1 Korinther 1,2b-9

Berufen als Heilige

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Heilige
An die Geheiligten in Christus Jesus, die berufenen Heiligen, mit allen, die den Namen unseres Herrn Jesus Christus überall anrufen, bei ihnen und bei uns. Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus! (1Kor 1,2b-3)

Paulus hält viel von den Korinthern, an die er seinen Brief schreibt, auch wenn ihm zu Ohren gekommen ist, dass die Gemeinde nicht so lebt, wie das zu wünschen wäre. Es gibt Missstände, Spaltungen, Leute, die sich groß hervortun und über andere erheben. Daher erinnert Paulus sie an ihre Berufung, an die Anfänge ihres Glaubens, an ihre erste Begeisterung für Jesus Christus. Er sagt ihnen: ihr seid Heilige, geheiligt durch Jesus Christus, geheiligt durch die Taufe, geheiligt durch den Glauben.

Was ist aber die Heiligung? Das Taufbad, die Reinigung. Paulus erinnert die Korinther an ihre eigene Unreinigkeit, wovon er sie befreite, und mahnt sie, von sich bescheiden zu denken, denn nicht durch die eigenen guten Werke, sondern durch die Menschenfreundlichkeit Gottes wurden sie geheiligt. Dass ihr durch den Glauben gerettet worden seid, sagt er, ist nicht euer Verdienst. Ihr seid nämlich nicht aus eigenem Antrieb gekommen, sondern ihr seid berufen worden. Also ist auch nicht einmal dieses Wenige ganz euer Werk. Und wäret ihr auch aus eigenem Antrieb gekommen, ihr, die ihr zahllosen Übeln unterworfen wart, so würde selbst in diesem Fall nicht euch, sondern Gott der Dank gebühren. (Johannes Chrysostomus)

