Mensch - wo bist du? Heute müssen wir uns zunächst einmal damit auseinandersetzen, dass viele gar nicht mehr daran glauben, dass es einen Gott gibt, der diese Frage stellt. Braucht der Mensch einen Gott, der nach ihm sucht? Wir wissen, dass die Geschichte vom Paradies ein Mythos ist. Aber wir glauben, dass Gott irgendwie an der Erschaffung der Welt und des Menschen mitgewirkt hat. Wie, das wissen wir nicht. Wir wissen heute viel über die Jahrmillionen, in denen sich das Universum entwickelt hat, die Erde zu dem Planeten wurde, wie wir sie heute kennen und dann schließlich das Leben hier entstanden ist. Aber doch liegt vieles im Dunkeln. Mit unseren heutigen wissenschaftlichen Methoden kommen wir zwar sehr nahe an den Zeitpunkt heran, als das Universum entstanden ist, aber der Zeitpunkt seines Entstehens bleibt uns unzugänglich. Wir wissen viel über das Leben, aber wie höhere Lebensformen und schließlich auch der Geist des Menschen entstanden sind, können wir nicht mit absoluter Sicherheit sagen.
Es bleibt auch in unserer hochtechnisierten Welt noch Platz für Gott. Zwar gibt es keinen Platz mehr für die Götter, die sich die Menschen gemacht haben, um mit ihnen die Sterne und Planeten zu besetzen oder die Naturgewalten zu erklären. Es gibt auch keinen Platz mehr für die Götter des Schicksals, denen die Menschen die unerklärlichen Ereignisse in ihrem Leben zugeschrieben haben. Aber es gibt einen Platz für einen Gott, der im Herzen des Menschen wohnt, der ihm nahe ist und der das Suchen des Menschen nach Erkenntnis, Liebe und Lebenssinn begleitet.
Jeder Mensch muss selbst herausfinden, ob es in seinem Leben einen Platz gibt für diesen Gott. Wer aber bereit ist, sich auf diesen Gott einzulassen, der wird seinen Ruf nach dem Menschen hören. Und wer dann antwortet: Hier bin ich, Herr!, der wird mehr über diesen Gott erfahren. Er wird verstehen, wie jemand, der sich so klein macht wie ein Kind, doch stärker sein kann als die Mächtigen dieser Welt, er wird verstehen, wie jemand, der schenkt, mehr haben kann, als die Reichen dieser Welt, und er wird eine Liebe erfahren, wie sie die Welt nicht geben kann.
Mensch - wo bist du?
Hier bin ich Herr!
Ich habe dich gesehen
im Stall von Betlehem.
Ich irrte durch die Nacht
und sah ein Licht.
Ich trat hinzu
und spürte eine Nähe
in den Augen dieses Kindes
das mich anblickte.
Jetzt weiß ich, Gott,
wie sehr du dich nach mir sehnst.
Lass mich den Weg mit dir gehen,
den Weg hinein ins Leben.
Amen.
Er antwortete: Ich habe deine Schritte gehört im Garten; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich. Darauf fragte er: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem ich dir geboten habe, davon nicht zu essen? Der Mensch antwortete: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben. So habe ich gegessen. Gott, der Herr, sprach zu der Frau: Was hast du getan? Die Frau antwortete: Die Schlange hat mich verführt. So habe ich gegessen. (Gen 3,10-13)
Wir dürfen die Erzählungen des Buches Genesis nicht wörtlich nehmen, aber dennoch enthalten sie Wahrheiten, die für immer bleiben. Adam und Eva haben gegen das Gebot Gottes verstoßen und - verführt von der Schlange - von dem verbotenen Baum gegessen. Doch anstatt nun besonders weise und mächtig zu werden, wie es ihnen die Schlange versprochen hatte, erkennen sie nur ihre Nacktheit und fangen an sich zu schämen.
Plötzlich kommt Gott durch den Garten Eden. Bisher lebten Mensch und Gott dort in einem vertrauten Verhältnis. Der Mensch freute sich an Gottes Nähe und Gott freute sich am Leben des Menschen. Aber nun ist es anders. Der Mensch erschrickt vor Gott und versteckt sich vor ihm. Vordergründig gibt der Mensch seine Nacktheit als Grund für seine Furcht an. Doch es steckt mehr dahinter.
Nichts ist mehr, wie es vorher war. Wir kennen das vielleicht selbst. Eine Beziehung war harmonisch, die Partner konnten einander vertrauen, doch dann tut einer der Partner etwas, das er nicht hätte tun dürfen. Der andere merkt, dass etwas nicht stimmt. Es gibt hier zwar immer wieder Wege, mit diesem Fehler zu leben und wieder zusammen zu finden, doch diese Wege sind beschwerlich.
