Hebr 2,1-18 Gottes Wort

Mensch geworden

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Heilige Schrift
Darum müssen wir umso aufmerksamer auf das achten, was wir gehört haben, damit wir nicht vom rechten Kurs abgetrieben werden. Denn wenn schon das durch Engel verkündete Wort verpflichtend war und jede Übertretung und jeder Ungehorsam die gerechte Vergeltung fand, wie sollen dann wir entrinnen, wenn wir uns um ein so erhabenes Heil nicht kümmern, das zuerst durch den Herrn verkündet und uns von denen, die es gehört hatten, bestätigt wurde? Auch Gott selbst hat dies bezeugt durch Zeichen und Wunder, durch Machttaten aller Art und Gaben des Heiligen Geistes, nach seinem Willen.
Denn nicht Engeln hat er die zukünftige Welt unterworfen, von der wir reden, vielmehr bezeugt an einer Stelle jemand: Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, oder des Menschen Sohn, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur ein wenig unter die Engel erniedrigt, mit Herrlichkeit und Ehre hast du ihn gekrönt, alles hast du ihm unter seine Füße gelegt. Denn indem er ihm alles unterwarf, hat er nichts ausgenommen, was ihm nicht unterworfen wäre. Jetzt aber sehen wir noch nicht, dass ihm alles unterworfen ist, aber den, der ein wenig unter die Engel erniedrigt war, Jesus, ihn sehen wir um seines Todesleidens willen mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt; es war nämlich Gottes gnädiger Wille, dass er für alle den Tod erlitt. (Hebr 2,1-10)

Vielfältig hat Gott seit Anbeginn der Welt zu den Menschen gesprochen, das macht der Hebräerbrief gleich zu Beginn deutlich. Aber all diese Offenbarungen überbietet jene, die Gott in Jesus Christus gebracht hat. Aber wer ist Jesus Christus? Kann Gott sich wirklich so erniedrigen, wie er es in Jesus Christus getan hat, dass er selbst Mensch wird? Dieses Geheimnis ist schon immer vielen unverständlich. Vielleicht haben wir uns nur zu sehr daran gewöhnt, dass es uns so selbstverständlich erscheint. Ein Gott, der Mensch wird, verletzlich, sterblich, schwach in den Augen der Menschen, der sogar am Kreuz stirbt, kann niemals selbstverständlich sein.
Menschen wollen lieber starke Götter, Geistwesen, die sich nicht mit der Welt des Menschlichen verbinden. Auch im Christentum hat es immer wieder Lehren gegeben, die Jesu Menschheit im Vergleich zu seiner Göttlichkeit als vernachlässigbar betrachtet haben oder sein Menschsein gar nur auf einen Scheinleib reduziert haben, der ihm lediglich als Hülle gedient hat. Andererseits gab es auch viele, die das Gottsein Jesu abgelehnt haben im Hinblick auf seine Menschlichkeit. Nur das Geistige zählt, dachten viele. Ihnen standen die Engel näher, die wie das Göttliche reine Lichtwesen waren und nicht mit der Materie vermengt.
Aber christlicher Glaube sieht die Welt anders. Göttliches und Weltliches stehen nicht im Widerspruch zueinander. Gott hat die Welt erschaffen und wohnt selbst in ihr. Alles in der Welt kann auf das Göttliche verweisen. Und weil die Welt Gott so nahe steht, kann er auch selbst in ihr Wohnung nehmen. In Jesus Christus kommt Gott selbst in diese Welt und als Jesus Christus zum Vater zurückkehrt, nimmt er auch sein Menschsein mit. Vom Vater sendet er den Heiligen Geist, in dem Gottes Kraft unverwüstlich in der Welt bleibt. Aber warum wurde Gott Mensch?

Denn es war angemessen, dass Gott, für den und durch den das All ist und der viele Söhne zur Herrlichkeit führen wollte, den Urheber ihres Heils durch Leiden vollendete. (Hebr 2,10)

Die Menschwerdung Gottes ist angemessen, weil Gott die ganze Schöpfung zu sich führen will. Die ganze Geschichte der Menschheit ist nichts anderes als der Ruf Gottes nach dem Menschen. Gott hat die Welt geschaffen, um in inniger Vertrautheit mit dem Menschen zu leben, ihm seine Nähe und Fürsorge zu zeigen, ihm alles zu schenken. Aber der Mensch tut sich so schwer, Gottes Liebe zu erkennen. Er hat andere Ziele, Macht und Reichtum, und mit seiner Gier zerstört der Mensch die schöne und fruchtbare Schöpfung Gottes und er zerstört sich selbst, indem er das Bild Gottes zerstört, das er selbst sein soll.

Denn er, der heiligt, und sie, die geheiligt werden, stammen alle aus Einem; darum schämt er sich nicht, sie Brüder zu nennen und zu sagen: Ich will deinen Namen meinen Brüdern verkünden, inmitten der Gemeinde dich preisen; und ferner: Ich will auf ihn mein Vertrauen setzen; und: Siehe, ich und die Kinder, die Gott mir geschenkt hat. (Hebr 2,11-13)

