Weisheit 1,1

Einführung

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Liebt Gerechtigkeit, ihr Herrscher der Erde, denkt in Frömmigkeit an den Herrn, sucht ihn mit reinem Herzen! (Weish 1,1)

Das Buch der Weisheit beginnt unmittelbar mit einer Mahnung ohne Vorwort oder Nennung eines Verfassers. Es wurde wie auch das Hohelied und das Buch Kohelet dem König Salomo, dem Nachfolger Davids, zugeschrieben. Obwohl König Salomo nicht namentlich erwähnt wird, finden sich in Weish 7,7 und 9,8 starke Anklänge an den biblischen Bericht über diesen König und vor allem an dessen Gebet um Weisheit zu Beginn seiner Regierungszeit (1Kön 3). Die Zuschreibung an Salomo ist jedoch eine literarische Fiktion, denn von seiner Entstehungszeit her ist es wohl das späteste Buch des Alten Testaments und nur wenige Jahrzehnte vor Christi Geburt entstanden.
Das Buch der Weisheit wurde auf Griechisch verfasst, daher findet es sich nicht in der hebräischen Bibel. In der griechischen Fassung des Alten Testaments, der Septuaginta, trägt es den Titel „Weisheit Salomos“, jedoch ändert bereits die lateinische Übersetzung, die Vulgata, den Titel in „Buch der Weisheit“. Man geht von einer einheitlichen Verfasserschaft aus und vermutet als Verfasser einen gebildeten Juden, der in der ägyptischen Großstadt Alexandria gelebt hat. Dort gab es eine große jüdische Diasporagemeinde, der auch viele gebildete Juden angehörten, und die einen intensiven Austausch mit hellenistischem Gedankengut pflegte.
Das Buch der Weisheit will zu einem Leben nach der göttlichen Weisheit aufrufen. Es beginnt mit einer Aufforderung an die Herrscher der Erde und letztlich an alle Menschen, nach der Weisheit zu suchen und ihrer gemäß zu leben.
Das Buch wurde geschrieben in einer Zeit, als der überlieferte Glaube bedroht war durch die sehr starken Einflüsse der griechisch-hellenistischen Kultur. Vielen mag damals die jüdische Tradition altmodisch und klein erschienen sein gegenüber den großen kulturellen Leistungen des Hellenismus. Vor allem gebildete junge Menschen waren begeistert von den Möglichkeiten, die diese Kultur bot, und standen in Gefahr, den überlieferten Glauben über Bord zu werfen.
Das Buch der Weisheit will zeigen, welcher Schatz in den Traditionen des Alten Testaments liegt und welche Perspektiven sich für den auftun, der gemäß der göttlichen Weisheit lebt. Es wendet sich nicht polemisch gegen die griechisch-hellenistische Kultur, sondern verwendet deren Begrifflichkeit, um die überlieferten jüdischen Glaubensinhalte neu in die Denk- und Lebensgewohnheiten einer multikulturellen Gesellschaft zu übersetzen, ohne dass dabei die jüdische Identität verloren geht. Es ist somit auch für unsere Zeit, in der unser Glaube mit ähnlichen Problemen konfrontiert wird, ein topaktuelles Buch, das sich in seiner Gesamtheit zu betrachten lohnt.