Gott weiß, was geschehen ist. Er sucht den Menschen, ruft nach ihm. Ist es die Suche eines strafenden Gottes nach dem Übeltäter oder ist es nicht vielmehr die Suche des liebenden Gottes nach dem Menschen, dem er verzeihen möchte? Im folgenden Gespräch gibt Gott dem Menschen die Möglichkeit, seine Sünde einzugestehen und um Verzeihung zu bitten, doch der Mensch ist weit davon entfernt, diese Möglichkeit anzunehmen, stattdessen gibt einer dem anderen die Schuld, der Mann der Frau und die Frau der Schlange.
Der Mensch hat noch nicht gelernt, Verantwortung für sein Tun zu übernehmen. Der Genuss der verbotenen Frucht hat etwas im Menschen bewirkt. Er hat neue Fähigkeiten gewonnen, neue Erkenntnisse. Doch er muss lernen, sie verantwortungsvoll zu nutzen. Im Paradies gibt es keinen Platz mehr für einen solchen Menschen. Stattdessen muss der Mensch nun selbst für sein Wohlergehen sorgen, mühsam sich die Erde nutzbar machen, Neues entdecken.
Der Mensch muss nun selbst für sich sorgen, und doch findet Gott immer wieder Wege, erneut zu einem vertrauten Verhältnis zu diesem Menschen zu finden. Gott will dem Menschen begegnen, in seiner Mühsal, in seinem Alltag. Davon berichtet die Bibel, wie Gott sich dem Menschen zuwendet und ihn zu einer ganz neuen Gemeinschaft mit sich führen will.
Da sprach Gott, der Herr, zur Schlange: Weil du das getan hast, bist du verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes. Auf dem Bauch wirst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens. Und Feindschaft setze ich zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen. Er trifft dich am Kopf und du triffst ihn an der Ferse.
Zur Frau sprach er: Viel Mühsal bereite ich dir und häufig wirst du schwanger werden. Unter Schmerzen gebierst du Kinder. Nach deinem Mann hast du Verlangen und er wird über dich herrschen.
Zum Menschen sprach er: Weil du auf die Stimme deiner Frau gehört und von dem Baum gegessen hast, von dem ich dir geboten hatte, davon nicht zu essen, ist der Erdboden deinetwegen verflucht. Unter Mühsal wirst du von ihm essen alle Tage deines Lebens. Dornen und Disteln lässt er dir wachsen und die Pflanzen des Feldes wirst du essen. Im Schweiße deines Angesichts wirst du dein Brot essen, bis du zum Erdboden zurückkehrst; denn von ihm bist du genommen, Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück. (Gen 3,14-19)
Das vertraute Verhältnis des Menschen zu Gott ist bereits gestört. Der Mensch versteckt sich vor Gott. Als Gott den Adam zur Rede stellt, lehnt die Verantwortung ab für das, was er getan hat. Die Frau habe ihn dazu verführt. Die Frau wiederum verweist auf die Schlange. Wir können ja nichts dafür. Gott aber weiß, welche Fähigkeiten er dem Menschen gegeben hat. Der Mensch kann der Versuchung widerstehen. Er muss die Verantwortung für sein Tun übernehmen.
Der Mensch hat von Gott Freiheit bekommen, damit er sich frei aus Liebe Gott zuwendet und in dieser Zuwendung zu Gott hin glücklich wird. Die Hinwendung zu Gott kommt darin zum Ausdruck, dass der Mensch die Gebote Gottes hält. Der Mensch aber hat andere Interessen. Versuchung ist das, was uns davon abbringen will, zu glauben, dass Gott es wirklich gut mit uns meint. Gott hat dem Menschen das wunderbare Paradies geschenkt, der Mensch aber sieht plötzlich nur noch das eine Verbot und meint nun, alles, was von Gott kommt, sei nicht gut. Das war es, was im Paradies vor sich ging. Gott hatte gesagt, es ist besser für euch, wenn ihr von dem einen Baum nicht esst. Der Schlange aber sagte, nur weil Gott euch nieder halten will und euch gängeln will hat er das gesagt. Der Versucher will uns glauben machen, dass die Gebote Gottes für uns nicht gut sind. Der Mensch fällt auf diese List herein. Und was passiert? Der Mensch verliert dadurch so ziemlich alles, was sein Leben angenehm gemacht hat.
Die Versuchung will uns alles mies reden, sie zeigt uns das andere, das scheinbar viel besser ist - ein Trugbild, dem viele erliegen. Allein die Dankbarkeit kann uns helfen, das Schöne in dem zu sehen, was wir haben. Probieren wir es aus. Sagen wir danke für das, was wir haben, auch für die Kleinigkeiten, auch für das, was uns vielleicht auf den ersten Blick stört. Nehmen wir die kleinen und größeren Widrigkeiten des Alltags an und sagen wir auch für sie danke. Im Danken können sich die Dinge verwandeln und zu einer unglaublichen Schönheit reifen.