Römerbrief 1,1-2

Einführung

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Römerbrief
Paulus, Knecht Christi Jesu, berufen zum Apostel, ausgesondert, das Evangelium Gottes zu verkünden, das er durch seine Propheten im Voraus verheißen hat in heiligen Schriften. (Röm 1,1-2)

Der Brief an die Römer ist der längste, und nach Meinung vieler Exegeten auch der wichtigste unter den Briefen des Apostels Paulus. Die Verfasserschaft durch Paulus selbst gilt als weitestgehend gesichert. Er ist zudem der einzige Brief, den Paulus an eine Gemeinde richtet, der er noch nicht persönlich bekannt ist und deren Missionierung er nicht initiiert hat. Nachdem Paulus aus seiner Sicht im ganzen Osten des Römischen Reiches das Evangelium von Jesus Christus verkündet hat, wendet er sich nun dem Westteil zu. Seine Pläne bestehen darin, bis nach Spanien zu reisen. Auf dem Weg dorthin, möchte er in Rom Station machen.
Paulus hat in vielen bedeutenden Städten im Ostteil des Römischen Reiches gewirkt. Er hat Galatien durchwandert und kam so von der Küste bis weit in das Landesinnere. Er hat Gemeinden gegründet, die zu Keimzellen der Verbreitung des christlichen Glaubens geworden sind. Aber er hat auch viel Widerstand erfahren. Den Titel eines Apostels musste er immer wieder gegen Angriffe verteidigen, ist er doch der einzige Apostel, der Jesus nicht zu Lebzeiten gekannt hat, sondern erst später durch eine Vision berufen wurde.
Viele haben seine Lehre kritisiert. Da ging es vor allem um die Frage, welche Bedeutung für Christen, die nicht aus dem Judentum stammen, die jüdische Beschneidung, und damit verbunden auch das jüdische Gesetz, haben sollen. Paulus entwickelte eine eigene Theologie, mit der er zeigen wollte, dass Gott durch Jesus Christus einen neuen Bund mit den Menschen geschlossen hat, der zwar den alten Bund mit Israel nicht aufhebt, der aber auch nicht einfach die Fortführung des alten ist.
Sicher hat man in Rom von Paulus gehört und seine Lehre kontrovers diskutiert. Paulus möchte Klarheit schaffen, bevor er persönlich erscheint. Er möchte, dass die Römer seine Lehre nicht nur vom Hörensagen und so vielleicht verfälscht kennenlernen, sondern dass sie aus seiner eigenen Feder erfahren, was er verkündet. So können unnütze Diskussionen, die auf Missverständnissen beruhen, vermieden werden, und Paulus kann sich auf das Wesentliche konzentrieren, wenn er kommt.
In der langen Anschrift macht Paulus deutlich, welche Stellung er innehat. Er ist Knecht und Diener Jesu Christi und nicht etwa eines anderen Menschen. Er sieht sich auch nicht als einen Abgesandten der Apostel, sondern ist selbst Apostel, berufen durch Jesus Christus. Somit gibt es keine andere Autorität über ihm außer Jesus Christus selbst, wenngleich für ihn natürlich als Mitglied des Apostelkreises eine gewisse Einstimmigkeit mit den anderen Aposteln wichtig ist.
Seine Berufung ist es, das Evangelium, die Frohe Botschaft von Jesus Christus zu verkünden und zwar vor allem unter den Heiden. Dieses Evangelium steht für ihn in engem Zusammenhang mit den heiligen Schriften der Juden, deren Erfüllung nun durch Jesus Christus gekommen ist. In den folgenden Worten gibt Paulus eine kurze Zusammenfassung dieses Evangeliums. Er versteht unter Evangelium nicht die Schilderung des Wirkens Jesu, wie wir es aus den Evangelien kennen, sondern die Botschaft von der Erlösung, die Jesus Christus durch sein Leben, seinen Tod und seine Auferstehung gewirkt hat.
Über die Anfänge der christlichen Gemeinde in Rom wissen wir nichts Sicheres. Erst spätere Legenden führen die Gründung auf Petrus zurück. Das wäre aber ein Umstand, den Paulus sicher erwähnt hätte. Das Christentum dürfte auf den üblichen Handelswegen in die Hauptstadt des Römischen Reiches gekommen sein und die große jüdische Diaspora als Ausgangsbasis genutzt haben, wobei es jedoch zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen ist. Wahrscheinlich war dies der Grund dafür, dass Kaiser Claudius zunächst im Jahr 41 ein Versammlungsverbot für die Juden Roms ausgesprochen hat und schließlich im Jahr 49 die Juden aus der Stadt ausgewiesen hat. Dies beschleunigte den Ablösungsprozess des jungen Christentums vom Judentum.
Den Brief an die Römer hat Paulus wahrscheinlich in Korinth im Jahr 56 n. Chr. verfasst. Der Brief besteht, abgesehen vom Briefrahmen, aus zwei großen Teilen. Im ersten Teil entfaltet Paulus seine Rechtfertigungstheologie (1,18-8,39) mit ihren Konsequenzen für die Frage nach Gottes Gerechtigkeit im Verhältnis zum erwählten Volk Israel (Kap. 9-11). Im zweiten Teil legt Paulus den Römern zunächst allgemeine Regeln des Gemeindelebens dar (Kap. 12-13) und wendet sich dann einem speziellen Problem in der römischen Gemeinde zu (14,1-15,13). Der Schlusshymnus Röm 16,25-27 ist vermutlich erst später hinzugefügt worden.