Daniel 1,1-7

Einführung

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Daniel
Im dritten Jahr der Herrschaft des Königs Jojakim von Juda zog Nebukadnezzar, der König von Babel, gegen Jerusalem und belagerte es. Und der Herr gab König Jojakim von Juda sowie einen Teil der Geräte aus dem Haus Gottes in Nebukadnezzars Gewalt. Er verschleppte sie in das Land Schinar, in den Tempel seines Gottes, die Geräte aber brachte er in das Schatzhaus seines Gottes. Dann befahl der König seinem Oberkämmerer Aschpenas, einige junge Israeliten an den Hof zu bringen, Söhne von königlicher Abkunft oder wenigstens aus vornehmer Familie; sie sollten frei von jedem Fehler sein, schön an Gestalt, in aller Weisheit unterrichtet und reich an Kenntnissen; sie sollten einsichtig und verständig sein und geeignet, im Palast des Königs Dienst zu tun; Aschpenas sollte sie auch in Schrift und Sprache der Chaldäer unterrichten. Als tägliche Kost wies ihnen der König Speisen und Wein von der königlichen Tafel zu. Sie sollten drei Jahre lang ausgebildet werden und dann in den Dienst des Königs treten.
Unter diesen jungen Männern waren aus dem Stamm Juda Daniel, Hananja, Mischael und Asarja. Der Oberkämmerer gab ihnen andere Namen: Daniel nannte er Beltschazzar, Hananja Schadrach, Mischael Meschach und Asarja Abed-Nego. (Dan 1,1-7)

Das Buch Daniel gehört in den zeitlichen Kontext des babylonischen Exils, das mit der ersten Belagerung Jerusalems durch Nebukadnezzar im Jahr 597 v.Chr. begann. Damals wurde ein Teil der Oberschicht Jerusalems ins Exil geführt. Da die verbliebenen Einwohner in Jerusalem weiterhin gegen Nebukadnezzar Widerstand leisteten, wurde die Stadt im Jahr 586 v.Chr. gänzlich erobert und ein Großteil der Bewohner deportiert.
Für die Entstehung des Buches ist ein längerer Zeitraum anzunehmen, was auch daraus ersichtlich ist, dass Teile des Buches in Hebräisch, andere in Aramäisch und wieder andere in Griechisch abgefasst sind. Die Endfassung des Buches ist erst im 2. Jhd. v.Chr. entstanden. Der erste Teil des Buches (Dan 1-7) besteht aus Erzählungen über Ereignisse am babylonischen Königshof, während der zweite Teil (Dan 8-12) Visionen des Propheten schildert. Der dritte Teil (Dan 13-14) besteht aus späteren Anhängen, die die bekannte Geschichte von der schönen Susanna im Bad erzählen und die Geschichte von Daniel und den Marduk-Priestern und die Bezwingung eines Drachen durch Daniel.
Der Prophet Daniel ("Gott hat Recht verschafft") wird als junger Mann zusammen mit drei anderen jungen Männern ausgewählt, um in den Dienst des Königs von Babylon zu treten. Dafür werden sie entsprechend vorbereitet. Obwohl sie nun in einem heidnischen Umfeld leben, halten sie sich von allem Unreinen fern. Ihre Lebensweise, die sich von derjenigen anderer Palastmitglieder deutlich unterscheidet, führt immer wieder zu Konflikten und wird zum Grund für Verdächtigungen. Andere, die ihnen ihre hohe Stellung am Hof neiden, zeigen sie deswegen an. Doch Gott wird sie immer wieder retten und der König setzt sie immer wieder in ihr Amt ein.
So werden die drei Begleiter Daniels in einen glühenden Feuerofen geworfen. Dort erscheint ihnen ein Engel, der die Flammen von ihnen fernhält. Ihr Lobgesang ist bis heute Teil des Stundengebets der Kirche (Dan 3). Daniel wird in eine Löwengrube geworfen, doch die hungrigen Löwen rühren ihn nicht an und der König erkennt, dass Daniel zu Unrecht beschuldigt wurde (Dan 6).
Die hohe Stellung Daniels am Hof der babylonischen Könige beruht auf seiner Fähigkeit, Träume zu deuten. Er gleicht hier Josef von Ägypten, der ähnlich wie David eine hohe Stellung am Hof des Pharao innehatte. So deutet David dem König Nebukadnezzar seine beunruhigenden Träume von den vier Weltreichen (Dan 2) und dem stolzen Baum (Dan 4). Die Erzählung vom Gastmahl Belschazzars (Dan 5) hat durch die Ballade von Heinrich Heine Eingang in die deutsche Literatur gefunden.
Daniel konnte nicht nur Träume deuten, er hatte auch selbst Visionen. Diese werden im zweiten Teil des Buches (Dan 7-12) geschildert. Es handelt sich hierbei um die Vision von den vier Tieren und vom Menschensohn (Dan 7), die Vision vom Widder und vom Ziegenbock (Dan 8), die Weissagen von den siebzig Jahrwochen (Dan 9) und die Visionen vom Engelsfürst Michael und die Endzeit (Dan 10-12).
Die Visionen des Buches Daniel befassen sich mit der Frage nach der gerechten Herrschaft und dem Anbruch des Gottesreiches. Sie sprechen von der Endzeit, die eine Zeit der Bedrohung des Gottesvolkes ist. Dies spiegelt die Erfahrungen der Juden zur Makkabäerzeit unter griechischer Herrschaft wider, als die jüdische Lebensweise gewaltsam durch die des Hellenismus ersetzt werden sollte.
Die Zahlenspekulationen des Buches haben immer wieder für Berechnungen des Weltendes herhalten müssen, ebenso wie die Abfolge der verschiedenen Reiche mit bestehenden Reichen identifiziert wurde. Tatsächlich ist das Buch Daniel ist ein apokalyptisches Buch, das verborgene Hinweise auf eine bevorstehende Endzeit gibt. Jedoch entzieht sich das Wesen dieser Endzeit aller menschlichen Spekulation.
Auch für die christliche Apokalyptik, insbesondere die Offenbarung des Johannes, bilden die Visionen Daniels eine wichtige Grundlage. Gerade die Offenbarung des Johannes macht deutlich, dass die Endzeit immer die Jetzt-Zeit ist. Der Gläubige steht stets einer ihm feindlichen Welt gegenüber, in der sich seine Standhaftigkeit bewähren muss. Immer wieder steigen die Tiere des Bösen aus dem Abgrund hervor und es gilt sie zu bezwingen. Wann diese Abfolge der Reiche des Tieres ein Ende hat und Gottes Herrschaft schließlich alles überstrahlt, bleibt letztendlich Gottes Geheimnis.