Weisheit 1,16-2,24

Das Tun der Frevler

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Die Frevler aber holen winkend und rufend den Tod herbei und sehnen sich nach ihm wie nach einem Freund; sie schließen einen Bund mit ihm, weil sie es verdienen, ihm zu gehören. Sie tauschen ihre verkehrten Gedanken aus und sagen: Kurz und traurig ist unser Leben; für das Ende des Menschen gibt es keine Arznei und man kennt keinen, der aus der Welt des Todes befreit. Durch Zufall sind wir geworden und danach werden wir sein, als wären wir nie gewesen. Der Atem in unserer Nase ist Rauch und das Denken ist ein Funke, der vom Schlag des Herzens entfacht wird; verlöscht er, dann zerfällt der Leib zu Asche und der Geist verweht wie dünne Luft. Unser Name wird bald vergessen, niemand denkt mehr an unsere Taten. Unser Leben geht vorüber wie die Spur einer Wolke und löst sich auf wie ein Nebel, der von den Strahlen der Sonne verscheucht und von ihrer Wärme zu Boden gedrückt wird. Unsere Zeit geht vorüber wie ein Schatten, unser Ende wiederholt sich nicht; es ist versiegelt und keiner kommt zurück.
Auf, lasst uns die Güter des Lebens genießen und die Schöpfung auskosten, wie es der Jugend zusteht. Erlesener Wein und Salböl sollen uns reichlich fließen, keine Blume des Frühlings darf uns entgehen. Bekränzen wir uns mit Rosen, ehe sie verwelken; keine Wiese bleibe unberührt von unserem ausgelassenen Treiben. Überall wollen wir Zeichen der Fröhlichkeit zurücklassen; das ist unser Anteil, das fällt uns zu. (Weish 1,16-2,9)

Am Ende des ersten Abschnitts des Buches der Weisheit stand ein klares Ja Gottes zum Leben. Hier nun wird gezeigt, was dieses Ja zum Leben bedroht, das Tun der Frevler. Hier wird eine fiktive Rede der Frevler, also der Feinde der Weisheit, zitiert. Ihnen geht es nur darum, möglichst viel Profit zu machen und das Leben in vollen Zügen zu genießen, und das auf Kosten anderer. Sie nutzen ihre Stärke aus, um die Schwachen zu unterdrücken. Wer aber gemäß der Weisheit lebt, wird niemals seinen eigenen Gewinn auf Kosten anderer suchen. Wer aber nicht seine Macht gnadenlos durchsetzt und sich an der Ausbeutung anderer beteiligt, läuft Gefahr, selbst ausgebeutet zu werden.
Wir hören heute immer wieder das Argument, ja ich muss schauen, dass ich zu was komme, denn wenn ich nicht meinen eigenen Vorteil suche, dann nimmt sich den Gewinn ein anderer. Die Solidarität ist verloren gegangen. Es kommt zu einem Machtkampf um die besten Plätze, und wer nicht mitkämpft, der geht leer aus. Längst werden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer.
Was hinter dem Tun der Frevler steht ist ein Nihilismus, der nichts als bleibend ansieht. Daher findet der Mensch allein durch den Genuss des Jetzt Glück und Erfüllung.
Der Gerechte aber ist ein lebendiger Vorwurf für die Gerechten und muss beseitigt werden.

Lasst uns den Gerechten unterdrücken, der in Armut lebt, die Witwe nicht schonen und das graue Haar des betagten Greises nicht scheuen! Unsere Stärke soll bestimmen, was Gerechtigkeit ist; denn das Schwache erweist sich als unnütz. Lasst uns dem Gerechten auflauern! Er ist uns unbequem und steht unserem Tun im Weg. Er wirft uns Vergehen gegen das Gesetz vor und beschuldigt uns des Verrats an unserer Erziehung. Er rühmt sich, die Erkenntnis Gottes zu besitzen, und nennt sich einen Knecht des Herrn. Er ist unserer Gesinnung ein lebendiger Vorwurf, schon sein Anblick ist uns lästig; denn er führt ein Leben, das dem der andern nicht gleicht, und seine Wege sind grundverschieden. Als falsche Münze gelten wir ihm; von unseren Wegen hält er sich fern wie von Unrat. Das Ende der Gerechten preist er glücklich und prahlt, Gott sei sein Vater. Wir wollen sehen, ob seine Worte wahr sind, und prüfen, wie es mit ihm ausgeht. Ist der Gerechte wirklich Sohn Gottes, dann nimmt sich Gott seiner an und entreißt ihn der Hand seiner Gegner. Roh und grausam wollen wir mit ihm verfahren, um seine Sanftmut kennen zu lernen, seine Geduld zu erproben. Zu einem ehrlosen Tod wollen wir ihn verurteilen; er behauptet ja, es werde ihm Hilfe gewährt. (Weish 2,10-20)

Auch wenn sich kaum einer traut, solche Sätze offen auszusprechen, gibt es sicher genug, die nach dieser Devise leben. Doch wir brauchen da nicht nur an die Großen denken. Hier darf sich jeder selbst fragen, ob er nicht schon mal - wenn auch im Kleinen - nach dieser Devise gehandelt hat.
Wer sich an die Weisheit und Gerechtigkeit hält, erscheint leicht als Verlierer im allgemeinen Hauen und Stechen und er mag sich oft selbst fragen, was ihm seine Gerechtigkeit denn eigentlich einbringt. Ist das wirklich der richtige Weg? Ist es da nicht doch besser, mitzumachen, um sich ein Stück vom Kuchen zu sichern, bevor er ganz weg ist? Gibt es überhaupt diesen Gott der Weisheit und Gerechtigkeit, der den Gerechten schützt und für seine Gerechtigkeit belohnt, oder zählt in unserer Welt doch allein das Recht des Stärkeren?
Doch Gott wird letztlich für Gerechtigkeit sorgen.

So denken sie, aber sie irren sich; denn ihre Schlechtigkeit macht sie blind. Sie verstehen von Gottes Geheimnissen nichts, sie hoffen nicht auf Lohn für die Frömmigkeit und erwarten keine Auszeichnung für untadelige Seelen. Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit erschaffen und ihn zum Bild seines eigenen Wesens gemacht. Doch durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt und ihn erfahren alle, die ihm angehören. (Weish 2,21-24)

Wir dürfen darauf vertrauen, dass es eine Macht gibt, die stets dem Guten zum Durchbruch verhilft. Als Christen müssen wir bedingungslose Optimisten sein. Auch wenn es so viel Ungerechtigkeit und Böses in der Welt gibt, die Gerechtigkeit und das Gute sind stärker. Manchmal merken wir das nicht. Das Leid bricht über uns herein, es ist zum Verzweifeln, wir sehen keinen Ausweg, ja das ist für viele Alltag. Aber lassen wir uns nicht verwirren. Tragen wir dir feste Hoffnung im Herzen, dass das Gute mächtig ist. Wenn wir diese Zuversicht im Herzen tragen und nach ihr handeln, können wir die Welt verändern. Bitten wir Gott um diese Zuversicht und die Stärke, dass wir seiner Weisheit und Gerechtigkeit stets treu bleiben.