1 Korinther 12,12-30

Kirche als Leib Christi

.
Denn wie der Leib eine Einheit ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: So ist es auch mit Christus. Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt. (1Kor 12,12-13)

Paulus hat im vorangegangenen Abschnitt gezeigt, wie in der Gemeinde jeder seine besondere Gabe hat, die er zum Nutzen aller einbringen kann. Davon ausgehend vergleicht er nun die Organisation der Gemeinde mit dem Organismus eines Körpers. Wie im Körper jedem Glied eine besondere Aufgabe zukommt, so hat auch in der Gemeinde jedes (Mit-)Glied eine besondere Aufgabe. Wie im Leib gibt es wichtigere und weniger wichtige Glieder, aber dennoch ist jedes einzelne Glied für die Funktion des ganzen unerlässlich.
Kirche als Leib Christi, die Bedeutung dieses Bildes für die Kirche unserer Zeit hat nicht zuletzt das Zweite Vatikanische Konzil wieder deutlicher in Erinnerung gerufen hat.

Bei der Auferbauung des Leibes Christi waltet die Verschiedenheit der Glieder und der Aufgaben.

So sagt das Konzil und erläutert davon ausgehend, wie einerseits die hierarchische Struktur der Kirche, die sich in den Ämtern des Bischofs, Priesters und Diakons zeigt, auf göttliches Recht gründet und für die Kirche unverzichtbar ist, wie aber andererseits auch das Zusammenwirken dieser Hierarchie mit dem Rest der Gläubigen, den sogenannten Laien, unverzichtbar ist. Jeder Gläubige hat so seinen besonderen Platz in der Kirche, den nur er ausfüllen kann und an dem er nach dem Maß, das ihm zukommt, das tun darf und auch tun soll, was seine Aufgabe ist. Nur durch das Zusammenwirken aller und den gegenseitigen Respekt kann die Kirche ihrer Sendung nachkommen.
Doch es sind nicht die Menschen, die die Kirche machen. Die Kirche ist nicht irgendein Leib, sondern der Leib Christi. Zunächst die Frage, wie dieser Leib entsteht. Hier sagt Paulus ganz deutlich, dass es die Taufe ist, die den einzelnen in den Leib Christi eingliedert durch den Heiligen Geist.
An dieser Stelle erscheint es sinnvoll, das Bild von der Kirche als Leib Christi um ein weiteres Bild, das vom Volk Gottes, zu erweitern. Grundlage unseres Glaubens ist, dass Gott die Welt geschaffen hat und dass die Welt so ihren Ursprung aber auch ihr Ziel allein in Gott hat. Gott hat die Welt aus Liebe geschaffen und er möchte bleibend in ihr sein. Als Zeichen seiner Gegenwart hat Gott sich im Alten Bund das Volk Israel erwählt. Ihm hat er seine Gebote und seine Weisung gegeben und sie sollten Kunde geben von dem einen und einzigen Gott. Als die Zeit erfüllt war, kam Gott selbst in der Gestalt seines Sohnes in diese Welt. Durch seinen Tod und seine Auferstehung hat Christus die Welt erlöst. Durch ihn ist der Zugang zum Volk Gottes nun allen Menschen möglich durch die Taufe. Er hat seinen Geist gesandt und durch ihn seine Kirche gegründet, die alle Völker der Erde im Glauben vereinen soll.
In der Eucharistie bleibt Christus gegenwärtig in dieser Welt und in ihr erhalten auch wir Anteil an Christus. Das Bild von der Kirche als Leib Christi ist somit untrennbar mit der Eucharistie verbunden. Wie die Taufe in den Leib Christi eingliedert, so ist es die Eucharistie, die diesen Leib zusammenfügt und erhält. Christus ist das Haupt des Leibes und durch die Eucharistie erhalten wir Anteil an ihm. Gemeinschaft in der Kirche entsteht daher nicht, weil sich Menschen mit gleichen Interessen zusammenfinden, sondern durch Teilhabe an Christus.
In der Tradition wird die Kirche auch als der mystische Leib Christi bezeichnet. Die Gestalt der Kirche zeigt sich eben nicht nur in ihrer irdischen Struktur, sondern sie ist vielmehr Zeichen einer anderen Wirklichkeit, Zeichen der bleibenden Gegenwart Gottes in dieser Welt. Somit ist die Kirche auch das Ursakrament. Durch sie soll allen Menschen dieser Welt das Heil zukommen. Auch wenn die Kirche diesen Auftrag nur unvollkommen erfüllt, weil sie hier auf Erden aus sündigen Menschen besteht, kommt ihr doch von Gott her bleibende Heiligkeit zu.
Christus wollte die Einheit der Kirche. Durch die Schuld der Menschen ging diese Einheit verloren und wir erleben die Christenheit in eine Vielzahl von Konfessionen und Glaubensrichtungen gespalten. Dies zeigt sich letztlich auch in der gegenseitigen Ausschließung von der eucharistischen Mahlgemeinschaft. Eine Trennung von der Kirche drückt sich ja gerade in der Exkommunikation, dem Ausschluss von der Eucharistiegemeinschaft, aus. Beten wir darum, dass die Christen wieder zu der Einheit in Jesus Christus zurückfinden, damit alle Gläubigen hinzutreten können zu dem Sakrament des eucharistischen Brotes, durch das die Einheit der Gläubigen, die einen Leib bilden in Christus, dargestellt und verwirklicht wird. Alle Menschen werden zu dieser Einheit mit Christus gerufen, der das Licht der Welt ist.
Paulus präzisiert das Bild vom Leib, indem er die Wichtigkeit der Funktion jedes einzelnen Gliedes deutlich macht.

