Maleachi 1,2-2,16

Hingabe

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Maleachi
Ich liebe euch, spricht der Herr. Doch ihr sagt: Worin zeigt sich deine Liebe? (Mal 1,2)

Gott sagt den Menschen seine Liebe zu, indem er einen Bund schließt mit seinem Volk und durch das Opfer seines Sohnes. Wie könnte Gott den Menschen deutlicher zeigen, was er für sie empfindet? Doch die Menschen verstehen Gott nicht. Was will er von uns? Meint er es wirklich gut mit uns? Schaut doch, wie es auf der Erde zugeht, Kriege, Feindschaft, Krankheit, Unheil und Tod. Wo ist Gott mit seiner Liebe?
Doch all das Unheil dieser Welt ist nicht Folge einer mangelnden Liebe Gottes, sondern ist Folge der Sünde des Menschen, der sich bewusst gegen Gott stellt und somit auch den Blick auf Gott verstellt. Um Gottes Liebe auf der Erde erfahrbar werden zu lassen, braucht es Menschen, die sich Gott hingeben, die seiner Liebe vertrauen, die sich ganz auf ihn verlassen, und so Gottes Liebe erfahrbar werden lassen. Dann werden die Menschen Gott erkennen und die Macht seiner Liebe.

Ist nicht Esau Jakobs Bruder? - Spruch des Herrn - und doch liebe ich Jakob, Esau aber hasse ich. Darum mache ich seine Berge zur Öde und überlasse sein Erbland den Schakalen der Wüste. Edom sagt: Wir sind zerschmettert - aber wir bauen die Trümmer wieder auf. Doch so spricht der Herr der Heere: Sie sollen nur aufbauen; ich reiße es wieder ein. Man wird sie das Land des Unrechts nennen und das Volk, dem der Herr ewig zürnt. Mit eigenen Augen werdet ihr es sehen und werdet sagen: Groß ist der Herr, weit über Israels Grenzen hinaus. (Mal 1,3-5)

Wenn wir das Buch Maleachi lesen, so werden wir zunächst damit konfrontiert, dass das Volk Israel ein besonderes Vorrecht hat vor allen anderen Völkern. Israel ist Gottes auserwähltes Volk. Darin zeigt sich Gottes Liebe. Israel ist dazu berufen, gemäß seiner Erwählung zu leben. Das bedeutet, sich an die Gebote Gottes zu halten und sich nicht mit den anderen Völkern einzulassen. Bis heute haben daher die Juden ihre Eigenheit bewahrt.
Gott hat Jakob erwählt, nicht seinen Bruder Esau. Diese Erwählung zieht sich durch die Geschichte der Nachkommen dieser Brüder. Die Bibel kennt die Geschlechterlisten, die die Völker auf einzelne Stammväter zurückführen. Bereits im Buch Genesis werden mit den Konflikten unter den Stammvätern, die auch Ausdruck von Erwählung und Verwerfung durch Gott sind, die Konflikte dargelegt, die Israels Geschichte prägen.
Doch nicht der Hass zwischen den Völkern ist der Grund für Gottes Erwählung. Israel ist vielmehr dazu erwählt, Zeichen der Gegenwart Gottes in dieser Welt zu sein. Wenn Israel gemäß Gottes Weisung lebt, wird es zu einem Beispiel, von dem andere Völker lernen können, damit sie so zur Weisheit und Erkenntnis Gottes gelangen.
Als Christen glauben wir, dass Gottes Erwählung seit Jesus Christus nicht mehr auf das Volk Israel begrenzt ist, sondern auf alle übergegangen ist, die an Jesus Christus glauben und sich durch die Taufe Gottes neuem Volk, der Kirche anschließen. Dies bildet einen neuen Horizont, vor dem wir das Buch Maleachi lesen können, indem wir uns als Gottes erwähltes Volk sehen und unser Leben durch die Worte des Propheten kritisch hinterfragen lassen.

Der Sohn ehrt seinen Vater und der Knecht seinen Herrn. Wenn ich der Vater bin - wo bleibt dann die Ehrerbietung? Wenn ich der Herr bin - wo bleibt dann die Furcht vor mir?, spricht der Herr der Heere zu euch, ihr Priester, die ihr meinen Namen verachtet.
Doch ihr sagt: Wodurch verachten wir denn deinen Namen? Ihr bringt auf meinem Altar eklige Speisen dar. Ihr sagt: Wodurch erregen wir deinen Ekel? Dadurch, dass ihr sagt: Der Tisch des Herrn ist nicht so wichtig. Wenn ihr ein blindes Tier als Schlachtopfer darbringt, ist das nicht schlecht? Und wenn ihr ein lahmes und krankes Tier darbringt, ist das nicht schlecht? Biete das einmal deinem Statthalter an! Ob er wohl Gefallen an dir hat und dich freundlich ansieht?, spricht der Herr der Heere.
Und nun versucht, Gott damit zu besänftigen und gnädig zu stimmen! Wenn eure Hände ihm solche Dinge anbieten, wie kann er euch dann freundlich ansehen?, spricht der Herr der Heere. Wäre doch jemand bei euch, der die Tore (des Tempels) verschließt, damit ihr kein nutzloses Feuer mehr entfacht auf meinem Altar. Ich habe kein Gefallen an euch, spricht der Herr der Heere, und ich mag kein Opfer aus eurer Hand. (Mal 1,6-10)