Wir alle, die wir getauft sind und an Jesus Christus glauben sind Heilige, geheiligt durch Gott. Heiligkeit hat ihren Ursprung in der Begeisterung für Jesus Christus und dem gläubigen Eintreten in seine Nachfolge. Das bedeutet auch Umkehr und den Beginn eines neuen Lebens. Äußeres Zeichen für diesen bewussten Schritt ist die Taufe, aber auch unser ganzes Leben soll Ausdruck dieser Heiligkeit sein.
Das ist nicht leicht und wir werden heute sagen, ja damals haben die Leute sich bewusst bekehrt und sich als Erwachsene taufen lassen. Wir aber wurden gleich nach unserer Geburt getauft, wie können wir Heilige werden? Wer einmal getauft wurde, trägt das Zeichen Gottes an sich als unauslöschliches Prägemal. Das kann ein Mensch vergessen, aber nicht von sich abschütteln. Wenn ein Mensch als Säugling getauft wurde, kann er aber dennoch sich bewusst für diese Heiligkeit entscheiden.
Früher war es so, dass die getauften Kinder ziemlich selbstverständlich in einem christlichen Umfeld aufgewachsen sind. Heute fehlt dieses christliche Umfeld immer mehr. Aber das hindert keinen Menschen an einer persönlichen Begegnung mit Jesus Christus. Die Türen der Kirchen sind offen und die Heilige Schrift ist jedem zugänglich. Wer sucht, findet leicht Zugang zu christlichen Gemeinden und Gemeinschaften.
Heute kann jeder Mensch frei entscheiden, wie er leben möchte und jeder kann sich bewusst dafür entscheiden, zu den Heiligen zu gehören. Dieser Weg fordert Entschiedenheit. Er bedeutet nahezu immer, an einem bestimmten Punkt im Leben ein Zeichen der Umkehr zu setzen. Wenn die Markierung dieses Punktes für viele nicht mehr wie zur Zeit des Paulus die Taufe ist, weil die schon erfolgt ist, so gibt es doch genügend andere Möglichkeiten. Das kann beispielsweise eine ausführliche Beichte sein, oder die Entscheidung, ab diesem Tag bestimmte Gebetszeiten einzuhalten oder regelmäßig in die Kirche zu gehen, der Beitritt zu einem Gebets- oder Bibelkreis. Hier muss jeder für sich entdecken, was das Passende ist. Nicht zu viel von sich verlangen, was man dann nicht erfüllen kann und wieder aufgibt, aber auch nicht zu wenig. Liebe und Begeisterung finden immer Mittel und Wege, sich Raum zu schaffen.
Nun wird man aber schnell merken, dass es in dieser Gemeinschaft der Heiligen nicht immer so heilig zugeht, wie es sich ein Mensch, der mit der Begeisterung des Anfangs hinzutritt, wünschen würde. Auch die Geheiligten sind Menschen mit Schwächen und Fehlern und unter ihnen gibt es solche, die beständig an sich arbeiten und solche, die dies vernachlässigt haben. Vielleicht kann gerade ein neues Mitglied mit seiner Begeisterung solchen Menschen wieder neuen Mut geben.
Paulus warnt aber davor, dass einer, der vielleicht mehr Begeisterung hat als andere, sich über andere erhebt und meint, er sei etwas Besonderes. Niemand kann in einen anderen hineinschauen. Niemand weiß, was in einem anderen vor sich geht. Daher kommt es keinem Menschen zu, über andere zu richten. Heiligkeit bedeutet auch, die Unterschiede zwischen den Menschen zu akzeptieren und darauf zu vertrauen, dass jeder Mensch seinen Weg mit Gott findet. Und in seiner Begeisterung soll jeder bedenken, dass Heiligkeit ein Geschenk ist. Ich darf mich daran freuen und dankbar dafür sein.
