Kolosserbrief 1,12-23

Gottes Heilsplan

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Kolosserbrief
Dankt dem Vater mit Freude! Er hat euch fähig gemacht, Anteil zu haben am Los der Heiligen, die im Licht sind. (Kol 1,12)

Was ist die Mitte christlichen Glauben, der Anlass zu höchster Freude und überschwänglichem Dank? Es ist nichts Geringeres als die Tatsache, dass wir schon jetzt zusammen mit den Heiligen leben. Als Gläubige sind wir verbunden mit der Welt des Lichts, in der es keine Schatten gibt, in der Gottes Herrlichkeit sichtbar leuchtet und alles erfüllt, in der alle durchdrungen sind von Gottes Licht und in diesem Licht eins sind mit dem Vater und dem Sohn im Heiligen Geist.
Als Gläubige sind wir bereits hier auf der Erde, wo es neben dem Licht auch Finsternis und Schatten gibt, mit Gottes Reich verbunden. Christus hat das Himmelreich auf die Erde gebracht und spricht davon in seinen Reden und Gleichnissen, um das Kommen dieses Reiches beten wir täglich im Vater Unser. Für dieses Rech lohnt es sich, alles aufzugeben, weil es bedeutungslos ist im Vergleich zu der Fülle, die wir von Gott empfangen.

Er hat uns der Macht der Finsternis entrissen und aufgenommen in das Reich seines geliebten Sohnes. (Kol 1,13)

Der Vater hat uns in das Reich seines Sohnes aufgenommen. Drei für das Christsein wesentliche Tatsachen werden in diesen Versen ausgesprochen:
- Wir haben jetzt schon Teil an der Gemeinschaft der Heiligen, die im Licht sind.
- Gott hat uns der Macht der Finsternis entrissen.
- Wir leben schon jetzt in seinem Reich.
Die Finsternis hat keine Macht mehr über uns, weil das Licht stärker ist als die Finsternis. Auch wenn, solange wir noch auf der Erde leben, es neben Gottes Licht auch Schatten gibt, herrscht doch keine vollkommene Finsternis mehr. Es gibt hier auf der Erde keinen Ost, den die Strahlen von Gottes Licht nicht erreichen könnten. An jedem Ort, und mag er uns noch so finster erscheinen, ist auch ein Strahl von Gottes Liebe, der stärker ist als die Finsternis. Seien wir uns stets dessen bewusst, was Gott uns geschenkt hat und danken ihm stets dafür. Wir brauchen nicht weiter zu suchen, wir haben bereits die Fülle empfangen.

Danke, Vater,
dass du dich uns zugewandt hast in deinem Sohn.
Danke Herr Jesus Christus,
dass du für uns Mensch geworden bist
und das Reich deines Vaters
auf die Erde gebracht hast.
Es ist dein Reich,
das Reich des Lichtes und der Liebe,
in dem alle leben,
die bereits vollkommen sind,
zusammen mit denen,
die dir immer ähnlicher werden wollen.
Amen.

Gottes Licht ist stärker als alle Finsternis, sowohl im Himmel als auch auf Erden. Diese Gewissheit sollen wir stets in uns tragen, gerade dann, wenn wir in einer schwierigen und ausweglos scheinenden Situation befinden, oder wenn wir daran zweifeln, ob Gott wirklich existiert, ob der Gott der Christen wirklich der wahre Gott ist. Vertrauen wir der Kraft der lichtvollen Liebe Gottes, dass sie uns an wirklich jedem Ort erreichen kann. Gott hat uns aber noch weit mehr geschenkt, als nur die Befreiung aus der Finsternis.