Im diesem Dialog geht es um die rechte Gottesverehrung. Die Alltagserfahrung zeigt, dass Kinder ihre Eltern ehren und die Untergebenen ihre Vorgesetzen. Dass Kinder ihre Eltern ehren ist zum einen göttliches Gebot, zum anderen aber auch grundlegende Eigenschaft nahezu aller Gesellschaften. Dass Untergebene ihre Vorgesetzten ehren, beruht eher auf der Grundlage von Macht und Unterordnung, stellt aber auch eine Grundlage für ein funktionierendes Gemeinwesen dar. In beiden Fällen schließt die Ehrerbietung des einen Teils die Fürsorge des anderen Teils ein, sonst verwandelt sich das gerechte Verhältnis zwischen beiden Partnern in ein System ungerechter Unterdrückung.
Ebenso wie die gesellschaftliche Ordnung das Verhältnis wechselseitiger Ehrerbietung erfordert, so gebührt - und das umso mehr - Gott die Ehre. Das bedeutet, dass der Gottesverehrung eine besondere Sorgfalt zukommt. Für das Gebet soll die beste Zeit des Tages reserviert werden und für das - damals übliche - Brandopfer sollen nur die besten Tiere verwendet werden.
Es zeigt sich aber immer wieder, dass wir Gott nicht so wichtig nehmen. Damals wurden dem Herrn kranke und wertlose Tiere geopfert. Das ist nicht Sinn des Opferns. Wie sieht es heute bei uns aus? Welchen Stellenwert hat der Gottesdienst für uns? Was bringen wir Gott als Opfer dar? Ist es das Beste, das wir haben, das wir Gott geben? Wenn nicht, warum beklagen wir uns dann darüber, dass Gott uns nicht das schenkt, was wir von ihm erbitten?
"Ein halbes Opfer blutet, ein ganzes Opfer flammt." So sagt ein alter frommer Spruch. Ein halbherziges Opfer ist ein Verzicht ohne Gewinn. Gott will unsere ganze Hingabe. Gott will, dass wir ihm freigebig alles schenken, damit auch er uns freigebig beschenken kann. Wer Gott ein Opfer bringt, darf nicht kalkulieren und keine Gewinn- und Verlustrechnung aufstellen. Gott ist kein Händler, der je nach Qualität der Opfergabe bestimmte Hilfen im Angebot hat. Wer so mit Gott handeln will, hat nichts von Gott verstanden. Gott will uns ganz. Mit Gott rechnen heißt, ihm alles schenken, und das bedeutet auch, von ihm alles zu erwarten. Wer so mit Gott lebt, wird nicht enttäuscht werden, denn Gott ist groß und er kann stets das vollbringen, was er will.

Denn vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang steht mein Name groß da bei den Völkern und an jedem Ort wird meinem Namen ein Rauchopfer dargebracht und eine reine Opfergabe; ja, mein Name steht groß da bei den Völkern, spricht der Herr der Heere.
Ihr aber entweiht ihn, ihr sagt: Auf dem Tisch des Herrn darf man eklige Speisen darbringen, er ist nicht so wichtig. Ihr sagt: Welch eine Mühsal!, und facht das Feuer an - spricht der Herr der Heere; ihr bringt von geraubten Tieren die lahmen und kranken als Opfer dar. Soll ich das vielleicht annehmen aus eurer Hand?, spricht der Herr. Verflucht ist der Betrüger, der dem Herrn ein männliches Tier seiner Herde gelobt, dann aber ein fehlerhaftes Tier schlachtet. Denn ein großer König bin ich, spricht der Herr der Heere, und mein Name ist bei den Völkern gefürchtet. (Mal 1,11-24)

Der Priester steht vor Gott, um ihm zu dienen. Das ist die größte Ehre, die einem Menschen zukommen kann. Was aber, wenn diese Ehre als lästige Pflicht gesehen wird?