Gott schenkt uns die Heiligkeit. Fragen wir uns einmal, von welchen Leuten wir Geschenke bekommen. Das sind doch meist Menschen, mit denen wir vertraut sind, mit denen wir in Beziehung stehen, bei denen eine gegenseitige Wertschätzung vorhanden ist, Freundschaft, Liebe. Ich denke, dass Gottes Geschenk der Heiligkeit auch so zu sehen ist. Wir sind vor Gott wertvoll, Gott liebt uns.
Wenn wir in dieser Heiligkeit wachsen, so ist das die Frucht der Freundschaft mit Gott. Wir werden mit Gott vertraut und erhalten so immer mehr Anteil an seiner Heiligkeit. Jesus Christus hat uns durch sein Leben und seinen Tod die Tür geöffnet, dass diese Vertrautheit mit Gott möglich ist.
Gott ist uns nahe in unserem Leben. Er will uns ganz an sich ziehen. Wir haben einen Platz an seinem Herzen. Ist es nicht gerade das, was Erlösung bedeutet, dass wir diesen Platz am Herzen Gottes haben? Das Vertrauen auf diese Nähe Gottes nimmt uns die Angst, die uns in diesem Leben oft quälen mag.
Berufen als Heilige. Nehmen wir diese Berufung ernst. Streben wir nach dieser Vertrautheit mit Gott, indem wir ihn in unser Leben hineinnehmen. Lassen wir uns jeden Tag neu von ihm beschenken.

Ein großes Geschenk des Zweiten Vatikanischen Konzils war es, eine auf "communio" - Gemeinschaft - gründende Sicht der Kirche wiedergewonnen zu haben. Das Konzil hat uns geholfen, besser zu verstehen, dass alle Christen als Getaufte die gleiche Würde vor dem Herrn besitzen und in derselben Berufung, der Berufung zur Heiligkeit, vereint sind.
Jetzt fragen wir uns: Worin besteht diese allgemeine Berufung zur Heiligkeit? Und wie können wir sie verwirklichen? Zunächst müssen wir uns zu Bewusstsein führen, dass Heiligkeit nicht etwas ist, das wir uns selbst erwerben können, das wir mit unseren Eigenschaften und mit unseren Fähigkeiten erlangen können. Heiligkeit ist ein Geschenk, sie ist das Geschenk, das der Herr uns macht, wenn er uns annimmt und uns mit sich selbst bekleidet, uns ihm ähnlich macht. ...
Heiligkeit ist ein Geschenk, das ohne Ausnahme allen Menschen angeboten wird. Daher ist sie das Wesensmerkmal eines jeden Christen. All das lässt uns verstehen, dass man, um heilig zu sein, nicht Bischof, Priester, Ordensmann oder Ordensfrau sein muss: Nein, wir alle sind berufen, heilig zu werden! ... Gerade dadurch, dass wir in der Liebe leben und im täglichen Tun unser christliches Zeugnis geben, sind wir berufen, heilig zu werden - und zwar in jeder Situation und in jedem Lebensstand. ...
Ja, jeder Lebensstand führt zur Heiligkeit, immer! Bei dir zuhause, auf der Straße, am Arbeitsplatz, in der Kirche, in jedem Augenblick steht der Weg zur Heiligkeit offen. ... Heiligkeit ist die Einladung, an der Freude des Herrn teilzuhaben und jeden Augenblick unseres Lebens mit Freude zu leben, Heiligkeit ist die Einladung, uns darzubringen und Christus gleich zu einer Liebesgabe für die Menschen um uns zu werden.
(Papst Franziskus)
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1Kor 1
Ich danke meinem Gott jederzeit euretwegen für die Gnade Gottes, die euch in Christus Jesus geschenkt wurde, dass ihr an allem reich geworden seid in ihm, an aller Rede und aller Erkenntnis. (1Kor 1,4-5)