"Er hat uns versetzt", fährt Paulus fort, "in das Reich des Sohnes seiner Liebe." Gott hat also seine Menschenfreundlichkeit nicht bloß auf die Befreiung aus der Finsternis beschränkt. Nun ist freilich auch schon die Befreiung aus der Finsternis etwas Großes, aber etwas weitaus Größeres noch ist die Zulassung zum Himmelreich. Betrachte also, als wie vielfältig sich das Gnadengeschenk erweist: dass er uns, die wir im tiefen Abgrund gefangen lagen, befreite, darüber hinaus aber, dass er uns nicht nur befreite, sondern sogar ins Himmelreich versetzte. (Johannes Chrysostomus)

Die alten, auf Martin Luther zurückgehenden, deutschen Übersetzungen, verwenden statt dem Wort "aufgenommen" das Wort "versetzt". Auch im alten Münsterschwarzacher Psalter, den ich früher oft gesungen habe, wurde diese Übersetzung verwendet und mir klingt noch die schöne Melodie des Verses im Ohr. Leider konnte ich diese alte Ausgabe nicht mehr finden.
"Er hat uns versetzt in das Reich, des Sohnes seiner Liebe." Jesus Christus ist der geliebte Sohn des Vaters, Gottes menschgewordene Liebe, durch den wir hineingenommen werden in das Licht und die Liebe Gottes, von der sein Reich erfüllt ist. Das alte Wort "versetzt" passt hier meiner Meinung nach sehr gut, weil es das Zusammenspiel von Gottes Gnade und unserem eigenen Zutun zum Ausdruck bringt.
"Versetzt" werden Schüler von einer Jahrgangsstufe in die nächste, wenn sie während des Schuljahres mit geringerem oder größerem Erfolg am Unterricht teilgenommen haben. Nur sehr wenige Schüler schaffen die Versetzung nicht, aber meistens schaffen sie es nach einer "Ehrenrunde" dann im nächsten Jahr. Die Schüler haben während des Schuljahres die Aufgabe zu lernen, nicht nur für die Schule und die guten Noten, sondern auch für sich selbst und das Leben, wie man so sagt. Dann erfolgt die Versetzung wie von selbst, auch wenn es am Ende des Schuljahres bei manchen noch bange Momente gibt.

Es zeigt sich also, dass es nicht lediglich Gottes Werk, sondern auch Sache unserer Mitwirkung ist. Dadurch aber, dass er nicht einfach in das Himmelreich sagt, sondern "in das Reich des Sohnes seiner Liebe", wählt eine feierlichere Bezeichnung. Dies nämlich ist die größte Lobeserhebung, die es geben kann. ... Gott hat uns derselben Herrlichkeit gewürdigt wie seinen Sohn, und nicht nur das, sondern mit Nachdruck: wie seinen geliebten Sohn. Seine Feinde, die in Finsternis gefangen waren, hat er wie mit einem Schlag dorthin versetzt, wo sich der Sohn befindet, an denselben Ehrenplatz wie diesen. (Johannes Chrysostomus)

Die Ähnlichkeit mit Christus ist immer wieder Thema der neutestamentlichen Schriften. Die Evangelien schildern uns ein Bild Jesu Christi, sie geben uns eine Richtschnur, an der wir unser Handeln ausrichten können. Am Anfang steht Gottes Entschluss, uns zu retten, dann folgt unsere Entscheidung, an Jesus Christus zu glauben. Dann kommt es in der Taufe zur Überkleidung mit dem Gewand Jesu Christi, zu unserer Aufnahme in sein Reich. Von nun an haben wir Anteil an seinem Reich und sollen Jesus Christus immer ähnlicher werden, sollen uns des Ehrenplatzes als würdig erweisen, den wir erhalten haben.

Durch ihn haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden. (Kol 1,14)

Hier wird deutlich, wodurch diese Versetzung in das Reich des Sohnes möglich wurde, nämlich durch die Vergebung der Sünden. Die Sünde ist es, die den Menschen an die Macht der Finsternis gefesselt hat. Der Mensch kann sich nicht selbst die Sünden vergeben. Er benötigt jemanden, der diese Vergebung wirkt. Gott selbst ist es, der die Vergebung schenkt, indem er seinen geliebten Sohn in die Welt gesandt hat. Der Sohn aber kann die Vergebung der Sünden wirken, weil alle Schöpfung in ihm und durch ihn und auf ihn hin geschaffen ist. Der geliebte Sohn ist der Schöpfungsmittler und kann daher auch zum Erlöser der Schöpfung werden. Was dies bedeutet, führen die folgenden Verse des Hymnus aus.

