Ezechiel 1,1-3

Einführung

.
Ezechiel
Am fünften Tag des vierten Monats im dreißigsten Jahr, als ich unter den Verschleppten am Fluss Kebar lebte, öffnete sich der Himmel und ich sah eine Erscheinung Gottes. Am fünften Tag des Monats - es war im fünften Jahr nach der Verschleppung des Königs Jojachin - erging das Wort des Herrn an Ezechiel, den Sohn Busis, den Priester, im Land der Chaldäer, am Fluss Kebar. Dort kam die Hand des Herrn über ihn. (Ez 1,1-3)

Ezechiel (Namensform nach Luther: Hesekiel) gehört zu den großen Propheten des Alten Testaments. Sein Name bedeutet "Gott möge kräftigen". Dieser Name wird im Buch nur hier und in Ez 24,24 genannt, ansonsten wird der Prophet mit "Menschensohn" angesprochen, insgesamt 93 Mal. Dieser Begriff meint, dass Ezechiel ein normaler Mensch ist und ein solcher auch trotzt seiner intensiven Beziehung zu Gott bleibt. Er macht den himmelweiten Unterschied deutlich, der zwischen Gott und seinem Propheten liegt, zeigt aber auch, dass Gott den Menschen nahe ist, indem er sich einem von ihm berufenen Menschen in besonderer Weise mitteilt und so allen Menschen seine Gegenwart erfahrbar werden lässt.
Ezechiel gehörte zu den Israeliten, die im Jahr 597 zusammen mit König Jojachin durch Nebukadnezzar in die Verbannung nach Babylon geführt wurden. Unter Nebukadnezzar hatten die Neubabylonier im Jahr 605 nach der Schlacht von Karkemisch die Vorherrschaft über Syrien und Palästina errungen. Auch das Königreich Juda stand nun unter der Herrschaft der Neubabylonier. Jedoch kündigte der judäische König Jojakim (609-598) um das Jahr 601 das Vasallenverhältnis auf. Das führte 598/7 zu einem Gegenschlag Nebukadnezzars. Unter Jojachin, der 597 nach dem Tod seines Vaters König von Juda wurde, kapitulierte Jerusalem. Jojachin wurde zusammen mit der königlichen Familie und einem Teil der Oberschicht ins Exil nach Babylon geführt. Die Israeliten wurden am Fluss Kebar, einem Seitenkanal des Euphrat, der durch Babylon fließt, angesiedelt und durften weitgehend als Gemeinschaft zusammen leben.
Juda bestand als Vasallenstaat fort und Zidkija (597-586), ein Neffe Jojachins, wurde von Nebukadnezzar als neuer König eingesetzt. Trotz der Warnung des Propheten Jeremia lehnte sich Zidkija jedoch im Vertrauen auf Hilfe aus Ägypten erneut gegen Nebukadnezzar auf. Dies führte zu einem weiteren Feldzug gegen Juda und schließlich zur Eroberung und Zerstörung Jerusalems im Jahr 586. Nun wurde fast die gesamte Bevölkerung Judas und Jerusalems ins Exil nach Babylon geführt. Ez 40,1 bestätigt diese Datierung. Aus den dortigen Angaben lässt sich ein Zeitraum von elf Jahren zwischen der ersten und der zweiten Eroberung Jerusalems errechnen.
Die Zerstörung Jerusalems hatte einen bedeutenden Einfluss auf die Prophetie Ezechiels. Er hat stets darauf hingewiesen, dass die Verbannten in Babylon sich nicht einer naiven Heilssicherheit und Hoffnung auf baldige Rückkehr hingeben sollen. Es gab viele falsche Propheten, die dem Volk solches einredeten. Doch Ezechiel kündigte die bevorstehende Zerstörung Jerusalems an, teils mit sehr eindringlichen Symbolhandlungen, die ihn selbst bis ins Tiefste ergriffen haben. Als Jerusalem dann aber zerstört war, änderte sich seine Weissagung. Nun macht er den Menschen klar: Gott ist bei seinem Volk, er erwartet Umkehr, und wird neues Heil und die Rückkehr nach Jerusalem schenken.
Ezechiel wird als Sohn eines Priesters vorgestellt. Da das levitische Priestertum gemäß dem Gesetz des Mose erblich war, galt auch Ezechiel als Priester. Durch seine Verschleppung konnte er aber den Dienst am Tempel nicht ausüben. Die im Buch genannte Datierung zeigt, dass Ezechiel sein Prophetenamt genau in der Zeit seines Lebens ausübte, in der er normalerweise als Priester am Tempel in Jerusalem tätig gewesen wäre. Ein Priester übte sein Amt vom 30. bis zum 50. Lebensjahr aus. Das zu Beginn des Buches genannte dreißigste Jahr, das den Beginn der prophetischen Tätigkeit markiert, meint das dreißigste Lebensjahr des Propheten. Dies war fünf Jahr nach der Verschleppung nach Babylon. Ezechiel war also im Jahr 597 fünfundzwanzig Jahre alt. Seine letzte Vision wird in Ez 40,1 auf das fünfundzwanzigste Jahr nach der Verschleppung datiert, das bedeutet das fünfzigste Lebensjahr Ezechiels und entspricht somit dem Alter, in dem sein regulärer Priesterdienst zu Ende gegangen wäre.
Das Prophetenamt Ezechiels wird auf dreifache Weise charakterisiert: der Himmel öffnet sich und er sieht eine Erscheinung Gottes, das Wort des Herrn erging an ihn und die Hand des Herrn kam über ihn. Das, wovon Ezechiel künden soll, erfährt er durch Schauen und durch Worte und ihn zeichnet eine besondere Nähe zu Gott aus.