Jesaja 51,1-52,12

Trost und Vertrauen

.
Hört auf mich, die ihr der Gerechtigkeit nachjagt und die ihr den Herrn sucht. Blickt auf den Felsen, aus dem ihr gehauen seid, auf den Schacht, aus dem ihr herausgebohrt wurdet. Blickt auf Abraham, euren Vater, und auf Sara, die euch gebar. Er war allein, als ich ihn rief; doch ich habe ihn gesegnet und ihm viele Nachkommen geschenkt. Denn der Herr hat Erbarmen mit Zion, er hat Erbarmen mit all seinen Ruinen. Seine Wüste macht er wie Eden, seine Öde wie den Garten des Herrn. Freude und Fröhlichkeit findet man dort, Lobpreis und den Klang von Liedern.
Horcht her, ihr Völker, hört auf mich, ihr Nationen! Denn von mir kommt die Weisung und mein Recht wird zum Licht der Völker. Plötzlich ist meine Gerechtigkeit da und von mir kommt die Hilfe. Mein Arm verschafft den Völkern ihr Recht; auf mich hoffen die Inseln, sie warten auf meinen Arm.
Blickt auf zum Himmel, betrachtet die Erde hier unten! Der Himmel zerflattert wie Rauch, die Erde zerfällt wie ein Kleid; ihre Bewohner sterben wie die Fliegen. Doch meine hilfreiche Gnade bleibt für immer bestehen, meine Gerechtigkeit wird niemals erschüttert. Hört auf mich, die ihr das Recht kennt, du Volk, das mein Gesetz im Herzen trägt. Fürchtet euch nicht vor der Beschimpfung durch Menschen, erschreckt nicht vor ihrem Spott! Denn man frisst sie, wie die Motte das Kleid, man frisst sie, wie die Schabe die Wolle. Doch meine Gerechtigkeit bleibt für immer bestehen und von Generation zu Generation meine hilfreiche Gnade.
Wach auf, wach auf, bekleide dich mit Macht, Arm des Herrn! Wach auf wie in den früheren Tagen, wie bei den Generationen der Vorzeit! Warst du es nicht, der die Rahab zerhieb und den Drachen durchbohrte? Warst du es nicht, der das Meer austrocknen ließ, die Wasser der großen Flut, der die Tiefen des Meeres zum Weg gemacht hat, damit die Erlösten hindurchziehen konnten?
Die vom Herrn Befreiten kehren zurück und kommen voll Jubel nach Zion. Ewige Freude ruht auf ihren Häuptern. Wonne und Freude stellen sich ein, Kummer und Seufzen entfliehen. Ich bin es, ja ich, der euch tröstet. Was hast du, dass du dich fürchtest vor sterblichen Menschen, vor Menschen, die dahinschwinden wie Gras?
Warum vergisst du den Herrn, deinen Schöpfer, der den Himmel ausgespannt und die Fundamente der Erde gelegt hat? Warum zitterst du dauernd vor der Wut dessen, der dich bedrängt, der darauf ausgeht, dich zu vernichten? Wo ist denn die Wut dessen, der dich bedrängt? Bald wird der Gefesselte freigelassen; er wird nicht im Kerker sterben und es mangelt ihm nicht mehr an Brot.
Ich bin doch der Herr, dein Gott, der das Meer aufwühlt, sodass die Wogen tosen. Herr der Heere ist sein Name. Ich habe dir meine Worte in den Mund gelegt, im Schatten meiner Hand habe ich dich verborgen, als ich den Himmel ausspannte und die Fundamente der Erde legte und zu Zion sagte: Du bist mein Volk.
Raff dich auf, raff dich auf, steh auf, Jerusalem! Du hast aus dem Becher des Zorns getrunken, den der Herr in der Hand hielt. Du hast aus dem betäubenden Becher getrunken und ihn geleert. Da war von all den Söhnen, die sie gebar, keiner, der sie geführt hat. Da war von all den Söhnen, die sie aufzog, keiner, der sie bei der Hand nahm. Beides hat dich getroffen - doch wer klagt schon um dich? -: Verheerung und Zerstörung, Hunger und Schwert. Doch wer tröstet dich schon? An allen Straßenecken lagen deine Söhne hilflos da, wie Wildschafe im Netz, überwältigt vom Zorn des Herrn, vom Schelten deines Gottes.
Darum hör doch her, du Ärmste, die du betrunken bist, aber nicht vom Wein: So spricht der Herr, dein Gott und Gebieter, der für sein Volk kämpft: Schon nehme ich dir den betäubenden Becher aus der Hand, den Kelch meines Zorns; du sollst daraus nicht mehr trinken. Ich reiche ihn denen, die dich quälten, die zu dir sagten: Wirf dich zu Boden, wir schreiten über dich weg. So musstest du deinen Rücken zum Fußboden machen, zum Weg für die, die über dich schritten. (Jes 51,1-23)
Wach auf, Zion, wach auf, zieh das Gewand deiner Macht an! Zieh deine Prunkkleider an, Jerusalem, du heilige Stadt! Denn Unbeschnittene und Unreine werden dich nicht mehr betreten. Schüttle den Staub von dir ab, steh auf, du gefangenes Jerusalem! Löse die Fesseln von deinem Hals, gefangene Tochter Zion! Denn so spricht der Herr: Umsonst wurdet ihr verkauft und ihr sollt nicht mit Geld losgekauft werden.
Denn so spricht Gott, der Herr: Nach Ägypten zog mein Volk einst hinab, um dort in der Fremde zu leben. Auch von Assur wurde es ohne Grund unterdrückt. Aber was erlebe ich jetzt - Spruch des Herrn -? Man nahm mein Volk, ohne zu bezahlen, und nun prahlen seine Beherrscher - Spruch des Herrn -; ständig, jeden Tag wird mein Name gelästert. Darum soll mein Volk an jenem Tag meinen Namen erkennen und wissen, dass ich es bin, der sagt: Ich bin da. (Jes 52,1-6)
.
Jesaja
Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt und Rettung verheißt, der zu Zion sagt: Dein Gott ist König. Horch, deine Wächter erheben die Stimme, sie beginnen alle zu jubeln. Denn sie sehen mit eigenen Augen, wie der Herr nach Zion zurückkehrt.
Brecht in Jubel aus, jauchzt alle zusammen, ihr Trümmer Jerusalems! Denn der Herr tröstet sein Volk, er erlöst Jerusalem. Der Herr macht seinen heiligen Arm frei vor den Augen aller Völker. Alle Enden der Erde sehen das Heil unseres Gottes.
Fort, fort! Zieht von dort weg! Fasst nichts Unreines an! Zieht von dort weg! Haltet euch rein; denn ihr tragt die Geräte des Herrn. Doch zieht nicht weg in Hast, geht nicht fort in Eile; denn der Herr geht vor euch her und er, Israels Gott, beschließt auch euren Zug. (Jes 52,7-12)

