Jeremia 1,4-19

Berufung

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Jeremia
Das Wort des Herrn erging an mich: Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt, zum Propheten für die Völker habe ich dich bestimmt.
Da sagte ich: Ach, mein Gott und Herr, ich kann doch nicht reden, ich bin ja noch so jung.
Aber der Herr erwiderte mir: Sag nicht: Ich bin noch so jung. Wohin ich dich auch sende, dahin sollst du gehen, und was ich dir auftrage, das sollst du verkünden. Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin mit dir, um dich zu retten - Spruch des Herrn.
Dann streckte der Herr seine Hand aus, berührte meinen Mund und sagte zu mir: Hiermit lege ich meine Worte in deinen Mund. Sieh her! Am heutigen Tag setze ich dich über Völker und Reiche; du sollst ausreißen und niederreißen, vernichten und einreißen, aufbauen und einpflanzen.
Das Wort des Herrn erging an mich: Was siehst du, Jeremia? Ich antwortete: Einen Mandelzweig sehe ich. Da sprach der Herr zu mir: Du hast richtig gesehen; denn ich wache über mein Wort und führe es aus.
Abermals erging an mich das Wort des Herrn: Was siehst du? Ich antwortete: Einen dampfenden Kessel sehe ich; sein Rand neigt sich von Norden her. Da sprach der Herr zu mir: Von Norden her ergießt sich das Unheil über alle Bewohner des Landes. Ja, ich rufe alle Stämme der Nordreiche - Spruch des Herrn -, damit sie kommen und ihre Richterstühle an den Toreingängen Jerusalems aufstellen, gegen all seine Mauern ringsum und gegen alle Städte von Juda. Dann werde ich mein Urteil über sie sprechen und sie strafen für alles Böse, das sie getan haben, weil sie mich verlassen, anderen Göttern geopfert und das Werk ihrer eigenen Hände angebetet haben. Du aber gürte dich, tritt vor sie hin und verkünde ihnen alles, was ich dir auftrage. Erschrick nicht vor ihnen, sonst setze ich dich vor ihren Augen in Schrecken. Ich selbst mache dich heute zur befestigten Stadt, zur eisernen Säule und zur ehernen Mauer gegen das ganze Land, gegen die Könige, Beamten und Priester von Juda und gegen die Bürger des Landes. Mögen sie dich bekämpfen, sie werden dich nicht bezwingen; denn ich bin mit dir, um dich zu retten - Spruch des Herrn. (Jer 1,4-19)

Wenn man von einer Geburt des Propheten um das Jahr 650 v.Chr. und seiner Berufung im Jahr 628 v.Chr. ausgeht, war Jeremia wirklich jung. Dabei gilt es zu beachten, dass nach jüdischer Auffassung ein Mann erst mit dem 30. Lebensjahr zum priesterlichen Dienst berechtigt war (vgl. auch die Berufung Ezechiels mit 30 zum Propheten).
Der Berufung folgen zwei Visionen, die eine wichtige Bedeutung für Jeremias Auftrag haben. In der ersten Vision sieht Jeremia einen Mandelzweig. Der Mandelbaum ist der erste Baum, der nach dem Winter blüht. Daher heißt er im Hebräischen der Wachsame. Das wird daraufhin gedeutet, dass Gott selbst über sein Wort, das er durch den Propheten verkündet, und dessen Erfüllung wacht.
Dann sieht Jeremia einen dampfenden Kessel, dessen Rand sich von Norden her neigt. Dieser steht symbolisch für das Unheil, das durch die Babylonier vom Norden her über Juda und Jerusalem kommen und schließlich zum Untergang des Reiches Juda führen wird.