus Christus.

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Hl. Schrift
Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit. (Joh 1,14)

Das Wort ist Fleisch geworden, sichtbar, greifbar, spürbar, verletzlich. Das "Wort" und "Licht" kam nicht nur als eine Erscheinung in die Welt, sondern als konkreter Mensch. Kann ich glauben, dass Gott sich so nah mit uns Menschen einlässt, dass er selbst wirklich Mensch wird? Nicht ein Supermensch, eine wundersame Erscheinung, sondern ein ganz konkreter Mensch? Es gibt immer wieder Irrlehren im Christentum, die das nicht glauben können. Sie sehen in Jesus Christus entweder nur einen ganz besonderen Menschen, der Gott sehr nahe ist, aber eben nicht Gott, oder sie sehen das Göttliche auf einen Menschen herabkommen, sich zwar des Menschseins bedienen, aber nicht Mensch werden. Doch Johannes und mit ihm der christliche Glaube bekennt: das Wort ist Fleisch geworden, wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich, ein Geheimnis, das für den Verstand unfassbar und allein im Glauben erfahrbar ist.
Gott ist Mensch geworden in Jesus Christus. Gott kam selbst in sein Eigentum. So zeigt Gott, dass er Herr ist über seine Schöpfung. Gottes Licht leuchtet in die tiefste Finsternis und wird nie verlöschen. Wie kann deutlicher werden, dass nicht das Böse, nicht die Finsternis, die Welt beherrscht, sondern dass das Gute, das Licht stärker ist, als durch die Menschwerdung Gottes. Er selbst hat sich nicht gescheut in diese Welt zu kommen, die scheinbar beherrscht wird von der Macht der Finsternis. Gott hat sich nicht gescheut, sich selbst als wehrloses Kind dem Raum der Finsternis auszuliefern. Die Macht der Finsternis hat sich gegen das Licht erhoben, doch sie konnte es nicht auslöschen, selbst dann nicht, als Gottes Sohn am Kreuz starb.

Johannes legt Zeugnis für ihn ab und ruft: Dieser war es, über den ich gesagt habe: Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er vor mir war. (Joh 1,15)

Erneut kommt Johannes der Täufer als Zeuge in den Blick. Er sagt deutlich, dass der, der nach ihm kommt, größer ist als er und dass der, der zeitlich nach ihm auftritt, von seinem Sein her vor ihm ist, weil er schon immer ist. Johannes der Täufer ist ein ganz besonderer Mensch, der aber, für den er Zeugnis ablegt, ist Gott. Johannes hat die Aufgabe, die Menschen auf sein Kommen vorzubereiten.

Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade. Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus. (Joh 1,16-17)

In Jesus ist Gott in seiner Fülle zu uns gekommen und Gott will die Menschen an der Fülle seiner Gnade teilhaben lassen. Diese Fülle zeigt uns das Evangelium immer wieder, beispielsweise wenn Jesus bei der Hochzeit von Kana so viel Wasser in Wein verwandelt, dass man mit diesem nicht nur die Hochzeitsgäste, sondern eine ganze Stadt verköstigen könnte (Joh 2,7-8), oder wenn von der Überfülle der Gabe des Geistes die Rede ist (Joh 3,34). Gott knausert nicht, Gott rechnet nicht, Gott schenkt und teilt aus seiner Fülle aus ohne Maß.
Knausrig aber sind die Juden, wenn sie Gott auf das Gesetz einengen, auf einen Gott, der von den Menschen die penible Erfüllung unzähliger Vorschriften erwartet, die das Leben bis ins kleinste Detail regeln. Das ist nicht der Gott Jesu Christi. Jesus erwartet nicht, dass die Menschen sich strikt an kleine und große Gebote halten, sondern er erwartet viel mehr, nämlich dass sie sich ganz Gott schenken und im Gegenzug dazu kann auch Gott sie überreich beschenken.

Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht. (Joh 1,18)

Jesus kommt vom Herzen des Vaters, er kommt direkt vom Vater. Im griechischen Urtext heißt es noch drastischer, dass er " auf den Schoß des Vaters hin ist". In Jesus Christus ist nicht nur ein besonderer Mensch erschienen, sondern der Sohn aus dem Herzen, aus dem Schoß des Vaters. Der mit Gott eins ist, er ist zu den Menschen gekommen. Er bringt Kunde von Gott, Offenbarung. Gott spricht sein Wort, nicht durch einen Menschen, nicht durch einen Propheten, sondern das Wort selbst wird Fleisch und spricht zu uns. Mehr als Jesus Christus von Gott sagt, kann nicht gesagt werden. Dass wir in Jesus Christus dem Einzigen begegnen "der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht" und "der uns Kunde gebracht" hat vom Vater, das will Johannes uns in seinem Evangelium zeigen. An dem Glauben daran, dass Jesus Gott und Sohn Gottes ist, scheiden sich die Geister. Das ist die große Dramatik des Evangeliums.