Genesis 18,16-19,29

Sodom und Gomorra

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Heilige Schrift
Die Männer erhoben sich von dort und schauten auf Sodom hinab. Abraham ging mit ihnen, um sie zu geleiten. Da sagte der Herr: Soll ich Abraham verheimlichen, was ich tun will? Abraham soll doch zu einem großen, mächtigen Volk werden, durch ihn sollen alle Völker der Erde Segen erlangen. Denn ich habe ihn dazu ausersehen, dass er seinen Söhnen und seinem Haus nach ihm gebietet, den Weg des Herrn einzuhalten und Gerechtigkeit und Recht zu üben, damit der Herr seine Zusagen an Abraham erfüllen kann.
Der Herr sprach: Das Klagegeschrei über Sodom und Gomorra, ja, das ist angeschwollen und ihre Sünde, ja, die ist schwer. Ich will hinabsteigen und sehen, ob ihr verderbliches Tun wirklich dem Klagegeschrei entspricht, das zu mir gedrungen ist, oder nicht. Ich will es wissen. Die Männer wandten sich ab von dort und gingen auf Sodom zu. Abraham aber stand noch immer vor dem Herrn.
Abraham trat näher und sagte: Willst du auch den Gerechten mit den Ruchlosen wegraffen? Vielleicht gibt es fünfzig Gerechte in der Stadt: Willst du auch sie wegraffen und nicht doch dem Ort vergeben wegen der fünfzig Gerechten in ihrer Mitte? Fern sei es von dir, so etwas zu tun: den Gerechten zusammen mit dem Frevler töten. Dann ginge es ja dem Gerechten wie dem Frevler. Das sei fern von dir. Sollte der Richter der ganzen Erde nicht Recht üben? Da sprach der Herr: Wenn ich in Sodom fünfzig Gerechte in der Stadt finde, werde ich ihretwegen dem ganzen Ort vergeben. Abraham antwortete und sprach: Siehe, ich habe es unternommen, mit meinem Herrn zu reden, obwohl ich Staub und Asche bin. Vielleicht fehlen an den fünfzig Gerechten fünf. Wirst du wegen der fünf die ganze Stadt vernichten? Nein, sagte er, ich werde sie nicht vernichten, wenn ich dort fünfundvierzig finde. Er fuhr fort, zu ihm zu reden: Vielleicht finden sich dort nur vierzig. Da sprach er: Ich werde es der vierzig wegen nicht tun. Da sagte er: Mein Herr zürne nicht, wenn ich weiterrede. Vielleicht finden sich dort nur dreißig. Er entgegnete: Ich werde es nicht tun, wenn ich dort dreißig finde. Darauf sagte er: Siehe, ich habe es unternommen, mit meinem Herrn zu reden. Vielleicht finden sich dort nur zwanzig. Er antwortete: Ich werde sie nicht vernichten um der zwanzig willen. Und nochmals sagte er: Mein Herr zürne nicht, wenn ich nur noch einmal das Wort ergreife. Vielleicht finden sich dort nur zehn. Er sprach: Ich werde sie nicht vernichten um der zehn willen.
Der Herr ging fort, als er aufgehört hatte, zu Abraham zu reden, und Abraham kehrte an seinen Ort zurück. (Gen 18,16-33)

Nachdem Gott dem Abraham in der Gestalt der drei Männer erschienen ist und ihm die Geburt eines Sohnes verheißen hat, wenden sich die Männer Sodom zu. Gott enthüllt dem Abraham, was er vorhat. Er möchte die sündigen Städte Sodom und Gomorra dem Erdboden gleich machen. Sodom und Gomorra, diese beiden Städte sind bis heute sprichwörtlich für das sündige Treiben der Menschen.
Abraham fängt an, mit Gott zu handeln. Er erinnert ihn an sein Erbarmen. Gott kann doch nicht wollen, dass die Gerechten zusammen mit den Sündern vernichtet werden, und Gott gibt ihm Recht. Wenn sich dort fünfzig, ja auch nur zehn Gerechte finden, werden die Städte nicht zerstört. Doch jeder weiß, wie die Geschichte endet. Außer Lot, dem Verwandten Abrahams, findet sich dort kein einziger Mensch, der gerecht ist. Eine erschreckende Bilanz.