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Christus
Er ist Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin erschaffen. Er ist vor aller Schöpfung und in ihm hat alles Bestand. (Kol 1,15-17)

Die Rolle Christi als Erlöser kommt ihm nicht deshalb zu, weil er auf Erden etwas Großartiges vollbracht hätte, sondern sie ist in ihm bereits vor Erschaffung der Welt angelegt und grundgelegt. Der Hymnus versucht das zu beschreiben, was später im Glaubensbekenntnis definiert wird, in dem es heißt:

Wir glauben
an den einen Herrn Jesus Christus,
Gottes eingeborenen Sohn,
aus dem Vater geboren vor aller Zeit:
Gott von Gott,
Licht vom Licht,
wahrer Gott vom wahren Gott
gezeugt nicht geschaffen,
eines Wesens mit dem Vater;
durch ihn ist alles geschaffen.

Der Sohn ist vor aller Zeit aus dem Vater geboren. Es gibt also keine Zeit, in der nur der Vater ohne den Sohn existiert hätte. Vater und Sohn gehören untrennbar zusammen, ebenso wie auch der Heilige Geist untrennbar zu Vater und Sohn gehört. Dar Vater ist der Schöpfer, die Schöpfung aber geschieht durch das Wort, den Sohn. Er geht aller Schöpfung voraus. In ihm wurde alles erschaffen und zwar restlos alles. Der Hymnus versucht hier, alle denkbaren Bereiche abzudecken, Himmel und Erde, Sichtbares und Unsichtbares, Throne, Herrschaften, Mächte und Gewalten.
Es gibt keinen Raum zwischen Himmel und Erde, der nicht in Christus geschaffen wäre, sowohl das Sichtbare, als auch das Unsichtbare ist durch ihn. Auch alle Welten der Engel und Geister, gerade auch jene, die die Irrlehrer den Kolossern vorstellen, unterstehen Christus. Es gibt keine Macht, und sei sie noch so sehr in der Finsternis, die unabhängig von Gott existieren würde.
Gott hat alles geschaffen. Welch ein Trost ist das für uns. Nichts kann uns trennen von Gottes Liebe. Aber doch stellt sich zugleich die Frage, warum es dann so viel Leid und Unheil gibt in der Welt. Diese Frage stellt Paulus hier nicht. Wir werden auch keine befriedigende Antwort auf diese Frage finden. Es bleibt uns allein, alle Zweifel durch das Vertrauen auf Gott zu überwinden, in der Hoffnung, dass er in aller Not und allem Leid einen Weg des Heils öffnet.
Nicht die Zweifel sollen uns regieren, sondern die Hoffnung. In unserem Herzen soll das unerschütterliche Vertrauen in Gottes Liebe herrschen. Dies ist der Glaube, von dem Jesus sagt, dass er Berge versetzt. Der Kleinmütige aber versinkt wie Petrus, als er noch unreif und übermütig zu Jesus über das Wasser laufen will. Gott verurteilt unseren Kleinglauben nicht. Gott weiß, dass wir Zeit und Erfahrung brauchen, um zu einem wirklich festen Glauben zu gelangen. Wir können einen solchen Glauben auch nicht machen, er wird uns geschenkt, aber das Geschenk können wir nur entdecken, wenn wir dafür bereit sind. Das ist die Versetzung, von der Paulus am Anfang des Hymnus spricht. Lassen wir uns von Gott versetzen in das Reich des Sohnes seiner Liebe, in dem alles erschaffen wurde, durch den und auf den hin alles ist und alles Bestand hat.

Er ist das Haupt, der Leib aber ist die Kirche. Er ist der Ursprung, der Erstgeborene der Toten; so hat er in allem den Vorrang. Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles auf ihn hin zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Frieden gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut. (Kol 1,18-20)

Im zweiten Teil besingt der Hymnus das Geheimnis der Erlösung. Erlösung geschieht in der Kirche. Die Kirche ist Christi Leib, Christus aber ist das Haupt der Kirche. Viele Exegeten gehen davon aus, dass dieser Vers nachträglich vom Verfasser des Briefes in den übernommenen urchristlichen Hymnus eingefügt wurde. Er betont die Stellung der Kirche im Erlösungswerk Christi. Die Kirche ist das neue Volk Gottes, das Christus durch seine Auferstehung geründet hat.
Wie die Schöpfung durch Christus ist, so ist auch die Neuschöpfung in ihm. Die Auferstehung Christi ist der Anfang dieser Neuschöpfung. Auch hier wieder der universelle Gedanke. Alles will Gott durch Christus versöhnen. In Christus wohnt das Pleroma, die ganze Fülle. Es gibt keine andere Macht, durch die Erlösung werden kann. Allein das Kreuzesblut Christi wirkt unsere Erlösung, an der wir in der Taufe Anteil erhalten. Die Gemeinde ist aufgefordert, das, was der Hymnus besingt, aktiv im Leben umzusetzen.