Die Kapitel 51 und 52 des Jesajabuches sind Worte des Trostes für ein Volk, das viel Leid erfahren musste. Jerusalem wurde erobert und zerstört, seine Bewohner in die Verbannung verschleppt. Was damals geschehen ist, musste geschehen. Aber Gott hat sein Volk nicht vergessen. Er macht einen Neuanfang. Er hat seine heilige Stadt nicht verlassen. Gott kehrt nach Zion zurück und mit ihm die Verbannten aus dem Exil in Babylon.
Es ist ein Tag des Jubels und des Sieges, als sich die Botschaft verbreitet, dass die Zeit des Exils zu Ende ist. Wie damals in der Wüste beim Auszug aus Ägypten geht Gott wieder seinem Volk voran und beschließt auch den Zug. Geordnet soll das Volk aufbrechen, wie in einer langen Prozession soll es von Babylon nach Jerusalem ziehen.
Gott ist da und Gott schafft Rettung. Wie befreiend muss diese Botschaft für die Menschen damals gewesen sein. Sie sind nicht verlassen und vergessen an den Strömen von Babel, sondern Gott denkt an sie und holt sie heim in das Land ihrer Väter, in das Land, das Gott selbst für sie erwählt hat.
Wir hören diese Worte des Propheten Jesaja in der Lesung am Weihnachtstag. Das Fest der Geburt Jesu Christi ist auch ein solches Hoffnungszeichen der Gegenwart Gottes. Gott will mitten unter uns Menschen sein, nicht mehr nur in seinem Volk Israel und in Jerusalem, sondern in allen Ländern der Welt und bei allen Menschen, die ihn aufnehmen.

Der Herr hat seinem Volk Erlösung geschaffen, an seinen Bund denkt er auf ewig.

So heißt es in einer Antiphon an Weihnachten. Gott denkt an uns, er hat uns nicht vergessen. Auch wenn wir täglich das Elend und Leid sehen, das Menschen einander zufügen, Kriege, Streit, Flucht und Vertreibung. Gott ist da. Er ist mitten unter den Menschen in den Ländern des Krieges, mitten unter den Flüchtlingen, mitten unter den Menschen, die in Armut und Elend leben.
Auf die Frage, warum Gott all das Leid zulässt, werden wir keine Antwort finden. Aber wir können die Botschaft der Hoffnung verbreiten, dass Gott mitten im Leid der Menschen gegenwärtig ist und wenn die Zeit dafür gekommen ist, einen Ausweg schafft. Wir können diese Hoffnung erfahrbar werden lassen, indem wir, soweit es uns möglich ist, selbst zu den Menschen gehen, die Hilfe brauchen, und für sie beten. Wir müssen uns die Strukturen der Ungerechtigkeit und Gewalt bewusst machen, die unsere Welt durchdringen, aus ihnen ausbrechen und gegen sie angehen, wo es uns möglich ist.
Mit jedem Produkt, das ich kaufe, mit jeder Mahlzeit, die ich esse, ja fast mit jedem Schritt, den ich auf der Straße gehe, kann ich eine Entscheidung für oder gegen die Gerechtigkeit, für oder gegen die Liebe tun. Ungerechtigkeit ist nicht etwas, das in fernen Ländern geschieht, sondern sie hat ihre Wurzel hier mitten unter uns. Ich kann die Ungerechtigkeit als solche nicht bezwingen, aber ich kann versuchen, so zu leben, dass ich sie nicht vergrößere. Ich kann Zeichen der Liebe setzen, je nachdem, wie ich mich anderen gegenüber verhalte.
Wenn immer mehr Menschen so leben, immer mehr Menschen den Weg der Gerechtigkeit und der Liebe gehen, dann durchzieht eine Kette der Hoffnung unsere Welt. Gott geht voran und am Ende des Zuges. Gottes Heil wird in der Welt lebendig und heilt die offenen Wunden und tröstet die trauerden Herzen. Dann strahlt das Licht von der Krippe auf und wärmt, was kalt ist und starr. Und dann kann Frieden sein.