Jetzt ergeht über euch dieser Beschluss, ihr Priester:
Wenn ihr nicht hört und nicht von Herzen darauf bedacht seid, meinen Namen in Ehren zu halten - spricht der Herr der Heere -, dann schleudere ich meinen Fluch gegen euch und verfluche den Segen, der auf euch ruht, ja, ich verfluche ihn, weil ihr nicht von Herzen darauf bedacht seid. Seht, ich schlage euch den Arm ab und werfe euch Unrat ins Gesicht, den Unrat eurer Feste, und man wird euch zu ihm hinausschaffen. Dann werdet ihr erkennen, dass ich es bin, der diesen Beschluss über euch ergehen ließ, weil ich einen Bund mit Levi habe, spricht der Herr der Heere.
Mein Bund bedeutete für ihn Leben und Heil; beides gab ich ihm, dazu die Furcht: Er sollte mich fürchten und vor meinem Namen erschrecken. Zuverlässige Belehrung kam aus seinem Mund, nichts Verkehrtes fand sich auf seinen Lippen, in Frieden und Aufrichtigkeit ging er mit mir seinen Weg und viele hielt er davon ab, schuldig zu werden. Denn die Lippen des Priesters bewahren die Erkenntnis und aus seinem Mund erwartet man Belehrung; denn er ist der Bote des Herrn der Heere. (Mal 2,1-7)

Der Priester soll in besonderer Weise Zeugnis geben von Gottes Liebe. Er soll die Weisung Gottes den Menschen bringen, damit Gottes Heil erfahrbar wird. Er soll den Irrenden den rechten Weg weisen, damit sie nicht in Sünde fallen. Heilige Priester braucht das Volk, doch wo der Priester selbst in Sünde fällt und den Blick auf Gott verstellt, wie soll da das Volk zu Gott finden? So kommt gerade dem Priester eine besondere Verantwortung zu, für die er auch von Gott zur Rechenschaft gezogen wird.

Ihr aber, ihr seid abgewichen vom Weg und habt viele zu Fall gebracht durch eure Belehrung; ihr habt den Bund Levis zunichte gemacht, spricht der Herr der Heere. Darum mache ich euch verächtlich und erniedrige euch vor dem ganzen Volk, weil ihr euch nicht an meine Wege haltet und auf die Person seht bei der Belehrung. (Mal 2,8-9)

Vor allem soll der Priester ohne Ansehen der Person den Menschen Gottes Weisung verkünden. Doch immer wieder haben sich die Priester mit den Mächtigen verbündet, kommen lieber zu den Reichen, bei denen sie viele Geschenke und ein gutes Essen bekommen, als zu den Armen, bei denen es ungemütlich ist und die nichts geben können. Aber gerade die Armen sind Gottes geliebte Kinder und gerade bei ihnen begegnet man Gott. Immer wieder haben große Heilige diese Erfahrung gemacht, wie der heilige Martin, als er seinen Mantel mit dem Bettler teilte oder Franziskus, als er den Aussätzigen küsste. Die selbstlose Hingabe an die Armen öffnet das Tor zur Heiligkeit.
Das zweite Vatikanische Konzil spricht vom allgemeinen Priestertum der Gläubigen. Uns allen kommt eine besondere Verantwortung zu. Wir alle sind gerufen, Gottes Gebote zu halten und mit unserem Leben der Welt ein Beispiel zu geben. Als Glieder Christi sind wir berufen, Abbilder des Herrn in dieser Welt zu sein und seine Liebe erfahrbar werden zu lassen.

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Maleachi
Haben wir nicht alle denselben Vater? Hat nicht der eine Gott uns alle erschaffen? Warum handeln wir dann treulos, einer gegen den andern, und entweihen den Bund unserer Väter? (Mal 2,10)

Dieser Vers verstärkt noch einmal die Betonung darauf, dass wir alle in der Verantwortung stehen. Wir dürfen nicht mit dem Finger zeigen auf "die da oben" und meinen, damit von unseren eigenen Fehlern ablenken zu können. Jeder muss zuerst auf sich schauen und das ihm mögliche Gute tun. Darauf kommt es an. Und wenn es auch eine noch so kleine Tat ist, jeder hat die Möglichkeit, in seinem begrenzten Umfeld der Liebe Gottes eine Chance zu geben.
Die Worte des Propheten erinnern auch an den ersten Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte:

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.