Gott und Mensch gehören zusammen. Gott will nicht eine unnahbare und erhabene Majestät für den Menschen sein, kein Gott, den Priester im Tempel wegsperren, damit er dem gemeinen Volk ja nicht zu nahe kommt und sie selbst schön ihre Ehrenstellung als Diener Gottes behalten und damit auch ihren Anteil an den reichen Gaben, die das Volk den Göttern spendet. Gott will auch keine rein geistige Wesenheit sein, die nur große Denker ergründen können.
Gott will mitten unter den Menschen sein, er will allen Menschen nahe sein, den Reichen, aber mehr noch den Armen, den Gebildeten, aber mehr noch den Einfältigen, den Starken, aber mehr noch den Schwachen und Unterdrückten. So hat Jesus gelebt. Er ist unter das einfache Volk gegangen, hat sich der Nöte der Menschen angenommen, hat sich nicht von den Mächtigen bestechen lassen, sondern ihnen deutlich die Meinung gesagt, hat sich nicht von den Frommen blenden lassen, sondern ihnen den Spiegel vorgehalten, der zeigt, dass vieles an ihrer Frömmigkeit nur trügerischer Schein ist.
In Jesus ist Gott zum Menschensohn geworden, zum Jedermann, zu einem Menschen wie du und ich, er ist zum Bruder der Menschen geworden, der die Menschheit als geschwisterliche Gemeinschaft formen wollte, die eins ist in der Liebe. Er hat vor denen gewarnt, die ihn als Herrn erheben und so aus der Mitte der Menschen fortnehmen wollen, um ihn selbst in Besitz zu nehmen und sich an ihm zu bereichern.
Alle Menschen sind Gottes Kinder, Gott ist unser Vater und wir alle sind Schwestern und Brüder. In Gott sind alle Menschen untereinander verbunden und zugleich mit der Schöpfung. Es gilt nicht mehr die alte Unterscheidung zwischen Bruder und Fremder, sondern alle sind wir Brüder und Schwestern, weil wir alle von Gott stammen. Warum maßen wir uns an, den einen Fremden oder gar Feind zu nennen, den Gott uns zum Bruder oder zur Schwester gegeben hat?

Da nun die Kinder von Fleisch und Blut sind, hat auch er in gleicher Weise daran Anteil genommen, um durch den Tod den zu entmachten, der die Gewalt über den Tod hat, nämlich den Teufel, und um die zu befreien, die durch die Furcht vor dem Tod ihr Leben lang der Knechtschaft verfallen waren. Denn er nimmt sich keineswegs der Engel an, sondern der Nachkommen Abrahams nimmt er sich an. Darum musste er in allem seinen Brüdern gleich sein, um ein barmherziger und treuer Hohepriester vor Gott zu sein und die Sünden des Volkes zu sühnen. (Hebr 2,14-17)

Die Menschwerdung Gottes ist keine Schwäche Gottes, sondern zeigt seine Stärke. Gott ist Mensch geworden, um seinen Kindern gleich zu sein und sie zu beschützen vor den Kräften, die sie ins Verderben führen wollen. Der Mensch ist Gott ähnlich, nach dem Abbild Gottes ist er geschaffen, wie es schon im Buch Genesis heißt. Darum KONNTE Gott Mensch werden, weil die Distanz zwischen Gott und Mensch nicht unüberwindbar ist, und darum WOLLTE Gott Mensch werden, weil er es konnte und es der einzige Weg für ihn war, sein Bild im Menschen wieder zu erneuern. Das Buch Genesis spricht von der intimen Vertrautheit zwischen Gott und Mensch, bevor diese durch die Sünde gestört wurde. Gott will dem Menschen diese Vertrautheit wieder ermöglichen, indem er selbst Mensch wird, und zeigt, wie er den Menschen gewollt hat.

Denn da er gelitten hat und selbst in Versuchung geführt wurde, kann er denen helfen, die in Versuchung geführt werden. (Hebr 2,18)

Erhabener als die Engel - in allem uns gleich, so kann Jesus uns Vorbild sein und zugleich Hilfe auf unserem Weg. Er ist unser Held, der uns zeigt, wie Leben geht. Er war wie wir, hatte wie wir mit menschlicher Schwachheit zu kämpfen, mit Gefühlen, mit der Frage, was in jeder Situation das Richtige ist, das getan werden soll. Aber er ist der Versuchung nicht erlegen, sondern hat immer den Willen des Vaters getan.
Erlösung bedeutet die Überwindung der Distanz zwischen Gott und Mensch und die Ermöglichung einer tiefen Vertrautheit. Als Erlöste leben bedeutet, in Vertrautheit mit Gott zu leben und die Sünde zu meiden, die diese Vertrautheit stört. Je mehr wir lernen, in den Versuchungen standzuhalten, umso mehr kann diese Vertrautheit mit Gott wachsen.
Gott selbst hat uns in seinem Sohn diesen Weg gezeigt. Wir haben das Vorbild vieler Heiligen, die diesen Weg gegangen sind. Nur, wenn auch wir lernen, diesen Weg bewusst zu gehen, können wir zu Kindern Gottes werden.
Wir müssen der Versuchung widerstehen, das ist unser Beitrag, Gott selbst aber hat viel mehr getan, um diese Vertrautheit zu ermöglichen. Er ist in seinem Sohn Mensch geworden und hat sich am Kreuz für uns hingegeben. So hat er alles getan, was notwendig war, damit Erlösung möglich werden kann. Wir brauchen uns nur noch in seine Hände zu legen und so leben, wie er es uns gezeigt hat. Werden auch wir nie müde, auf Jesus Christus zu blicken, auf sein Leben und Wort, wie es uns die Heilige Schrift zeigt. Lassen wir uns verwandeln von diesem Blick und schreiten wir so von Heiligkeit zu Heiligkeit, dass Gottes Bild in uns immer mehr erneuert werde.