Die beiden Engel kamen am Abend nach Sodom. Lot saß im Stadttor von Sodom. Als er sie sah, erhob er sich, trat auf sie zu, warf sich mit dem Gesicht zur Erde nieder und sagte: Bitte, meine Herren, kehrt doch im Haus eures Knechtes ein, bleibt über Nacht und wascht euch die Füße! Am Morgen könnt ihr euren Weg fortsetzen. Nein, sagten sie, wir wollen auf dem Platz übernachten. Er bedrängte sie so sehr, dass sie bei ihm einkehrten und in sein Haus kamen. Er bereitete ihnen ein Mahl, ließ ungesäuerte Brote backen und sie aßen.
Sie waren noch nicht schlafen gegangen, da umstellten die Männer der Stadt das Haus, die Männer von Sodom, Jung und Alt, alles Volk von weit und breit. Sie riefen nach Lot und fragten ihn: Wo sind die Männer, die heute Nacht zu dir gekommen sind? Bring sie zu uns heraus, wir wollen mit ihnen verkehren. Da ging Lot zu ihnen hinaus vor die Tür, schloss sie hinter sich zu und sagte: Meine Brüder, tut doch nicht das Böse! Seht doch, ich habe zwei Töchter, die noch nicht mit einem Mann verkehrt haben. Ich will sie zu euch herausbringen. Dann tut mit ihnen, was euch gefällt. Nur diesen Männern tut nichts; denn deshalb sind sie ja unter den Schutz meines Daches getreten. Sie aber sagten: Geh weg! Und sie sagten: Kommt da so einer daher, ein Fremder, und will sich als Richter aufspielen! Nun wollen wir dir Böseres antun, noch mehr als ihnen. Sie setzten dem Mann, nämlich Lot, arg zu und waren schon dabei, die Tür aufzubrechen. Da streckten jene Männer die Hand aus, zogen Lot zu sich ins Haus und sperrten die Tür zu. Dann schlugen sie die Männer draußen vor dem Haus, Groß und Klein, mit Blindheit, sodass sie sich vergebens bemühten, den Eingang zu finden.
Die Männer sagten zu Lot: Wer gehört hier noch zu dir? Ein Schwiegersohn, Söhne, Töchter oder sonst jemand in der Stadt? Bring sie weg von diesem Ort! Wir wollen diesen Ort vernichten; denn groß ist das Klagegeschrei, das über sie zum Herrn gedrungen ist. Der Herr hat uns geschickt, die Stadt zu vernichten. Da ging Lot hinaus, redete auf seine Schwiegersöhne ein, die seine Töchter heiraten wollten, und sagte: Macht euch auf und verlasst diesen Ort; denn der Herr will die Stadt vernichten. Aber seine Schwiegersöhne meinten, er mache nur Spaß. (Gen 19,1-14)

Die Männer machen sich also auf den Weg nach Sodom und werden dort von Lot gastfreundlich aufgenommen. Die Einwohner Sodoms aber versammeln sich vor dem Haus und fordern von Lot die Herausgabe seiner Gäste. Das Gastrecht ist im Alten Orient heilig. Lieber würde Lot seine beiden jungfräulichen Töchter herausgeben, als seine Gäste. Lot gerät in arge Bedrängnis und wäre fast selbst von den Bewohnern Sodoms getötet worden. Schließlich schlägt Gott die wütende Menge mit Blindheit, so dass sie ihr Vorhaben aufgeben müssen. Die Schlechtigkeit der Bewohner Sodoms aber ist nun nicht mehr zu übersehen.

Als die Morgenröte aufstieg, drängten die Engel Lot zur Eile und sagten: Auf, nimm deine Frau und deine beiden Töchter, die hier sind, damit du nicht wegen der Schuld der Stadt hinweggerafft wirst! Da er noch zögerte, fassten die Männer seine Hand, die Hand seiner Frau und die Hand seiner beiden Töchter, weil der Herr mit ihm Mitleid hatte. Sie führten ihn hinaus und ließen ihn erst draußen vor der Stadt los. Während die Männer sie hinaus ins Freie führten, sagte der eine: Rette dich, es geht um dein Leben! Sieh dich nicht um und bleib im ganzen Umkreis nicht stehen! Rette dich ins Gebirge, sonst wirst du weggerafft!
Lot aber sagte zu ihnen: Nicht doch, mein Herr! Siehe, dein Knecht hat Gnade in deinen Augen gefunden. Du hast mir große Gunst erwiesen und mir mein Leben bewahrt. Ich kann mich nicht ins Gebirge retten, ohne dass mich das Unheil vorher ereilt und ich sterben muss. Siehe doch, die Stadt in der Nähe, dorthin könnte man fliehen. Sie ist doch klein; dorthin kann ich mich retten. Ist sie nicht klein? So könnte ich am Leben bleiben. Er antwortete ihm: Siehe, auch das will ich dir gewähren und die Stadt, von der du sprichst, nicht zum Einsturz bringen. Schnell, rette dich dorthin; denn ich kann nichts unternehmen, bevor du dort angekommen bist. Deshalb gab er der Stadt den Namen Zoar, die Kleine.
Als die Sonne über dem Land aufgegangen und Lot in Zoar angekommen war, ließ der Herr auf Sodom und Gomorra Schwefel und Feuer regnen, vom Herrn, vom Himmel herab. Er ließ ihre Städte einstürzen mitsamt ihrem ganzen Umkreis, auch alle Einwohner der Städte und alles, was auf den Feldern wuchs. Als sich aber seine Frau hinter ihm umblickte, wurde sie zu einer Salzsäule.
Am frühen Morgen begab sich Abraham an den Ort, an dem er dem Herrn gegenübergestanden hatte. Er schaute gegen Sodom und Gomorra und auf das ganze Gebiet im Umkreis. Er schaute hin und siehe: Qualm stieg von der Erde auf wie der Qualm aus einem Schmelzofen. Als Gott die Städte der Gegend vernichtete, gedachte Gott Abrahams und geleitete Lot mitten aus der Zerstörung heraus, während er die Städte, in denen Lot gewohnt hatte, einstürzen ließ. (Gen 19,15-29)