Zwar sind die Worte des Maleachi nicht in dieser Universalität gemeint. Ihm geht es vielmehr darum, mit dem Hinweis auf die besondere Erwählung Israels das Volk zu ermahnen, keine Mischehen mit Nichtisraeliten einzugehen. Zugleich kritisiert er eine allzu leichtfertige Scheidungspraxis unter den Israeliten. Kann man seine Worte dann doch noch mit einem so universalen Dokument vergleichen, wie es die Erklärung der Menschenrechte ist?
Wie ich eingangs schon dargelegt habe, müssen wir Maleachi als Kind seiner Zeit verstehen. Für Israel war es wichtig, um als Volk überleben zu können, dass die eigene Identität nach außen hin bewahrt wurde und dass das Volk im inneren eine stabile Gesellschaft auf dem Fundament der Familie bildete.
Wie ist es heute? Die Welt wächst immer mehr zusammen, auch wenn einzelne Völker immer wieder versuchen, sich auf anachronistische Weise abzuschotten und in einen Gesellschaftszustand der Vergangenheit zurückzukehren. Es mag früher schöner gewesen sein, die Welt in manchem einfacher, in besserer Ordnung. Aber die Geschichte nimmt ihren Lauf, wir können das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen. Wir müssen uns vielmehr den Herausforderungen des Jetzt und Heute und einer vielleicht noch chaotischeren Zukunft stellen.
Ich denke, dass das nur gelingen kann, wenn wir bereit sind, zu einem neuen Bild vom Menschen zu finden, das den Menschen sieht unabhängig von Rasse, Religion und Geschlecht. Vieles sperrt sich in uns dagegen. Dieses neue Menschenbild birgt Risiken. Es bedeutet - gerade für uns Westeuropäer - auf gewohnte Statusvorteile zu verzichten. Es ist wohl die größte Herausforderung unserer Zeit, dass wir zu diesem neuen Menschenbild finden, das alle Menschen in Gerechtigkeit miteinander leben lässt.
Die Menschen sehnen sich nach dieser Gerechtigkeit, nach Freiheit und Gleichheit, und doch schaffen sie es nicht, diese dauerhaft zu verwirklichen. Immer wieder werden die Unterschiede mehr betont als das Gemeinsame. Das Einkommen, der soziale Status, die Herkunft, die Hautfarbe, die Religion, dies und vieles mehr sind Merkmale nach denen wir die Menschen einteilen, beurteilen und oft auch verurteilen.
Haben wir nicht alle denselben Vater? Vielleicht gelingt es uns, wenn wir in jedem Menschen ein Kind Gottes sehen, unsere Vorurteile abzubauen, damit nicht mehr einer gegen den anderen steht, sondern eine Gemeinschaft entsteht im Geist wahrer Brüderlichkeit.

Gott unser Vater,
Gott du Vater aller Menschen,
Gott du Vater der Armen und der Reichen,
Gott du Vater der Weißen und Farbigen,
Gott du Vater der Gläubigen und Ungläubigen,
Gott du Vater aller Menschen,
derer die dich suchen und derer, die nicht nach dir fragen,
du hast alles in Dasein gerufen,
du bist mitten unter uns.
Lass uns in Frieden zusammen leben,
lass uns einander achten und lieben
trotz aller Unterschiede in Herkunft und Tradition,
trotz aller Unterschiede im Glauben und Verstehen,
trotz aller Unterschiede in Bildung und Vermögen,
und gerade damit Zeugnis geben von deiner Liebe.
Lass uns in Frieden zusammen leben
und das Anderssein des anderen
nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung erkennen.
Bewahre uns vor Hass und Gewalt
und lass die Liebe über allem triumphieren.
Amen.
Treulos hat Juda gehandelt und Gräueltaten sind [in Israel und] in Jerusalem geschehen: Juda hat das Heiligtum des Herrn [das er liebt] entweiht und die Tochter eines fremden Gottes zur Frau genommen. Der Herr versage dem, der so handelt, einen, der für ihn zeugt und für ihn spricht, in den Zelten Jakobs einen, der dem Herrn der Heere Opfer darbringt. Außerdem bedeckt ihr den Altar des Herrn mit Tränen, ihr weint und klagt, weil er sich eurem Opfer nicht mehr zuwendet und es nicht mehr gnädig annimmt aus eurer Hand.
Und wenn ihr fragt: Warum?: Weil der Herr Zeuge war zwischen dir und der Frau deiner Jugend, an der du treulos handelst, obwohl sie deine Gefährtin ist, die Frau, mit der du einen Bund geschlossen hast. Hat er nicht eine Einheit geschaffen, ein lebendiges Wesen? Was ist das Ziel dieser Einheit? Nachkommen von Gott. Nehmt euch also um eures Lebens willen in Acht! Handle nicht treulos an der Frau deiner Jugend! Wenn einer seine Frau aus Abneigung verstößt, [spricht der Herr, Israels Gott,] dann befleckt er sich mit einer Gewalttat, spricht der Herr der Heere.
Nehmt euch also um eures Lebens willen in Acht und handelt nicht treulos! (Mal 2,11-16)