Auch der Leib besteht nicht nur aus einem Glied, sondern aus vielen Gliedern. Wenn der Fuß sagt: Ich bin keine Hand, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört er doch zum Leib. Und wenn das Ohr sagt: Ich bin kein Auge, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört es doch zum Leib. Wenn der ganze Leib nur Auge wäre, wo bliebe dann das Gehör? Wenn er nur Gehör wäre, wo bliebe dann der Geruchssinn?
Nun aber hat Gott jedes einzelne Glied so in den Leib eingefügt, wie es seiner Absicht entsprach. Wären alle zusammen nur ein Glied, wo bliebe dann der Leib? So aber gibt es viele Glieder und doch nur einen Leib. (1Kor 12,14-20)

Die Glieder gehören zum Leib, gehen aber nicht in ihm auf. Der Leib besteht aus vielen Gliedern, von denen jedes eigenständig ist, aber dennoch ist es auf den Zusammenhalt des Leibes angewiesen. Ein Glied für sich ist nutzlos, die Glieder müssen zusammenarbeiten und nur durch die gemeinsame Funktion aller Glieder funktioniert die komplexe Struktur des Leibes.

Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich bin nicht auf dich angewiesen. Der Kopf kann nicht zu den Füßen sagen: Ich brauche euch nicht. Im Gegenteil, gerade die schwächer scheinenden Glieder des Leibes sind unentbehrlich. Denen, die wir für weniger edel ansehen, erweisen wir umso mehr Ehre und unseren weniger anständigen Gliedern begegnen wir mit mehr Anstand, während die anständigen das nicht nötig haben. Gott aber hat den Leib so zusammengefügt, dass er dem geringsten Glied mehr Ehre zukommen ließ, damit im Leib kein Zwiespalt entstehe, sondern alle Glieder einträchtig füreinander sorgen. Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle anderen mit ihm. (1Kor 12,21-26)

Die Glieder teilen auch Leid und Freude miteinander. Wenn an unserem Körper ein Glied krank ist und schmerzt, so geht es dem ganzen Körper schlecht. Jeder kennt das aus eigener Erfahrung. Wir wissen aber auch, wie beispielsweise eine Fußmassage nicht nur wohltuend ist für die Füße, sondern für den ganzen Körper.
Am Ende dieses Abschnitts konkretisiert Paulus die Anwendung des Bildes vom Leib auf die Kirche.

Ihr aber seid der Leib Christi und jeder Einzelne ist ein Glied an ihm. So hat Gott in der Kirche die einen als Apostel eingesetzt, die andern als Propheten, die dritten als Lehrer; ferner verlieh er die Kraft, Wunder zu tun, sodann die Gaben, Krankheiten zu heilen, zu helfen, zu leiten, endlich die verschiedenen Arten von Zungenrede. Sind etwa alle Apostel, alle Propheten, alle Lehrer? Haben alle die Kraft, Wunder zu tun? Besitzen alle die Gabe, Krankheiten zu heilen? Reden alle in Zungen? Können alle solches Reden auslegen? (1Kor 12,27-30)

Der Funktion der einzelnen Glieder am menschlichen Körper entsprechen die Gnadengaben der einzelnen Glieder der Gemeinde, die wie die Funktionen der Glieder des Körpers ebenso aufeinander bezogen sind. Die höchste dieser Gnadengaben aber, die alle anderen in sich vereint, ist die Liebe, die Paulus nun im folgenden Hohenlied der Liebe besingt.