Heiligkeit zeigt sich in den der Gemeinde teilgewordenen Gnadengaben. Redegabe und religiöse Erkenntnis (Logos und Gnosis) sind in der Gemeinde reichlich vorhanden, aber was zum einen ein Segen ist, kann bei falschem Gebrauch viel Unheil stiften, was im späteren Verlauf des Briefes deutlich wird. Doch Paulus vertraut darauf, dass der Glaube der Korinther stärker ist als das, was sie bedrängt.

Denn das Zeugnis über Christus wurde bei euch gefestigt, sodass euch keine Gnadengabe fehlt, während ihr auf die Offenbarung unseres Herrn Jesus Christus wartet. Er wird euch auch festigen bis ans Ende, sodass ihr schuldlos dasteht am Tag unseres Herrn Jesus Christus. Treu ist Gott, durch den ihr berufen worden seid zur Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn. (1Kor 1,6-9)

Paulus bescheinigt der Gemeinde von Korinth, dass sie reich an Gnadengaben ist. Über diese wird er später im Brief (in den Kapiteln 12-14) noch ausführlich reden. Diese Gnadengaben zeigen die Kraft des Glaubens der Gemeinde. Ihr starker Glaube an Jesus Christus macht die Korinther auch stark im Leben. Diese Stärke ist notwendig, denn immer wieder wird ihr Glaube auf die Probe gestellt.
Wie in anderen Paulusbriefen wird auch hier die starke Betonung der erwarteten Wiederkunft des Herrn deutlich. Die Aussicht, beim Kommen des Herrn mit ihm in ein wunderbares himmlisches Reich erhoben zu werden, hat sicher viele begeistert. Wie eine Klammer umschließt diese Erwartung den ganzen Brief, der mit dem sehnsüchtigen Ruf endet: "Marana tha - Komm Herr Jesus" (1Kor 16,22b).
Das Leben der Christen ist ein Leben in der Erwartung des wiederkommenden Herrn. Das macht uns besonders die Adventszeit deutlich. Sie ist nicht nur eine Vorbereitung auf das Weihnachtsfest, sondern eine jährliche Einübung in dieses beständige Warten. Warten können, das bedeutet auch Festigung und Treue. Warten ist keine verlorene Zeit, sondern eine erfüllte Zeit, in der das Ziel der Sehnsucht noch klarer wird. Wir warten schon fast 2000 Jahre auf das Kommen des Herrn, aber in dieser Zeit hat Jesus nichts an seiner Faszination verloren.
Auch der Glaube wird in der Zeit des Wartens klarer, nicht nur im Einzelnen, sondern auch in der Kirche. Wenn wir die Kirchengeschichte betrachten, so sehen wir, dass das Glaubensbekenntnis am Anfang noch sehr knapp gehalten war. Im Laufe der Jahrhunderte wurden dann viele neue Glaubenssätze formuliert, die diesen Glauben des Anfangs präzisiert haben. Die Menschen haben sich immer wieder gefragt, wer dieser Jesus Christus ist, wie sein Gott- und Mensch-Sein zusammen gehen, was Erlösung bedeutet. Jede Zeit verlangt auf diese Fragen ihre je eigenen Antworten, die auf dem Fundament des Glaubens der Apostel stehen, aber diesen Glauben mit Worten formulieren, die in der jeweiligen Zeit verständlich sind.
Wie das Glaubensbekenntnis der ganzen Kirche im Lauf der Jahrhunderte immer deutlicher wird, so muss sich auch der Glaube jedes einzelnen Menschen im Laufe seines Lebens wandeln und reifen. Aus einem Kinderglauben entwickelt sich ein erwachsener Glaube, auf manche Fragen des Glaubens findet man erst nach langer Zeit eine Antwort. Den Glauben zu festigen ist Aufgabe jedes Menschen. Der Heilige Geist führt hier den einzelnen und die ganze Kirche immer tiefer in die Wahrheit des Glaubens ein. Das zu erfahren ist ein Geschenk, eine Gnadengabe, um die wir auch immer bitten dürfen.
Warten bedeutet auch Treue. Nur der ist zum Warten bereit, dem etwas an dem liegt, worauf er wartet. In unserer schnelllebigen Zeit fällt es uns vielleicht schwerer, Warten zu können, als früheren Generationen. Wir können uns alles sofort kaufen, was wir wollen, die Shops im Internet haben 24 Stunden geöffnet, die Lieferung erfolgt schnellstmöglich, wenn das Geld nicht reicht, wird ein Kredit angeboten, Sparen und damit warten bis genug Geld da ist, das ist out und auch gar nicht mehr erwünscht. Auch in den Beziehungen mit anderen Menschen haben wir verlernt zu warten. Wenn wir etwas nicht sofort hier und jetzt bekommen, dann besorgen wir es uns eben woanders. Das Angebot ist immens.
Das Warten auf das Kommen des Herrn ist zu allen Zeiten eine Herausforderung. Mit der Zeit haben sich viele Christen daran gewöhnt, dass der Herr so schnell nicht wiederkommt, aber auch das ist keine Lösung. Die Evangelien ermahnen uns dazu, so zu leben, als würde der Herr heute wiederkommen, auch wenn dieses Heute nun seit fast 2000 Jahren nicht eingetreten ist. Aber das bedeutet nicht, dass es nicht heute oder morgen kommen kann. Wir sollen daher stets wachsam sein und bereit für das Kommen des Herrn.
Als Christen leben wir im ständigen Heute. Auch wenn der Herr noch nicht in Herrlichkeit gekommen ist, so ist er doch bleibend unter uns. An unseren Festtagen feiern wir keine vergangenen Ereignisse, sondern wir feiern das, was damals geschehen ist, im Heute. Wenn wir uns auf das Kommen des Herrn vorbereiten, dann soll uns das nicht nur für einen zukünftigen Tag bereit machen, sondern uns seine Gegenwart im Hier und Jetzt schon immer mehr erfahrbar werden lassen.
Jesus ist mitten unter uns, er ist bei jedem Gläubigen und besonders da, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind. Jesus ist da mit der Kraft seiner Gnadengaben. Alles, was wir an Gutem tun oder unterlassen, tun wir nicht nur für Menschen, sondern auch für ihn. Martin sieht im Himmel Jesus mit dem Mantel bekleidet, den er dem Bettler geschenkt hat. Jesus ist ihm im Bettler begegnet. In jedem anderen Menschen kann Jesus auch uns begegnen. In unseren guten Werken beschenken wir den Herrn. Was wir jetzt tun, tun wir für die Ewigkeit.
Das macht deutlich, dass der Tag des Herrn bereits da ist. Jetzt entscheidet sich für uns die Ewigkeit. Solange wir leben, haben wir noch die Chance, uns auf diese Ewigkeit vorzubereiten, Schätze zu sammeln für den Himmel. Es kommt der Tag, an dem es diese Möglichkeit nicht mehr gibt, das muss uns immer bewusst sein. Wer meint, es würde ja auch noch reichen, sich morgen zu ändern oder übermorgen ... der spielt mit seinem Leben.

Herr, lass uns wachsam sein
und stets das Gute tun
das du für uns vorbereitet hat,
damit wir bereit sind
für den Tag, an dem du kommst.
Amen.