Auch ihr standet ihm einst fremd und feindlich gegenüber; denn euer Sinn trieb euch zu bösen Taten. Jetzt aber hat er euch durch den Tod seines sterblichen Leibes versöhnt, um euch heilig, untadelig und schuldlos vor sich hintreten zu lassen. Doch müsst ihr im Glauben bleiben, fest und in ihm verwurzelt, und ihr dürft euch nicht von der Hoffnung des Evangeliums, das ihr gehört habt, abbringen lassen. In der ganzen Schöpfung unter dem Himmel wurde es verkündet und ich, Paulus, bin sein Diener geworden. (Kol 1,21-23)

Der vorangegangene Christushymnus hat mit der Sehnsucht Gottes geendet, alles in Christus zu vereinen. Es ist Aufgabe des Apostels, das Evangelium zu verkünden, um die Menschen von Feinden Gottes zu Freunden Gottes zu machen. Einst gehörten die Gläubigen auch zu den Feinden Gottes, waren im Bösen gefangen. Aber jetzt sind sie im Reich des geliebten Sohnes, haben Anteil an der Erlösung. Diesen Anteil gilt es zu bewahren und nicht leichtfertig wieder aufzugeben. Die Gläubigen dürfen sich nicht von der Hoffnung abbringen lassen, die das Evangelium in ihnen geweckt hat.

Der Apostel will sagen: Obschon ihr nicht wider Willen und gezwungen, sondern freiwillig und absichtlich von ihm abgefallen wart, so hat er euch dennoch, trotz eurer Unwürdigkeit, mit sich versöhnt. Und da er der Himmelsbewohner gedacht hat, so zeigt er, dass die ganze Feindschaft hier auf der Erde, nicht dort oben ihren Ursprung genommen hat. Denn jene waren, wie auch Gott, schon längst zum Frieden bereit, ihr aber wolltet euch nicht dazu verstehen. Überhaupt führt er den Nachweis, dass die Engel späterhin nichts hätten ausrichten können, wenn die Menschen in der Feindschaft verharrt wären: sie vermochten weder die Menschen für sich zu gewinnen, noch die Gewonnenen vom Teufel zu befreien. Denn so wenig es etwas genützt hätte, sie zur Sinnesänderung zu bestimmen, solange der nicht gebunden war, der sie in seiner Gewalt hatte, ebenso wenig hätte es etwas genützt, den Teufel zu binden, solange die von ihm Beherrschten die Rückkehr verweigerten. Es musste vielmehr beides geschehen; und davon haben die Engel nicht einmal das eine, Christus aber hat beides bewirkt. Dabei ist die Sinnesänderung wunderbarer als die Aufhebung des Todes. Denn letztere war ausschließlich sein Werk und stand allein in seiner Macht, erstere aber hing nicht bloß von ihm ab, sondern auch von uns. (Johannes Chrysostomus)

Beten wir, dass auch wir fest in der Hoffnung stehen, und dass Christus, der Ursprung unseres Lebens, auch dessen Mitte und Ziel ist. Ich habe hier einige Texte gesammelt, die uns helfen können, das Gesagte zu vertiefen:

Christus, göttlicher Herr,
Dich liebt, wer nur Kraft hat zu lieben:
unbewusst, wer Dich nicht kennt,
sehnsuchtsvoll, wer um Dich weiß.

Christus, Du bist meine Hoffnung,
mein Friede, mein Glück, all mein Leben:
Christus, Dir neigt sich mein Geist;
Christus, Dich bete ich an.

Christus, an Dir halt' ich fest
mit der ganzen Kraft meiner Seele:
Dich, Herr, liebe ich -
Suche Dich, folge Dir nach.
Amen.