Gleich am nächsten Morgen führt Gott Lot, seine Frau und dessen beide Töchter aus der Stadt. Sie sollen fliehen, sich dabei aber nicht umsehen. Die Schwiegersöhne Lots wollten mit ihren Familien nicht mitkommen. Als Lot in Sicherheit ist, zerstört Gott Sodom und Gomorra mit Feuer und Schwefel. Nichts bleibt übrig von den Städten in jener Gegend. Als aber die Frau des Lot sich umwendet, um das Ereignis zu sehen, erstarrt sie zu einer Salzsäule.
Es ist immer wieder nach den untergegangenen Städten Sodom und Gomorra gesucht worden. Man vermutet sie am südlichen Ende des Toten Meeres. Es ist eine unwirtliche Gegend, in der jede menschliche Ansiedlung unvorstellbar erscheint und es nimmt nicht Wunder, dass die Erzählung sich gerade diesen Ort für die Handlung ausgesucht hat. Man hat in der Gegend südlich des Toten Meeres tatsächlich die Überreste einer bedeutenden Stadt entdeckt, die aller Wahrscheinlichkeit nach durch Feuer zerstört wurde. Die Datierung weist aber auf eine Zeit weit vor Abraham hin. Die Verfasser der Bibel könnten eine ihnen bekannte Erzählung vom Untergang einer Stadt dann an dieser Stelle der Abrahamserzählung eingefügt haben.
Von einer Erzähltradition über den Untergang von Sodom und Gomorra, die unabhängig von der Abrahamsgeschichte überliefert ist, spricht die Erwähnung von Sodom im Ez 16,46-58 oder von Sodom und Gomorra im Zusammenhang mit den Städten Adma und Zebojim in Dtn 29,22. Hier wird ein Bezug zu Abraham mit keinem Wort erwähnt. Interessant ist auch, dass Sodom öfter für sich allein steht, Gomorra aber stets mit Sodom gemeinsam genannt wird. Der Prophet Hosea aus dem Nordreich Israel scheint eine Tradition über den Untergang von Adma und Zebojim (Hos 11,8) unabhängig von der vermutlich im Südreich Juda tradierten Erzählung über Sodom und Gomorra zu kennen.
Die Sachlage erscheint mir folgendermaßen: In Israel gab es die Erinnerung an den Untergang einer bedeutenden Stadt und ihrer Umgebung, die von Generation zu Genration weitererzählt wurde. Dabei wurde die Stadt unterschiedlich lokalisiert, die stärkere Tradition war jedoch die von Sodom im unwirtlichen Gebiet südlich des Toten Meeres. Immer wurde der Untergang der Stadt auf die Sündhaftigkeit deren Bewohner zurückgeführt, die schon seit ältesten Zeiten sprichwörtlich war.
Die Einbettung in die Abrahamsgeschichte lässt zumindest auf dem zweiten Blick einen Hoffnungsschimmer in der Unheilsgeschichte aufblitzen. Gott will die Stadt nicht auf ein Gerücht hin vernichten, sondern macht sich selbst auf den Weg, um zu sehen, ob ihre Bewohner wirklich so sündhaft sind, wie es heißt. Er lässt sich mit Abraham auf einen Handel ein, dass er davon ablässt, den vernichtungsplan gegen die Stadt auszuführen, wenn sich dort nur zehn Gerechten finden. Aber die gibt es nicht.
Wir können die Geschichte von Sodom und Gomorra mit den Buch Jona vergleichen. Da geht es um Ninive, eine Stadt, deren Ruf bei den Juden vermutlich genau so katastrophal war wie der von Sodom und Gomorra. Auch Ninive will Gott vernichten, aber die Stadt bekehrt sich auf die Predigt des Jona hin. Gott verzeiht ihren Bewohnern. Wo auf den ersten Blick der oft beschworene zürnende Gott des Alten Testaments erscheint, entdeckt man den Gott der Liebe, der das heil der Menschen will.
War es nicht mit Jesus ähnlich? Hier kam Gott zu den Menschen, nicht mehr wie die drei Engel bei Abraham, sondern wirklich als Menschen. Wieder hat Gott nach den Menschen gesehen, hat sie gerufen, ihnen sein Heil verkündet. Aber Jesus wurde getötet. Aber doch gab es genug Menschen, die Jesus geglaubt haben, und sich bekehrt haben. Immer wieder ruft Gott die Menschen zur Umkehr und ist gnädig und barmherzig und bereit zu verzeihen, wo Menschen zur Umkehr bereit sind. Der Heilige Pfarrer von Ars hat gesagt:

Gott liebt uns mehr als der beste Vater, mehr als die liebste Mutter. Es genügt, dass wir uns seinem Willen unterwerfen und uns ihm anheimgeben mit dem Herzen eines Kindes.
Unser Herr ist auf der Erde, wie eine Mutter, die ihr Kind auf dem Arm trägt. Das Kind ist böse, schlägt die Mutter, beißt und kratzt sie, aber die Mutter macht kein Aufhebens davon. Sie weiß, wenn sie es loslässt, wird es fallen, es kann ja nicht alleine laufen. Seht, wie unser Herr ist: er erträgt unser böses Benehmen und alle unsere Anmaßungen, er vergibt uns alle unsere Dummheiten und hat Erbarmen mit uns trotz allem.
O Jesus, dich kennen heißt dich lieben! Wenn wir wüssten, wie sehr der Herr uns liebt, wir würden vor Freude sterben. Ich glaube nicht, dass es Herzen gibt, die so hart sind, nicht zu lieben, wenn sie sich so geliebt sehen ... Das einzige Glück, das wir auf Erden haben, ist Gott zu lieben, und zu wissen, dass Gott uns liebt. Amen.
Lot zog von Zoar hinauf und ließ sich mit seinen beiden Töchtern im Gebirge nieder. Er fürchtete sich nämlich, in Zoar zu bleiben. Er wohnte in einer Höhle, er und seine beiden Töchter. Eines Tages sagte die Ältere zur Jüngeren: Unser Vater wird alt und einen Mann, der mit uns verkehrt, wie es in aller Welt üblich ist, gibt es nicht. Komm, geben wir unserem Vater Wein zu trinken und legen wir uns zu ihm, damit wir durch unseren Vater Nachkommen erhalten. Sie gaben also ihrem Vater in jener Nacht Wein zu trinken; dann kam die Ältere und legte sich zu ihrem Vater. Er merkte nicht, wie sie sich hinlegte und wie sie aufstand. Am anderen Tag sagte die Ältere zur Jüngeren: Siehe, ich habe gestern bei meinem Vater gelegen. Geben wir ihm auch heute Nacht Wein zu trinken, dann komm und leg du dich zu ihm! So werden wir durch unseren Vater Nachkommen erhalten. Sie gaben ihrem Vater also auch in jener Nacht Wein zu trinken; dann machte sich die Jüngere auf und legte sich zu ihm. Er merkte nicht, wie sie sich hinlegte und wie sie aufstand. Beide Töchter Lots wurden von ihrem Vater schwanger. Die Ältere gebar einen Sohn und gab ihm den Namen Moab. Er gilt als Stammvater der Moabiter bis heute. Auch die Jüngere gebar einen Sohn und gab ihm den Namen Ben-Ammi. Er gilt als Stammvater der Ammoniter bis heute. (Gen 19,30-38)

Im Anschluss an die Flucht Lots aus Sodom und Gomorra erzählt die Bibel noch eine brisante Geschichte über die Nachkommen Lots. Seine Frau ist bei der Flucht umgekommen, seine Schwiegersöhne in den Städten gestorben, so ist er allein mit seinen beiden Töchtern. Diese machen ihren Vater betrunken, um so zu Kindern zu kommen. Aus dieser Inzucht kommen zwei Söhne zur Welt, Moab und Ben-Ammi. Diese werden zu den Stammvätern der den Israeliten seit jeher verhassten Moabiter und Ammoniter. So soll wohl diese Geschichte vor allem zeigen, wie verabscheuungswürdig diese Völker sind.